Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Volke, das er aushungern und, wie er dachte, zur Unterwerfung zwingen wollte, jeden Abfall von seinem Ueberfluß entzog. Die Herren, die in Chambery in der Kirche als Vertreter der allobrogischen Republik saßen, beriethen Vielerlei, aber dem Elende der Zeit konnten sie nicht abhelfen -- und wie zu Anfang der Revolution die Savoyarden aus Paris zurück eilten, so begann jetzt die Auswanderung in weit größerem Maßstabe. Ich war kaum zehn Jahre alt, als ich ausgerüstet mit einem Murmelthier und dem Segen der Mutter auf die Wanderschaft ging; neben mir ging ein Mädchen, ein Waisenkind, Louison hieß sie, die meinem, des zehnjährigen Knaben Schutze vertraut war. Ihre Ausrüstung war eine Vielle, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Meine Mutter begleitete uns bis St. Jean de Maurienne, und wir weinten alle Drei. Auf dem Wege dahin begegneten wir dem zwölfjährigen Sohn unserer Herrschaft, dem jungen Marquis von Villarson, hoch zu Roß. Die Mutter befahl uns, dem jungen Seigneur pflichtgemäß Lebewohl zu sagen. Wir thaten es mit Zagen, denn der Marquis war als ein wilder, unbarmherziger Knabe verrufen, und ich sowohl wie Louison hatten schon manche Püffe von ihm empfangen.

Ja, ja, unterbrach hier der alte Marquis den Erzähler, der junge Villarson war ein wilder, unbarmherziger Knabe.

Er war es, lächelte Herr Laurens, indem er ihm

Volke, das er aushungern und, wie er dachte, zur Unterwerfung zwingen wollte, jeden Abfall von seinem Ueberfluß entzog. Die Herren, die in Chambery in der Kirche als Vertreter der allobrogischen Republik saßen, beriethen Vielerlei, aber dem Elende der Zeit konnten sie nicht abhelfen — und wie zu Anfang der Revolution die Savoyarden aus Paris zurück eilten, so begann jetzt die Auswanderung in weit größerem Maßstabe. Ich war kaum zehn Jahre alt, als ich ausgerüstet mit einem Murmelthier und dem Segen der Mutter auf die Wanderschaft ging; neben mir ging ein Mädchen, ein Waisenkind, Louison hieß sie, die meinem, des zehnjährigen Knaben Schutze vertraut war. Ihre Ausrüstung war eine Vielle, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Meine Mutter begleitete uns bis St. Jean de Maurienne, und wir weinten alle Drei. Auf dem Wege dahin begegneten wir dem zwölfjährigen Sohn unserer Herrschaft, dem jungen Marquis von Villarson, hoch zu Roß. Die Mutter befahl uns, dem jungen Seigneur pflichtgemäß Lebewohl zu sagen. Wir thaten es mit Zagen, denn der Marquis war als ein wilder, unbarmherziger Knabe verrufen, und ich sowohl wie Louison hatten schon manche Püffe von ihm empfangen.

Ja, ja, unterbrach hier der alte Marquis den Erzähler, der junge Villarson war ein wilder, unbarmherziger Knabe.

Er war es, lächelte Herr Laurens, indem er ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0023"/>
Volke, das er aushungern und, wie er dachte, zur Unterwerfung zwingen wollte,      jeden Abfall von seinem Ueberfluß entzog. Die Herren, die in Chambery in der Kirche als      Vertreter der allobrogischen Republik saßen, beriethen Vielerlei, aber dem Elende der Zeit      konnten sie nicht abhelfen &#x2014; und wie zu Anfang der Revolution die Savoyarden aus Paris zurück      eilten, so begann jetzt die Auswanderung in weit größerem Maßstabe. Ich war kaum zehn Jahre      alt, als ich ausgerüstet mit einem Murmelthier und dem Segen der Mutter auf die Wanderschaft      ging; neben mir ging ein Mädchen, ein Waisenkind, Louison hieß sie, die meinem, des      zehnjährigen Knaben Schutze vertraut war. Ihre Ausrüstung war eine Vielle, die sie von ihrer      Mutter geerbt hatte. Meine Mutter begleitete uns bis St. Jean de Maurienne, und wir weinten      alle Drei. Auf dem Wege dahin begegneten wir dem zwölfjährigen Sohn unserer Herrschaft, dem      jungen Marquis von Villarson, hoch zu Roß. Die Mutter befahl uns, dem jungen Seigneur      pflichtgemäß Lebewohl zu sagen. Wir thaten es mit Zagen, denn der Marquis war als ein wilder,      unbarmherziger Knabe verrufen, und ich sowohl wie Louison hatten schon manche Püffe von ihm      empfangen.</p><lb/>
        <p>Ja, ja, unterbrach hier der alte Marquis den Erzähler, der junge Villarson war ein wilder,      unbarmherziger Knabe.</p><lb/>
        <p>Er war es, lächelte Herr Laurens, indem er ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Volke, das er aushungern und, wie er dachte, zur Unterwerfung zwingen wollte, jeden Abfall von seinem Ueberfluß entzog. Die Herren, die in Chambery in der Kirche als Vertreter der allobrogischen Republik saßen, beriethen Vielerlei, aber dem Elende der Zeit konnten sie nicht abhelfen — und wie zu Anfang der Revolution die Savoyarden aus Paris zurück eilten, so begann jetzt die Auswanderung in weit größerem Maßstabe. Ich war kaum zehn Jahre alt, als ich ausgerüstet mit einem Murmelthier und dem Segen der Mutter auf die Wanderschaft ging; neben mir ging ein Mädchen, ein Waisenkind, Louison hieß sie, die meinem, des zehnjährigen Knaben Schutze vertraut war. Ihre Ausrüstung war eine Vielle, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Meine Mutter begleitete uns bis St. Jean de Maurienne, und wir weinten alle Drei. Auf dem Wege dahin begegneten wir dem zwölfjährigen Sohn unserer Herrschaft, dem jungen Marquis von Villarson, hoch zu Roß. Die Mutter befahl uns, dem jungen Seigneur pflichtgemäß Lebewohl zu sagen. Wir thaten es mit Zagen, denn der Marquis war als ein wilder, unbarmherziger Knabe verrufen, und ich sowohl wie Louison hatten schon manche Püffe von ihm empfangen. Ja, ja, unterbrach hier der alte Marquis den Erzähler, der junge Villarson war ein wilder, unbarmherziger Knabe. Er war es, lächelte Herr Laurens, indem er ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:58:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:58:35Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/23
Zitationshilfe: Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/23>, abgerufen am 23.11.2024.