Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.natürlich die meisten Kirchen, selbst die größten Pfarrkirchen aus Holz erbaut; denn die Bevölkerung war noch sehr dünn gesät und verhältßmäßig arm. Nur die großen Klostergemeinschaften, welche die Länder anbauten, Cultur und Wissenschaften hegten und verbreiteten, konnten sich den Luxus der Steinbaues gestatten. Aber auch sie errichteten anfangs meistens Holzbauten, woher die so häufige Unsicherheit in der Zeitstellung der darauf folgenden Steinbauten. Jene Holzbauten bestanden öfters, selbst in großen Städten, bis ins 14. Jahrhundert, einige von ihnen haben sich sogar bis in unsere Tage herüber gerettet. Aus der Uebergangszeit führt Grueber gleich als erstes Beispiel St. Jacob in Iglau auf, eine Pfarrkirche mit Stiftsherren als Pfarrern, daher der tiefere Chor. Die Gemeinden sind nun größer geworden; deshalb greift man zur dreischiffigen Kirche, da man den fast quadratischen Zuhörerraum nicht anders überwölben konnte. Die Pfeiler sind noch ziemlich dick, eine Folge der in jener Zeit noch nicht überwundenen Aengstlichkeit und Unsicherheit der Technik. Die spätere Zeit formte diese Pfeiler mit erstaunlichster Kühnheit so dünn, wie wir sie heutzutage mit den Hülfsmitteln unserer Wissenschaft kaum auszuführen wagen würden. Die Technik war eben vorgeschritten, liturgische oder häretische Neuerungen hatten darauf nicht den geringsten Einfluß. Die weitere Entwicklung der Pfarrkirchen Böhmens kann in Gruebers ebenso anregendem wie belohnendem Werke leicht verfolgt werden. Hier sei nur noch folgendes hervorgehoben. Diejenigen Pfarrkirchen, welche von reichen Städten oder Körperschaften errichtet wurden und groß angelegte, weitläufige Räume aufweisen, sind für gewöhnlich nicht nach unseren Gewohnheiten benutzt worden, d. h. es brauchte nicht wie heutzutage, wo die Gemeinden übergroß angewachsen sind, jeder Platz und jeder Winkel ausgenutzt zu werden. Die thurmreichen alten Städte hätten die Anschauung längst benehmen müssen, daß diese Kirchen, deren jede Tausende von Andächtigen aufzunehmen vermochte, sonntäglich vollständig gefüllt gewesen seien. Die alten Stadtmauern stehen häufig noch oder sind ihrem Umfange natürlich die meisten Kirchen, selbst die größten Pfarrkirchen aus Holz erbaut; denn die Bevölkerung war noch sehr dünn gesät und verhältßmäßig arm. Nur die großen Klostergemeinschaften, welche die Länder anbauten, Cultur und Wissenschaften hegten und verbreiteten, konnten sich den Luxus der Steinbaues gestatten. Aber auch sie errichteten anfangs meistens Holzbauten, woher die so häufige Unsicherheit in der Zeitstellung der darauf folgenden Steinbauten. Jene Holzbauten bestanden öfters, selbst in großen Städten, bis ins 14. Jahrhundert, einige von ihnen haben sich sogar bis in unsere Tage herüber gerettet. Aus der Uebergangszeit führt Grueber gleich als erstes Beispiel St. Jacob in Iglau auf, eine Pfarrkirche mit Stiftsherren als Pfarrern, daher der tiefere Chor. Die Gemeinden sind nun größer geworden; deshalb greift man zur dreischiffigen Kirche, da man den fast quadratischen Zuhörerraum nicht anders überwölben konnte. Die Pfeiler sind noch ziemlich dick, eine Folge der in jener Zeit noch nicht überwundenen Aengstlichkeit und Unsicherheit der Technik. Die spätere Zeit formte diese Pfeiler mit erstaunlichster Kühnheit so dünn, wie wir sie heutzutage mit den Hülfsmitteln unserer Wissenschaft kaum auszuführen wagen würden. Die Technik war eben vorgeschritten, liturgische oder häretische Neuerungen hatten darauf nicht den geringsten Einfluß. Die weitere Entwicklung der Pfarrkirchen Böhmens kann in Gruebers ebenso anregendem wie belohnendem Werke leicht verfolgt werden. Hier sei nur noch folgendes hervorgehoben. Diejenigen Pfarrkirchen, welche von reichen Städten oder Körperschaften errichtet wurden und groß angelegte, weitläufige Räume aufweisen, sind für gewöhnlich nicht nach unseren Gewohnheiten benutzt worden, d. h. es brauchte nicht wie heutzutage, wo die Gemeinden übergroß angewachsen sind, jeder Platz und jeder Winkel ausgenutzt zu werden. Die thurmreichen alten Städte hätten die Anschauung längst benehmen müssen, daß diese Kirchen, deren jede Tausende von Andächtigen aufzunehmen vermochte, sonntäglich vollständig gefüllt gewesen seien. Die alten Stadtmauern stehen häufig noch oder sind ihrem Umfange <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="9"/> natürlich die meisten Kirchen, selbst die größten Pfarrkirchen aus Holz erbaut; denn die Bevölkerung war noch sehr dünn gesät und verhältßmäßig arm. Nur die großen Klostergemeinschaften, welche die Länder anbauten, Cultur und Wissenschaften hegten und verbreiteten, konnten sich den Luxus der Steinbaues gestatten. Aber auch sie errichteten anfangs meistens Holzbauten, woher die so häufige Unsicherheit in der Zeitstellung der darauf folgenden Steinbauten. Jene Holzbauten bestanden öfters, selbst in großen Städten, bis ins 14. Jahrhundert, einige von ihnen haben sich sogar bis in unsere Tage herüber gerettet.</p> <p>Aus der Uebergangszeit führt Grueber gleich als erstes Beispiel St. Jacob in Iglau auf, eine Pfarrkirche mit Stiftsherren als Pfarrern, daher der tiefere Chor. Die Gemeinden sind nun größer geworden; deshalb greift man zur dreischiffigen Kirche, da man den fast quadratischen Zuhörerraum nicht anders überwölben konnte. Die Pfeiler sind noch ziemlich dick, eine Folge der in jener Zeit noch nicht überwundenen Aengstlichkeit und Unsicherheit der Technik. Die spätere Zeit formte diese Pfeiler mit erstaunlichster Kühnheit so dünn, wie wir sie heutzutage mit den Hülfsmitteln unserer Wissenschaft kaum auszuführen wagen würden. Die Technik war eben vorgeschritten, liturgische oder häretische Neuerungen hatten darauf nicht den geringsten Einfluß.</p> <p>Die weitere Entwicklung der Pfarrkirchen Böhmens kann in Gruebers ebenso anregendem wie belohnendem Werke leicht verfolgt werden. Hier sei nur noch folgendes hervorgehoben. Diejenigen Pfarrkirchen, welche von reichen Städten oder Körperschaften errichtet wurden und groß angelegte, weitläufige Räume aufweisen, sind für gewöhnlich nicht nach unseren Gewohnheiten benutzt worden, d. h. es brauchte nicht wie heutzutage, wo die Gemeinden übergroß angewachsen sind, jeder Platz und jeder Winkel ausgenutzt zu werden. Die thurmreichen alten Städte hätten die Anschauung längst benehmen müssen, daß diese Kirchen, deren jede Tausende von Andächtigen aufzunehmen vermochte, sonntäglich vollständig gefüllt gewesen seien. Die alten Stadtmauern stehen häufig noch oder sind ihrem Umfange </p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0015]
natürlich die meisten Kirchen, selbst die größten Pfarrkirchen aus Holz erbaut; denn die Bevölkerung war noch sehr dünn gesät und verhältßmäßig arm. Nur die großen Klostergemeinschaften, welche die Länder anbauten, Cultur und Wissenschaften hegten und verbreiteten, konnten sich den Luxus der Steinbaues gestatten. Aber auch sie errichteten anfangs meistens Holzbauten, woher die so häufige Unsicherheit in der Zeitstellung der darauf folgenden Steinbauten. Jene Holzbauten bestanden öfters, selbst in großen Städten, bis ins 14. Jahrhundert, einige von ihnen haben sich sogar bis in unsere Tage herüber gerettet.
Aus der Uebergangszeit führt Grueber gleich als erstes Beispiel St. Jacob in Iglau auf, eine Pfarrkirche mit Stiftsherren als Pfarrern, daher der tiefere Chor. Die Gemeinden sind nun größer geworden; deshalb greift man zur dreischiffigen Kirche, da man den fast quadratischen Zuhörerraum nicht anders überwölben konnte. Die Pfeiler sind noch ziemlich dick, eine Folge der in jener Zeit noch nicht überwundenen Aengstlichkeit und Unsicherheit der Technik. Die spätere Zeit formte diese Pfeiler mit erstaunlichster Kühnheit so dünn, wie wir sie heutzutage mit den Hülfsmitteln unserer Wissenschaft kaum auszuführen wagen würden. Die Technik war eben vorgeschritten, liturgische oder häretische Neuerungen hatten darauf nicht den geringsten Einfluß.
Die weitere Entwicklung der Pfarrkirchen Böhmens kann in Gruebers ebenso anregendem wie belohnendem Werke leicht verfolgt werden. Hier sei nur noch folgendes hervorgehoben. Diejenigen Pfarrkirchen, welche von reichen Städten oder Körperschaften errichtet wurden und groß angelegte, weitläufige Räume aufweisen, sind für gewöhnlich nicht nach unseren Gewohnheiten benutzt worden, d. h. es brauchte nicht wie heutzutage, wo die Gemeinden übergroß angewachsen sind, jeder Platz und jeder Winkel ausgenutzt zu werden. Die thurmreichen alten Städte hätten die Anschauung längst benehmen müssen, daß diese Kirchen, deren jede Tausende von Andächtigen aufzunehmen vermochte, sonntäglich vollständig gefüllt gewesen seien. Die alten Stadtmauern stehen häufig noch oder sind ihrem Umfange
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