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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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IX.
tion: caril est fort mal aise de bien escrire en
langue vulgaire, si on n'est parfaictement, a
tout le moins mediocrement, instruit en celles
des plus honorables & fameux estrangers.

En son Abbrege de l'art poetique f. 408. zu Teutsch

Jch rahte dir/ daß du die fremden Sprachen
in möglichster Vollkommenheit erlernen solst/
und aus denselben/ als aus einem alten unter der
Erden gefundnen Schatz/ deine Sprache berei-
chern: Gestalt es sehr schwer ist/ in seiner Mut-
tersprache/ wol zuschreiben/ wann man in den
fremden Bücher/ und den berühmtsten Scri-
benten in andren Sprachen nicht belesen ist.
Dieses wird deßwegen angeführt/ daß die jeni-
gen/ welche vermeinen man könne in unsrer Spra-
che nichts neues erlernen/ und keine andre Reim-
Arten erfinden/ mit dieses lobwürdigen Poeten
Meinung wiederleget werden/ welcher seine Fran-
tzösische Leyren nach der Pindarischen und Ho-
ratianischen glückseligst gestimmet deßgleichen
keiner vor ihm gethan/ weil sie der fremden Spra-
chen nicht so kundig gewesen/ als eben er.

83. Wie nun das Aug von dem Gemähl ur-
theilt/ also richtet das Ohr von dem Wolklang ei-
nes Verses. Die Mißstimmung ist dem Poeti-
schen Gehör zu wider. Jch sage nicht nur vondem
Jnhalt und dem Wortlaut der Reimung/ son-
dern von dem Gebände und der Sylben Zahl/

wel-

IX.
tion: caril eſt fort mal aiſé de bien escrire en
langue vulgaire, ſi on n’eſt parfaictement, à
tout le moins mediocrement, inſtruit en celles
des plus honorables & fameux eſtrangers.

En ſon Abbrege de l’art poetique f. 408. zu Teutſch

Jch rahte dir/ daß du die fremden Sprachen
in moͤglichſter Vollkommenheit erlernen ſolſt/
und aus denſelben/ als aus einem alten unter der
Erden gefundnen Schatz/ deine Sprache berei-
chern: Geſtalt es ſehr ſchwer iſt/ in ſeiner Mut-
terſprache/ wol zuſchreiben/ wann man in den
fremden Buͤcher/ und den beruͤhmtſten Scri-
benten in andren Sprachen nicht beleſen iſt.
Dieſes wird deßwegen angefuͤhrt/ daß die jeni-
gen/ welche vermeinẽ man koͤnne in unſrer Spra-
che nichts neues erlernen/ und keine andre Reim-
Arten erfinden/ mit dieſes lobwuͤrdigen Poëten
Meinung wiederleget werdẽ/ welcher ſeine Fran-
tzoͤſiſche Leyren nach der Pindariſchen und Ho-
ratianiſchen gluͤckſeligſt geſtimmet deßgleichen
keiner vor ihm gethan/ weil ſie der fremden Spra-
chen nicht ſo kundig geweſen/ als eben er.

83. Wie nun das Aug von dem Gemaͤhl ur-
theilt/ alſo richtet das Ohr von dem Wolklang ei-
nes Verſes. Die Mißſtimmung iſt dem Poëti-
ſchen Gehoͤr zu wider. Jch ſage nicht nuꝛ vondem
Jnhalt und dem Wortlaut der Reimung/ ſon-
dern von dem Gebaͤnde und der Sylben Zahl/

wel-
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[92/0124] IX. tion: caril eſt fort mal aiſé de bien escrire en langue vulgaire, ſi on n’eſt parfaictement, à tout le moins mediocrement, inſtruit en celles des plus honorables & fameux eſtrangers. En ſon Abbrege de l’art poetique f. 408. zu Teutſch Jch rahte dir/ daß du die fremden Sprachen in moͤglichſter Vollkommenheit erlernen ſolſt/ und aus denſelben/ als aus einem alten unter der Erden gefundnen Schatz/ deine Sprache berei- chern: Geſtalt es ſehr ſchwer iſt/ in ſeiner Mut- terſprache/ wol zuſchreiben/ wann man in den fremden Buͤcher/ und den beruͤhmtſten Scri- benten in andren Sprachen nicht beleſen iſt. Dieſes wird deßwegen angefuͤhrt/ daß die jeni- gen/ welche vermeinẽ man koͤnne in unſrer Spra- che nichts neues erlernen/ und keine andre Reim- Arten erfinden/ mit dieſes lobwuͤrdigen Poëten Meinung wiederleget werdẽ/ welcher ſeine Fran- tzoͤſiſche Leyren nach der Pindariſchen und Ho- ratianiſchen gluͤckſeligſt geſtimmet deßgleichen keiner vor ihm gethan/ weil ſie der fremden Spra- chen nicht ſo kundig geweſen/ als eben er. 83. Wie nun das Aug von dem Gemaͤhl ur- theilt/ alſo richtet das Ohr von dem Wolklang ei- nes Verſes. Die Mißſtimmung iſt dem Poëti- ſchen Gehoͤr zu wider. Jch ſage nicht nuꝛ vondem Jnhalt und dem Wortlaut der Reimung/ ſon- dern von dem Gebaͤnde und der Sylben Zahl/ wel-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/124>, abgerufen am 21.11.2024.