Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.unserer heutigen Akademie des Bauwesens wohl ausfallen, wenn ihr der Plan von Alby als der einer Predigtkirche vorgelegt würde, ein Grundriß, der der allbekannten und sehr alten Erfahrung widerspricht, daß bei einer Predigtkirche der entfernteste Platz nicht über 33 m vom Redner abliegen, und daß daher ihr Zuhörerraum nicht viel über 40 m Länge haben darf, wenn überhaupt noch etwas von der Predigt verstanden werden soll. Auf diesem großen Mißverständniß baut nun Gurlitt sein ganzes Gebäude auf, und zwar wiederum mit Hülfe anderer Mißverständnisse. Wie kommt er darauf, daß die Kathedrale von Alby durchaus eine Predigtkirche sein müsse? Hauptsächlich wohl, weil sie keine Innenpfeiler hat; dann aber, weil sie von vielen anderen, zumeist bekannten mittelalterlichen Kathedralen abweicht und dabei im Land der von Rom abgefallenen Albigenser liegt. Daß diese Kathedrale aber erst gegen 1350 begonnen ist,1) daß sie also erst 120 Jahre nach vollständiger Unterdrückung der Albigenser begonnen und im 15. Jahrhundert überhaupt erst vollendet ist, das hält Herrn Gurlitt nicht ab, sie als unter albigensischem Einfluß entstanden hinzustellen. Ebenso wie es ihn nicht hindert, die einschiffigen Kirchen des Languedoc, die doch schon Jahrhunderte vor dem Auftreten des Petrus Waldus, des geistigen Vaters der Albigenser, dort und in den benachbarten Gegenden gang und gäbe waren, trotz alledem erst als durch albigensischen Einfluß entstanden hinzustellen. Die Kirchen in Pouliac, Cahors (gegen 990), Angouleme (Anfang 12. Jahrhunderts), Tremolac, Saint-Avit-Senieur, Salignac, Frejus, Saint Emilion, Fontevrault, Puy en Velay, Angers (1145--65), S. Hilaire in Poitiers, Notre Dame des Doms in Avignon, Notre Dame de la major in Marseille (12. Jahrhundert) liefern dafür den Beweis (vgl. d. Abb. auf S. 23). Die Bauten mögen hundert Jahre vor dem Auftreten der Albigenser schon dagewesen oder ebensoviel Jahre nach ihrer Unterdrückung 1) Gurlitt schreibt ohne nähere Begründung 1282, während sie Violett-le-Duc gegen 1350 setzt, dessen Urtheil selbst vielleicht falsch gelesene Urkunden ersetzen dürfte.
unserer heutigen Akademie des Bauwesens wohl ausfallen, wenn ihr der Plan von Alby als der einer Predigtkirche vorgelegt würde, ein Grundriß, der der allbekannten und sehr alten Erfahrung widerspricht, daß bei einer Predigtkirche der entfernteste Platz nicht über 33 m vom Redner abliegen, und daß daher ihr Zuhörerraum nicht viel über 40 m Länge haben darf, wenn überhaupt noch etwas von der Predigt verstanden werden soll. Auf diesem großen Mißverständniß baut nun Gurlitt sein ganzes Gebäude auf, und zwar wiederum mit Hülfe anderer Mißverständnisse. Wie kommt er darauf, daß die Kathedrale von Alby durchaus eine Predigtkirche sein müsse? Hauptsächlich wohl, weil sie keine Innenpfeiler hat; dann aber, weil sie von vielen anderen, zumeist bekannten mittelalterlichen Kathedralen abweicht und dabei im Land der von Rom abgefallenen Albigenser liegt. Daß diese Kathedrale aber erst gegen 1350 begonnen ist,1) daß sie also erst 120 Jahre nach vollständiger Unterdrückung der Albigenser begonnen und im 15. Jahrhundert überhaupt erst vollendet ist, das hält Herrn Gurlitt nicht ab, sie als unter albigensischem Einfluß entstanden hinzustellen. Ebenso wie es ihn nicht hindert, die einschiffigen Kirchen des Languedoc, die doch schon Jahrhunderte vor dem Auftreten des Petrus Waldus, des geistigen Vaters der Albigenser, dort und in den benachbarten Gegenden gang und gäbe waren, trotz alledem erst als durch albigensischen Einfluß entstanden hinzustellen. Die Kirchen in Pouliac, Cahors (gegen 990), Angoulême (Anfang 12. Jahrhunderts), Trémolac, Saint-Avit-Sénieur, Salignac, Fréjus, Saint Émilion, Fontevrault, Puy en Velay, Angers (1145—65), S. Hilaire in Poitiers, Notre Dame des Doms in Avignon, Notre Dame de la major in Marseille (12. Jahrhundert) liefern dafür den Beweis (vgl. d. Abb. auf S. 23). Die Bauten mögen hundert Jahre vor dem Auftreten der Albigenser schon dagewesen oder ebensoviel Jahre nach ihrer Unterdrückung 1) Gurlitt schreibt ohne nähere Begründung 1282, während sie Violett-le-Duc gegen 1350 setzt, dessen Urtheil selbst vielleicht falsch gelesene Urkunden ersetzen dürfte.
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unserer heutigen Akademie des Bauwesens wohl ausfallen, wenn ihr der Plan von Alby als der einer Predigtkirche vorgelegt würde, ein Grundriß, der der allbekannten und sehr alten Erfahrung widerspricht, daß bei einer Predigtkirche der entfernteste Platz nicht über 33 m vom Redner abliegen, und daß daher ihr Zuhörerraum nicht viel über 40 m Länge haben darf, wenn überhaupt noch etwas von der Predigt verstanden werden soll.
Auf diesem großen Mißverständniß baut nun Gurlitt sein ganzes Gebäude auf, und zwar wiederum mit Hülfe anderer Mißverständnisse.
Wie kommt er darauf, daß die Kathedrale von Alby durchaus eine Predigtkirche sein müsse? Hauptsächlich wohl, weil sie keine Innenpfeiler hat; dann aber, weil sie von vielen anderen, zumeist bekannten mittelalterlichen Kathedralen abweicht und dabei im Land der von Rom abgefallenen Albigenser liegt. Daß diese Kathedrale aber erst gegen 1350 begonnen ist, 1) daß sie also erst 120 Jahre nach vollständiger Unterdrückung der Albigenser begonnen und im 15. Jahrhundert überhaupt erst vollendet ist, das hält Herrn Gurlitt nicht ab, sie als unter albigensischem Einfluß entstanden hinzustellen. Ebenso wie es ihn nicht hindert, die einschiffigen Kirchen des Languedoc, die doch schon Jahrhunderte vor dem Auftreten des Petrus Waldus, des geistigen Vaters der Albigenser, dort und in den benachbarten Gegenden gang und gäbe waren, trotz alledem erst als durch albigensischen Einfluß entstanden hinzustellen. Die Kirchen in Pouliac, Cahors (gegen 990), Angoulême (Anfang 12. Jahrhunderts), Trémolac, Saint-Avit-Sénieur, Salignac, Fréjus, Saint Émilion, Fontevrault, Puy en Velay, Angers (1145—65), S. Hilaire in Poitiers, Notre Dame des Doms in Avignon, Notre Dame de la major in Marseille (12. Jahrhundert) liefern dafür den Beweis (vgl. d. Abb. auf S. 23). Die Bauten mögen hundert Jahre vor dem Auftreten der Albigenser schon dagewesen oder ebensoviel Jahre nach ihrer Unterdrückung
1) Gurlitt schreibt ohne nähere Begründung 1282, während sie Violett-le-Duc gegen 1350 setzt, dessen Urtheil selbst vielleicht falsch gelesene Urkunden ersetzen dürfte.
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