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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
Ordnung seyn/ der die Nutzbarkeit der Gedächtnüß-
Kunst in Zweiffel ziehen wil/ sintemahl sie ihre Lehr-
Sätze auf der Ordnung gründet. Und weilen man
niemahls besser von einer Sachen urtheilet/ als in
Betrachtung ihres Gegentheils/ so muß man/ um die
Ordnung wol zu erkennen/ die Unordnung mit ihren
Ubeln vorstellen. Dann gleichwie wir nichts wissen/
als nur das/ so wir in unserm Gedächtnüß führen/
dahero auch das Wort wissen und im Gedächtnüß
haben/ gar wol und eigentlich von dem gemeinen
Mann vor einerley genommen wird. Also wurde es
einem wenig nutz seyn/ viel Sachen wissen/ und sie zu
rechter Zeit nicht fürbringen können/ oder wann sein
Wissen unordentlich ist/ so verdienet er mehr den
Namen eines Verwirrten/ als Wissenden. Und das
geschicht auß ermanglender Ordnung/ welche die Ge-
dächtnüß-Kunst uns lehret/ und darzu verhülffet.
Dann alle Sachen unter sich eine entweder von der
Natur oder Kunst herkommende Verbindlichkeit ha-
ben. Die Erste befindet sich in der Selbständigkeit
und zufälligen Dingen. Die Pflantzen haben ihre
Ordnung/ die Thiere ihre/ und unter denen Menschen
gibt gleicher Gestalt die Zeit/ Ort/ Würde und ande-
re Umstände solche. Also war Cyrus eher/ als Alexan-
der, Alexander
eher als Caesar, und diese an Würden
höher als Cicero, Cicero als Roscius. Aber unser Ge-
dächtnüß wird fürnemlich verhindert die künstliche
Aneinanderfügung und Nachfolgung der Wörter
zu behalten/ nemlichen die/ so wir selbsten ordnen und
fügen/ sonderlich wann sie sich von der natürlichen
Ordnung gar zu weit entziehet. Dahero siehet man
und erfähret/ daß/ je mehr eine Rede auß schweiffend
ist/ und nicht wol an einander hänget/ je weniger man
sie im Gedächtnüß behalten kan. Worinnen auch

sonder-

Romans II. Buch.
Ordnung ſeyn/ der die Nutzbarkeit der Gedaͤchtnuͤß-
Kunſt in Zweiffel ziehen wil/ ſintemahl ſie ihre Lehr-
Saͤtze auf der Ordnung gruͤndet. Und weilen man
niemahls beſſer von einer Sachen urtheilet/ als in
Betrachtung ihres Gegentheils/ ſo muß man/ um die
Ordnung wol zu erkennen/ die Unordnung mit ihren
Ubeln vorſtellen. Dann gleichwie wir nichts wiſſen/
als nur das/ ſo wir in unſerm Gedaͤchtnuͤß fuͤhren/
dahero auch das Wort wiſſen und im Gedaͤchtnuͤß
haben/ gar wol und eigentlich von dem gemeinen
Mann vor einerley genommen wird. Alſo wurde es
einem wenig nutz ſeyn/ viel Sachen wiſſen/ und ſie zu
rechter Zeit nicht fuͤrbringen koͤnnen/ oder wann ſein
Wiſſen unordentlich iſt/ ſo verdienet er mehr den
Namen eines Verwirꝛten/ als Wiſſenden. Und das
geſchicht auß ermanglender Ordnung/ welche die Ge-
daͤchtnuͤß-Kunſt uns lehret/ und darzu verhuͤlffet.
Dann alle Sachen unter ſich eine entweder von der
Natur oder Kunſt herkommende Verbindlichkeit ha-
ben. Die Erſte befindet ſich in der Selbſtaͤndigkeit
und zufaͤlligen Dingen. Die Pflantzen haben ihre
Ordnung/ die Thiere ihre/ und unter denen Menſchen
gibt gleicher Geſtalt die Zeit/ Ort/ Wuͤrde und ande-
re Umſtaͤnde ſolche. Alſo war Cyrus eher/ als Alexan-
der, Alexander
eher als Cæſar, und dieſe an Wuͤrden
hoͤher als Cicero, Cicero als Roſcius. Aber unſer Ge-
daͤchtnuͤß wird fuͤrnemlich verhindert die kuͤnſtliche
Aneinanderfuͤgung und Nachfolgung der Woͤrter
zu behalten/ nemlichen die/ ſo wir ſelbſten ordnen und
fuͤgen/ ſonderlich wann ſie ſich von der natuͤrlichen
Ordnung gar zu weit entziehet. Dahero ſiehet man
und erfaͤhret/ daß/ je mehr eine Rede auß ſchweiffend
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ſie im Gedaͤchtnuͤß behalten kan. Worinnen auch

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[879/0899] Romans II. Buch. Ordnung ſeyn/ der die Nutzbarkeit der Gedaͤchtnuͤß- Kunſt in Zweiffel ziehen wil/ ſintemahl ſie ihre Lehr- Saͤtze auf der Ordnung gruͤndet. Und weilen man niemahls beſſer von einer Sachen urtheilet/ als in Betrachtung ihres Gegentheils/ ſo muß man/ um die Ordnung wol zu erkennen/ die Unordnung mit ihren Ubeln vorſtellen. Dann gleichwie wir nichts wiſſen/ als nur das/ ſo wir in unſerm Gedaͤchtnuͤß fuͤhren/ dahero auch das Wort wiſſen und im Gedaͤchtnuͤß haben/ gar wol und eigentlich von dem gemeinen Mann vor einerley genommen wird. Alſo wurde es einem wenig nutz ſeyn/ viel Sachen wiſſen/ und ſie zu rechter Zeit nicht fuͤrbringen koͤnnen/ oder wann ſein Wiſſen unordentlich iſt/ ſo verdienet er mehr den Namen eines Verwirꝛten/ als Wiſſenden. Und das geſchicht auß ermanglender Ordnung/ welche die Ge- daͤchtnuͤß-Kunſt uns lehret/ und darzu verhuͤlffet. Dann alle Sachen unter ſich eine entweder von der Natur oder Kunſt herkommende Verbindlichkeit ha- ben. Die Erſte befindet ſich in der Selbſtaͤndigkeit und zufaͤlligen Dingen. Die Pflantzen haben ihre Ordnung/ die Thiere ihre/ und unter denen Menſchen gibt gleicher Geſtalt die Zeit/ Ort/ Wuͤrde und ande- re Umſtaͤnde ſolche. Alſo war Cyrus eher/ als Alexan- der, Alexander eher als Cæſar, und dieſe an Wuͤrden hoͤher als Cicero, Cicero als Roſcius. Aber unſer Ge- daͤchtnuͤß wird fuͤrnemlich verhindert die kuͤnſtliche Aneinanderfuͤgung und Nachfolgung der Woͤrter zu behalten/ nemlichen die/ ſo wir ſelbſten ordnen und fuͤgen/ ſonderlich wann ſie ſich von der natuͤrlichen Ordnung gar zu weit entziehet. Dahero ſiehet man und erfaͤhret/ daß/ je mehr eine Rede auß ſchweiffend iſt/ und nicht wol an einander haͤnget/ je weniger man ſie im Gedaͤchtnuͤß behalten kan. Worinnen auch ſonder-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 879. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/899>, abgerufen am 22.11.2024.