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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Seidenwurm.
beflügelt sich/ und vermehret durch den Samen
sein Geschlecht etc. Es ist fast niemand der diesen
Würmern nicht etlicher massen/ wegen seiner
Kleidersteuer verbunden seyn solte: in den
Sonntags Andachten dieses Wunderthierleins
fernere Beschreibung. Jn der Rähtsel sagt er
also:

Jch bin ein kleines Ey und kan ein Vogel werden;
Man achtet meinen Koht sehr wehrt auf dieser
Erden:
Jch ess und esse nicht/ ich leb' und sterbe bald/
Jch zeuge manches Kind und wechsle die Ge-
stalt.

Der Seidenwurm ist ein Bildung der Au-
ferstehung.

Seume sich seumen morari: Säume fimbriae.

421. Seufftzer.

Die getreuen Botten der bedrangten Hertzen/
die Begleitere der Threnen/ die Stumme Bered-
samkeit der betrübten/ die Herolde deß Verlan-
gens/ die Zeichen der Begierden/ die Lufftschö-
pfung der gekränkten Seelen.

Die Seufftzer entstehen entweder von der
Betrachtung deß vergangnen Unglücks/ oder
wegen gegenwärtigen/ oder besorglichen zukünff-
tigen Jammers. Etliche Trauertöpfe pflegen oh-
ne Ursach/ aus Gewonheit zu seufftzen/ und wis-
sen doch keine Ursachen anzuziehen. Nach solchen

Bege-
D d iij

Seidenwurm.
befluͤgelt ſich/ und vermehret durch den Samen
ſein Geſchlecht ꝛc. Es iſt faſt niemand der dieſen
Wuͤrmern nicht etlicher maſſen/ wegen ſeiner
Kleiderſteuer verbunden ſeyn ſolte: ☞ in den
Sonntags Andachten dieſes Wunderthierleins
fernere Beſchreibung. Jn der Raͤhtſel ſagt er
alſo:

Jch bin ein kleines Ey und kan ein Vogel werdẽ;
Man achtet meinen Koht ſehr wehrt auf dieſer
Erden:
Jch eſſ und eſſe nicht/ ich leb’ und ſterbe bald/
Jch zeuge manches Kind und wechsle die Ge-
ſtalt.

Der Seidenwurm iſt ein Bildung der Au-
ferſtehung.

Seume ſich ſeumẽ morari: Saͤume fimbriæ.

421. Seufftzer.

Die getreuen Botten der bedrangten Hertzen/
die Begleitere der Threnen/ die Stumme Bered-
ſamkeit der betruͤbten/ die Herolde deß Verlan-
gens/ die Zeichen der Begierden/ die Lufftſchoͤ-
pfung der gekraͤnkten Seelen.

Die Seufftzer entſtehen entweder von der
Betrachtung deß vergangnen Ungluͤcks/ oder
wegen gegenwaͤrtigen/ oder beſorglichen zukuͤnff-
tigen Jammers. Etliche Trauertoͤpfe pflegen oh-
ne Urſach/ aus Gewonheit zu ſeufftzen/ und wiſ-
ſen doch keine Urſachen anzuziehen. Nach ſolchẽ

Bege-
D d iij
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[423[421]/0453] Seidenwurm. befluͤgelt ſich/ und vermehret durch den Samen ſein Geſchlecht ꝛc. Es iſt faſt niemand der dieſen Wuͤrmern nicht etlicher maſſen/ wegen ſeiner Kleiderſteuer verbunden ſeyn ſolte: ☞ in den Sonntags Andachten dieſes Wunderthierleins fernere Beſchreibung. Jn der Raͤhtſel ſagt er alſo: Jch bin ein kleines Ey und kan ein Vogel werdẽ; Man achtet meinen Koht ſehr wehrt auf dieſer Erden: Jch eſſ und eſſe nicht/ ich leb’ und ſterbe bald/ Jch zeuge manches Kind und wechsle die Ge- ſtalt. Der Seidenwurm iſt ein Bildung der Au- ferſtehung. Seume ſich ſeumẽ morari: Saͤume fimbriæ. 421. Seufftzer. Die getreuen Botten der bedrangten Hertzen/ die Begleitere der Threnen/ die Stumme Bered- ſamkeit der betruͤbten/ die Herolde deß Verlan- gens/ die Zeichen der Begierden/ die Lufftſchoͤ- pfung der gekraͤnkten Seelen. Die Seufftzer entſtehen entweder von der Betrachtung deß vergangnen Ungluͤcks/ oder wegen gegenwaͤrtigen/ oder beſorglichen zukuͤnff- tigen Jammers. Etliche Trauertoͤpfe pflegen oh- ne Urſach/ aus Gewonheit zu ſeufftzen/ und wiſ- ſen doch keine Urſachen anzuziehen. Nach ſolchẽ Bege- D d iij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 423[421]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/453>, abgerufen am 22.11.2024.