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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
auf die Jagd/ und weil die schöne Helena sich gantz
allein in ihrem Zimmer befand/ ließ sie den Venereum
zu sich ruffen/ damit er sie in dem zierlichen Legen der
Servietten/ womit er fürtrefflich umzugehen wuste/ sie
ein wenig unterweisen möchte. Er hatte aber hiermit
kaum angefangen/ als er einen tieff-geholten Seuff-
zer fliegen ließ/ nach dessen Ursach die Helena forsche-
te. Ach schönste Frau/ war seine Antwort/ ich bin et-
was traurig/ weil es mir so unglücklich gehet. Hier-
mit seuffzete er noch tieffer als vorhin. Sie hatte
grosses Mitleyden mit ihm/ und bathe ihn/ ihr dessen
Ursach zu entdecken. Wann ich solches thäte/ sprach
er/ müste ich eure Ungnade fürchten/ für welche ich
lieber in den Tod gehen wolte. Als sie ihm aber
schwur/ daß sie ihm nicht ungünstig werden wolte/
wann er anders fein rein außbeichten würde/ da warff
er sich für ihr auf seine Knie darnieder/ und sprach:
Mein Leben/ allerschönste Frau/ und mein Tod stehen
allein in eurer Gewalt/ ihr sehet allhier zwar euren
Tafel-Decker/ aber ich bin Jeronymo, Marquis de
Caranza,
ein fürnehmer Vasall der Römis. Kirchen/
in dem Land Urbino. Eure Schönheit ist für meine
Ohren in Jtalien kommen/ und euer Conterfait, so
ich zu Rom von einem Teutschen Cavallier erhandelt/
hat mich angefrischet/ daß ich mich auf den Weg ge-
macht/ euch selber/ als das rechte Original, zu sehen/
um zu untersuchen/ ob der Mahler seiner Hand zu
viel Willen und Freyheit gelassen. Also habe ich mich
bey eurem Junckern für einen Diener annehmen las-
sen/ und seithero befunden/ daß der Mahler noch bey
weitem nicht hat fürbilden können/ die jenige Voll-
kommenheit/ womit die Natur eure unvergleichliche
Gestalt beehret hat. Aber/ ach Jammer! ich habe so
viel gefunden/ daß es mir unmöglich/ ohne einige Ge-

niessung

Deß Academiſchen
auf die Jagd/ und weil die ſchoͤne Helena ſich gantz
allein in ihrem Zimmer befand/ ließ ſie den Venereum
zu ſich ruffen/ damit er ſie in dem zierlichen Legen der
Servietten/ womit er fuͤrtrefflich umzugehen wuſte/ ſie
ein wenig unterweiſen moͤchte. Er hatte aber hiermit
kaum angefangen/ als er einen tieff-geholten Seuff-
zer fliegen ließ/ nach deſſen Urſach die Helena forſche-
te. Ach ſchoͤnſte Frau/ war ſeine Antwort/ ich bin et-
was traurig/ weil es mir ſo ungluͤcklich gehet. Hier-
mit ſeuffzete er noch tieffer als vorhin. Sie hatte
groſſes Mitleyden mit ihm/ und bathe ihn/ ihr deſſen
Urſach zu entdecken. Wann ich ſolches thaͤte/ ſprach
er/ muͤſte ich eure Ungnade fuͤrchten/ fuͤr welche ich
lieber in den Tod gehen wolte. Als ſie ihm aber
ſchwur/ daß ſie ihm nicht unguͤnſtig werden wolte/
wann er anders fein rein außbeichten wuͤrde/ da warff
er ſich fuͤr ihr auf ſeine Knie darnieder/ und ſprach:
Mein Leben/ allerſchoͤnſte Frau/ und mein Tod ſtehen
allein in eurer Gewalt/ ihr ſehet allhier zwar euren
Tafel-Decker/ aber ich bin Jeronymo, Marquis de
Caranza,
ein fuͤrnehmer Vaſall der Roͤmiſ. Kirchen/
in dem Land Urbino. Eure Schoͤnheit iſt fuͤr meine
Ohren in Jtalien kommen/ und euer Conterfait, ſo
ich zu Rom von einem Teutſchen Cavallier erhandelt/
hat mich angefriſchet/ daß ich mich auf den Weg ge-
macht/ euch ſelber/ als das rechte Original, zu ſehen/
um zu unterſuchen/ ob der Mahler ſeiner Hand zu
viel Willen und Freyheit gelaſſen. Alſo habe ich mich
bey eurem Junckern fuͤr einen Diener annehmen laſ-
ſen/ und ſeithero befunden/ daß der Mahler noch bey
weitem nicht hat fuͤrbilden koͤnnen/ die jenige Voll-
kommenheit/ womit die Natur eure unvergleichliche
Geſtalt beehret hat. Aber/ ach Jammer! ich habe ſo
viel gefunden/ daß es mir unmoͤglich/ ohne einige Ge-

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[696/0714] Deß Academiſchen auf die Jagd/ und weil die ſchoͤne Helena ſich gantz allein in ihrem Zimmer befand/ ließ ſie den Venereum zu ſich ruffen/ damit er ſie in dem zierlichen Legen der Servietten/ womit er fuͤrtrefflich umzugehen wuſte/ ſie ein wenig unterweiſen moͤchte. Er hatte aber hiermit kaum angefangen/ als er einen tieff-geholten Seuff- zer fliegen ließ/ nach deſſen Urſach die Helena forſche- te. Ach ſchoͤnſte Frau/ war ſeine Antwort/ ich bin et- was traurig/ weil es mir ſo ungluͤcklich gehet. Hier- mit ſeuffzete er noch tieffer als vorhin. Sie hatte groſſes Mitleyden mit ihm/ und bathe ihn/ ihr deſſen Urſach zu entdecken. Wann ich ſolches thaͤte/ ſprach er/ muͤſte ich eure Ungnade fuͤrchten/ fuͤr welche ich lieber in den Tod gehen wolte. Als ſie ihm aber ſchwur/ daß ſie ihm nicht unguͤnſtig werden wolte/ wann er anders fein rein außbeichten wuͤrde/ da warff er ſich fuͤr ihr auf ſeine Knie darnieder/ und ſprach: Mein Leben/ allerſchoͤnſte Frau/ und mein Tod ſtehen allein in eurer Gewalt/ ihr ſehet allhier zwar euren Tafel-Decker/ aber ich bin Jeronymo, Marquis de Caranza, ein fuͤrnehmer Vaſall der Roͤmiſ. Kirchen/ in dem Land Urbino. Eure Schoͤnheit iſt fuͤr meine Ohren in Jtalien kommen/ und euer Conterfait, ſo ich zu Rom von einem Teutſchen Cavallier erhandelt/ hat mich angefriſchet/ daß ich mich auf den Weg ge- macht/ euch ſelber/ als das rechte Original, zu ſehen/ um zu unterſuchen/ ob der Mahler ſeiner Hand zu viel Willen und Freyheit gelaſſen. Alſo habe ich mich bey eurem Junckern fuͤr einen Diener annehmen laſ- ſen/ und ſeithero befunden/ daß der Mahler noch bey weitem nicht hat fuͤrbilden koͤnnen/ die jenige Voll- kommenheit/ womit die Natur eure unvergleichliche Geſtalt beehret hat. Aber/ ach Jammer! ich habe ſo viel gefunden/ daß es mir unmoͤglich/ ohne einige Ge- nieſſung

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/714>, abgerufen am 22.11.2024.