Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

es Chateau-Margaux, Sillery, St. Julien und sonst nach allerlei pompösen Namen, und kredenzen es bei ihren Gastmahlen, und wenn sie es saufen, bekommen sie rothe Ringe um den Mund, dieweil der Wein gefärbt war, und Kopfweh den andern Tag, weil sie schnöden Schnaps getrunken.

Ha, was war das für ein anderes Leben, führte Johannes die Rede fort, als wir noch junge, blutjunge Gesellen waren, Anno 19 und 26. Auch Anno 50 ging es noch hoch her in diesen schönen Hallen. Jeden Abend, es mochte die Sonne scheinen im hellen Frühling, oder schneien und regnen im Winter, jeden Abend waren die Stübchen dort gefüllt mit frohen Gästen. Hier, wo wir jetzt sitzen, saß in Würde und Hoheit der Senat von Bremen, stattliche Perrücken auf dem Haupt, die Wehre an der Seite, Muth im Herzen und Jeder einen Römer vor sich.

Hier, hier, nicht oben auf der Erde, hier war ihr Rathhaus, hier die Halle des Senats; denn hier beim kühlen Wein beriethen sie sich über das Wohl der Stadt, über ihre Nachbarn und dergleichen. Wenn sie uneinig in der Meinung waren, so stritten sie sich nicht mit bösen Worten, sondern tranken einander wacker zu, und wenn der Wein ihre Herzen erwärmt hatte, wenn er fröhlich durch ihre Adern hüpfte, da war der Beschluß schnell zur Reife gediehen, sie drückten sich die Hände, sie waren und blieben immer Freunde, weil sie Freunde waren des edeln Weines. Am andern Mor-

es Chateau-Margaux, Sillery, St. Julien und sonst nach allerlei pompösen Namen, und kredenzen es bei ihren Gastmahlen, und wenn sie es saufen, bekommen sie rothe Ringe um den Mund, dieweil der Wein gefärbt war, und Kopfweh den andern Tag, weil sie schnöden Schnaps getrunken.

Ha, was war das für ein anderes Leben, führte Johannes die Rede fort, als wir noch junge, blutjunge Gesellen waren, Anno 19 und 26. Auch Anno 50 ging es noch hoch her in diesen schönen Hallen. Jeden Abend, es mochte die Sonne scheinen im hellen Frühling, oder schneien und regnen im Winter, jeden Abend waren die Stübchen dort gefüllt mit frohen Gästen. Hier, wo wir jetzt sitzen, saß in Würde und Hoheit der Senat von Bremen, stattliche Perrücken auf dem Haupt, die Wehre an der Seite, Muth im Herzen und Jeder einen Römer vor sich.

Hier, hier, nicht oben auf der Erde, hier war ihr Rathhaus, hier die Halle des Senats; denn hier beim kühlen Wein beriethen sie sich über das Wohl der Stadt, über ihre Nachbarn und dergleichen. Wenn sie uneinig in der Meinung waren, so stritten sie sich nicht mit bösen Worten, sondern tranken einander wacker zu, und wenn der Wein ihre Herzen erwärmt hatte, wenn er fröhlich durch ihre Adern hüpfte, da war der Beschluß schnell zur Reife gediehen, sie drückten sich die Hände, sie waren und blieben immer Freunde, weil sie Freunde waren des edeln Weines. Am andern Mor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0046"/>
es Chateau-Margaux, Sillery, St. Julien und sonst                nach allerlei pompösen Namen, und kredenzen es bei ihren Gastmahlen, und wenn sie es                saufen, bekommen sie rothe Ringe um den Mund, dieweil der Wein gefärbt war, und                Kopfweh den andern Tag, weil sie schnöden Schnaps getrunken.</p><lb/>
        <p>Ha, was war das für ein anderes Leben, führte Johannes die Rede fort, als wir noch                junge, blutjunge Gesellen waren, Anno 19 und 26. Auch Anno 50 ging es noch hoch her                in diesen schönen Hallen. Jeden Abend, es mochte die Sonne scheinen im hellen                Frühling, oder schneien und regnen im Winter, jeden Abend waren die Stübchen dort                gefüllt mit frohen Gästen. Hier, wo wir jetzt sitzen, saß in Würde und Hoheit der                Senat von Bremen, stattliche Perrücken auf dem Haupt, die Wehre an der Seite, Muth im                Herzen und Jeder einen Römer vor sich.</p><lb/>
        <p>Hier, hier, nicht oben auf der Erde, hier war ihr Rathhaus, hier die Halle des                Senats; denn hier beim kühlen Wein beriethen sie sich über das Wohl der Stadt, über                ihre Nachbarn und dergleichen. Wenn sie uneinig in der Meinung waren, so stritten sie                sich nicht mit bösen Worten, sondern tranken einander wacker zu, und wenn der Wein                ihre Herzen erwärmt hatte, wenn er fröhlich durch ihre Adern hüpfte, da war der                Beschluß schnell zur Reife gediehen, sie drückten sich die Hände, sie waren und                blieben immer Freunde, weil sie Freunde waren des edeln Weines. Am andern Mor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] es Chateau-Margaux, Sillery, St. Julien und sonst nach allerlei pompösen Namen, und kredenzen es bei ihren Gastmahlen, und wenn sie es saufen, bekommen sie rothe Ringe um den Mund, dieweil der Wein gefärbt war, und Kopfweh den andern Tag, weil sie schnöden Schnaps getrunken. Ha, was war das für ein anderes Leben, führte Johannes die Rede fort, als wir noch junge, blutjunge Gesellen waren, Anno 19 und 26. Auch Anno 50 ging es noch hoch her in diesen schönen Hallen. Jeden Abend, es mochte die Sonne scheinen im hellen Frühling, oder schneien und regnen im Winter, jeden Abend waren die Stübchen dort gefüllt mit frohen Gästen. Hier, wo wir jetzt sitzen, saß in Würde und Hoheit der Senat von Bremen, stattliche Perrücken auf dem Haupt, die Wehre an der Seite, Muth im Herzen und Jeder einen Römer vor sich. Hier, hier, nicht oben auf der Erde, hier war ihr Rathhaus, hier die Halle des Senats; denn hier beim kühlen Wein beriethen sie sich über das Wohl der Stadt, über ihre Nachbarn und dergleichen. Wenn sie uneinig in der Meinung waren, so stritten sie sich nicht mit bösen Worten, sondern tranken einander wacker zu, und wenn der Wein ihre Herzen erwärmt hatte, wenn er fröhlich durch ihre Adern hüpfte, da war der Beschluß schnell zur Reife gediehen, sie drückten sich die Hände, sie waren und blieben immer Freunde, weil sie Freunde waren des edeln Weines. Am andern Mor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/46
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/46>, abgerufen am 21.11.2024.