Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.Der Wichtigkeit der Sache wegen sei es gestattet, das Ergebniß noch einmal kurz zusammenzufassen: Der 90 m lange, einschiffige Raum der Kathedrale von Alby ist als Predigtkirche allein vollständig unbrauchbar. Wenn es überhaupt reine "Meßkirchen" gäbe, was nicht der Fall ist, so wäre gerade Alby der Typus einer solchen Meßkirche. Alby ist aber weder als Predigtkirche noch als Meßkirche errichtet, sondern als Kathedralkirche und erfüllt in ihrem Grundrisse sehr vollkommen deren Programm. Um den Chor wie an den Langseiten sind die erforderlichen Capellen angebracht. Im Chor liegt der übliche, auch ganz wie überall sonst hergerichtete Raum für das Chorgestühl, und ihn umgiebt der für die Zugänglichkeit der Capellen erforderliche Umgang. In den Schranken steht aber hier, abweichend von dem sonstigen Gebrauch, keine Stützenreihe, weil man für die Festungskirche das gefährliche Strebesystem nicht anwenden konnte, und weil man insbesondere in dem ausgeplünderten Lande billig bauen mußte und überdies von Römerzeiten her die großen einschiffigen Räume vor Augen hatte. Vor dem Lettner endlich ist ein Raum gewonnen, der mit seiner Länge von 40 m für den Pfarrgottesdienst und insbesondere für die Predigt durchaus geeignet ist. Alles durchaus praktisch, selbstverständlich und genau dem mittelalterlichen bischöflichen Kirchenprogramme entsprechend. Wirft man hiernach einen Blick auf die umstehenden, durchweg in dem gleichen Maßstab (1:1000) gezeichneten Grundrisse, so drängt sich vorerst dem Auge die Thatsache auf, wie zwergenhaft klein die Pfarrkirchengrundrisse sind gegenüber denen der Kathedralen. Diese vergleichende Nebeneinanderstellung macht schon an und für sich den Beweis überflüssig, daß diese grundverschiedenen Gebäude je gleichen Zwecken gedient haben können. Dagegen unterscheiden sich die katholischen Pfarrkirchen des Mittelalters in ihrer Ausdehnung wenig oder gar nicht von ihren protestantischen Schwestern der Neuzeit, von denen eine der bedeutendsten, die Heiligkreuzkirche in Berlin, mit dargestellt ist. Vergleicht man diese denselben oder ähnlichen Zwecken dienenden Gebäude, so erhellt, daß die Predigtkirchenform des Mittelalters den heutigen Der Wichtigkeit der Sache wegen sei es gestattet, das Ergebniß noch einmal kurz zusammenzufassen: Der 90 m lange, einschiffige Raum der Kathedrale von Alby ist als Predigtkirche allein vollständig unbrauchbar. Wenn es überhaupt reine „Meßkirchen“ gäbe, was nicht der Fall ist, so wäre gerade Alby der Typus einer solchen Meßkirche. Alby ist aber weder als Predigtkirche noch als Meßkirche errichtet, sondern als Kathedralkirche und erfüllt in ihrem Grundrisse sehr vollkommen deren Programm. Um den Chor wie an den Langseiten sind die erforderlichen Capellen angebracht. Im Chor liegt der übliche, auch ganz wie überall sonst hergerichtete Raum für das Chorgestühl, und ihn umgiebt der für die Zugänglichkeit der Capellen erforderliche Umgang. In den Schranken steht aber hier, abweichend von dem sonstigen Gebrauch, keine Stützenreihe, weil man für die Festungskirche das gefährliche Strebesystem nicht anwenden konnte, und weil man insbesondere in dem ausgeplünderten Lande billig bauen mußte und überdies von Römerzeiten her die großen einschiffigen Räume vor Augen hatte. Vor dem Lettner endlich ist ein Raum gewonnen, der mit seiner Länge von 40 m für den Pfarrgottesdienst und insbesondere für die Predigt durchaus geeignet ist. Alles durchaus praktisch, selbstverständlich und genau dem mittelalterlichen bischöflichen Kirchenprogramme entsprechend. Wirft man hiernach einen Blick auf die umstehenden, durchweg in dem gleichen Maßstab (1:1000) gezeichneten Grundrisse, so drängt sich vorerst dem Auge die Thatsache auf, wie zwergenhaft klein die Pfarrkirchengrundrisse sind gegenüber denen der Kathedralen. Diese vergleichende Nebeneinanderstellung macht schon an und für sich den Beweis überflüssig, daß diese grundverschiedenen Gebäude je gleichen Zwecken gedient haben können. Dagegen unterscheiden sich die katholischen Pfarrkirchen des Mittelalters in ihrer Ausdehnung wenig oder gar nicht von ihren protestantischen Schwestern der Neuzeit, von denen eine der bedeutendsten, die Heiligkreuzkirche in Berlin, mit dargestellt ist. 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In den Schranken steht aber hier, abweichend von dem sonstigen Gebrauch, keine Stützenreihe, weil man für die Festungskirche das gefährliche Strebesystem nicht anwenden konnte, und weil man insbesondere in dem ausgeplünderten Lande billig bauen mußte und überdies von Römerzeiten her die großen einschiffigen Räume vor Augen hatte. Vor dem Lettner endlich ist ein Raum gewonnen, der mit seiner Länge von 40 m für den Pfarrgottesdienst und insbesondere für die Predigt durchaus geeignet ist. Alles durchaus praktisch, selbstverständlich und genau dem mittelalterlichen bischöflichen Kirchenprogramme entsprechend.</p> <p>Wirft man hiernach einen Blick auf die umstehenden, durchweg in dem gleichen Maßstab (1:1000) gezeichneten Grundrisse, so drängt sich vorerst dem Auge die Thatsache auf, wie zwergenhaft klein die Pfarrkirchengrundrisse sind gegenüber denen der Kathedralen. Diese vergleichende Nebeneinanderstellung macht schon an und für sich den Beweis überflüssig, daß diese grundverschiedenen Gebäude je gleichen Zwecken gedient haben können. Dagegen unterscheiden sich die katholischen Pfarrkirchen des Mittelalters in ihrer Ausdehnung wenig oder gar nicht von ihren protestantischen Schwestern der Neuzeit, von denen eine der bedeutendsten, die Heiligkreuzkirche in Berlin, mit dargestellt ist. Vergleicht man diese denselben oder ähnlichen Zwecken dienenden Gebäude, so erhellt, daß die Predigtkirchenform des Mittelalters den heutigen </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0025]
Der Wichtigkeit der Sache wegen sei es gestattet, das Ergebniß noch einmal kurz zusammenzufassen: Der 90 m lange, einschiffige Raum der Kathedrale von Alby ist als Predigtkirche allein vollständig unbrauchbar. Wenn es überhaupt reine „Meßkirchen“ gäbe, was nicht der Fall ist, so wäre gerade Alby der Typus einer solchen Meßkirche. Alby ist aber weder als Predigtkirche noch als Meßkirche errichtet, sondern als Kathedralkirche und erfüllt in ihrem Grundrisse sehr vollkommen deren Programm. Um den Chor wie an den Langseiten sind die erforderlichen Capellen angebracht. Im Chor liegt der übliche, auch ganz wie überall sonst hergerichtete Raum für das Chorgestühl, und ihn umgiebt der für die Zugänglichkeit der Capellen erforderliche Umgang. In den Schranken steht aber hier, abweichend von dem sonstigen Gebrauch, keine Stützenreihe, weil man für die Festungskirche das gefährliche Strebesystem nicht anwenden konnte, und weil man insbesondere in dem ausgeplünderten Lande billig bauen mußte und überdies von Römerzeiten her die großen einschiffigen Räume vor Augen hatte. Vor dem Lettner endlich ist ein Raum gewonnen, der mit seiner Länge von 40 m für den Pfarrgottesdienst und insbesondere für die Predigt durchaus geeignet ist. Alles durchaus praktisch, selbstverständlich und genau dem mittelalterlichen bischöflichen Kirchenprogramme entsprechend.
Wirft man hiernach einen Blick auf die umstehenden, durchweg in dem gleichen Maßstab (1:1000) gezeichneten Grundrisse, so drängt sich vorerst dem Auge die Thatsache auf, wie zwergenhaft klein die Pfarrkirchengrundrisse sind gegenüber denen der Kathedralen. Diese vergleichende Nebeneinanderstellung macht schon an und für sich den Beweis überflüssig, daß diese grundverschiedenen Gebäude je gleichen Zwecken gedient haben können. Dagegen unterscheiden sich die katholischen Pfarrkirchen des Mittelalters in ihrer Ausdehnung wenig oder gar nicht von ihren protestantischen Schwestern der Neuzeit, von denen eine der bedeutendsten, die Heiligkreuzkirche in Berlin, mit dargestellt ist. Vergleicht man diese denselben oder ähnlichen Zwecken dienenden Gebäude, so erhellt, daß die Predigtkirchenform des Mittelalters den heutigen
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