Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

anständigere Weise mein Brod verdienen muß. Ich werde einen Dienst suchen.

Was sich Louison vornahm, das führte sie auch aus. Sie fand eine Stelle bei einer reichen Dame, und da sie sich sehr anstellig zeigte, ernannte sie diese bald zu ihrer Kammerjungfer. Ich durfte sie jeden Sonntag besuchen, und sie, wie sie Alles benützte, wollte auch, daß diese Besuche nicht für nutzlos sie seien, und ich mußte sie lehren, was ich in der Anstalt selbst gelernt hatte. Denn, sagte sie, ich muß ja schreiben und lesen können, um, wie es sich schickt, in unserm Schlosse Briefe zu schreiben und Bücher zu lesen. Das Schloß! immer das Schloß! Sie lernte rasch, und je älter wir wurden, desto mehr Zeit blieb uns während der Unterrichtsstunden für unsere Liebe.

Ich blieb länger als drei Jahre in der Anstalt, da ich nach Verlauf dieser Frist zu einer Art von Unterlehrer ernannt wurde, und der Himmel weiß, wie lange es noch so gleichförmig fortgegangen wäre, wenn uns nicht plötzlich die Umstände an unser Schloß erinnert, und wenn ich nicht eingesehen hätte, daß ich Louison, die von Haus aus meinem Schutze empfohlen war, in eine gesicherte Lage bringen mußte.

Wir waren im Kaiserreich, Paris hatte wieder der einen Hof, und was von altem Adel war, wurde an diesem Hofe der Emporkömmlinge mit Freuden aufgenommen. Der Marquis von Villarson, derselbe der uns geschlagen hatte, war einer der schönsten und

anständigere Weise mein Brod verdienen muß. Ich werde einen Dienst suchen.

Was sich Louison vornahm, das führte sie auch aus. Sie fand eine Stelle bei einer reichen Dame, und da sie sich sehr anstellig zeigte, ernannte sie diese bald zu ihrer Kammerjungfer. Ich durfte sie jeden Sonntag besuchen, und sie, wie sie Alles benützte, wollte auch, daß diese Besuche nicht für nutzlos sie seien, und ich mußte sie lehren, was ich in der Anstalt selbst gelernt hatte. Denn, sagte sie, ich muß ja schreiben und lesen können, um, wie es sich schickt, in unserm Schlosse Briefe zu schreiben und Bücher zu lesen. Das Schloß! immer das Schloß! Sie lernte rasch, und je älter wir wurden, desto mehr Zeit blieb uns während der Unterrichtsstunden für unsere Liebe.

Ich blieb länger als drei Jahre in der Anstalt, da ich nach Verlauf dieser Frist zu einer Art von Unterlehrer ernannt wurde, und der Himmel weiß, wie lange es noch so gleichförmig fortgegangen wäre, wenn uns nicht plötzlich die Umstände an unser Schloß erinnert, und wenn ich nicht eingesehen hätte, daß ich Louison, die von Haus aus meinem Schutze empfohlen war, in eine gesicherte Lage bringen mußte.

Wir waren im Kaiserreich, Paris hatte wieder der einen Hof, und was von altem Adel war, wurde an diesem Hofe der Emporkömmlinge mit Freuden aufgenommen. Der Marquis von Villarson, derselbe der uns geschlagen hatte, war einer der schönsten und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0033"/>
anständigere Weise mein      Brod verdienen muß. Ich werde einen Dienst suchen.</p><lb/>
        <p>Was sich Louison vornahm, das führte sie auch aus. Sie fand eine Stelle bei einer reichen      Dame, und da sie sich sehr anstellig zeigte, ernannte sie diese bald zu ihrer Kammerjungfer.      Ich durfte sie jeden Sonntag besuchen, und sie, wie sie Alles benützte, wollte auch, daß diese      Besuche nicht für nutzlos sie seien, und ich mußte sie lehren, was ich in der Anstalt selbst      gelernt hatte. Denn, sagte sie, ich muß ja schreiben und lesen können, um, wie es sich schickt,      in unserm Schlosse Briefe zu schreiben und Bücher zu lesen. Das Schloß! immer das Schloß! Sie      lernte rasch, und je älter wir wurden, desto mehr Zeit blieb uns während der Unterrichtsstunden      für unsere Liebe.</p><lb/>
        <p>Ich blieb länger als drei Jahre in der Anstalt, da ich nach Verlauf dieser Frist zu einer Art      von Unterlehrer ernannt wurde, und der Himmel weiß, wie lange es noch so gleichförmig      fortgegangen wäre, wenn uns nicht plötzlich die Umstände an unser Schloß erinnert, und wenn ich      nicht eingesehen hätte, daß ich Louison, die von Haus aus meinem Schutze empfohlen war, in eine      gesicherte Lage bringen mußte.</p><lb/>
        <p>Wir waren im Kaiserreich, Paris hatte wieder der einen Hof, und was von altem Adel war, wurde      an diesem Hofe der Emporkömmlinge mit Freuden aufgenommen. Der Marquis von Villarson, derselbe      der uns geschlagen hatte, war einer der schönsten und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] anständigere Weise mein Brod verdienen muß. Ich werde einen Dienst suchen. Was sich Louison vornahm, das führte sie auch aus. Sie fand eine Stelle bei einer reichen Dame, und da sie sich sehr anstellig zeigte, ernannte sie diese bald zu ihrer Kammerjungfer. Ich durfte sie jeden Sonntag besuchen, und sie, wie sie Alles benützte, wollte auch, daß diese Besuche nicht für nutzlos sie seien, und ich mußte sie lehren, was ich in der Anstalt selbst gelernt hatte. Denn, sagte sie, ich muß ja schreiben und lesen können, um, wie es sich schickt, in unserm Schlosse Briefe zu schreiben und Bücher zu lesen. Das Schloß! immer das Schloß! Sie lernte rasch, und je älter wir wurden, desto mehr Zeit blieb uns während der Unterrichtsstunden für unsere Liebe. Ich blieb länger als drei Jahre in der Anstalt, da ich nach Verlauf dieser Frist zu einer Art von Unterlehrer ernannt wurde, und der Himmel weiß, wie lange es noch so gleichförmig fortgegangen wäre, wenn uns nicht plötzlich die Umstände an unser Schloß erinnert, und wenn ich nicht eingesehen hätte, daß ich Louison, die von Haus aus meinem Schutze empfohlen war, in eine gesicherte Lage bringen mußte. Wir waren im Kaiserreich, Paris hatte wieder der einen Hof, und was von altem Adel war, wurde an diesem Hofe der Emporkömmlinge mit Freuden aufgenommen. Der Marquis von Villarson, derselbe der uns geschlagen hatte, war einer der schönsten und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:58:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:58:35Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/33
Zitationshilfe: Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/33>, abgerufen am 23.11.2024.