Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mich und fuhr fort: Offenbar hat Ioco im letzten Jahre, was das Theater anbelangt -- Theater? Geht mir weg! unterbrach Andreas, was sollen wir von Euren Puppenspielen, Marionettenkomödien und sonstigen Thorheiten hören! Meinet Ihr etwa, uns komme viel darauf an, ob einer Eurer Lustspieldichter ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn dermalen gar nichts Interessantes, nichts Welthistorisches, das Ihr etwa erzählen könntet? Ach, daß Gott erbarm'! erwiderte ich, bei uns ist die Welthistorie ausgegangen, wir haben in diesem Fach nur noch den Bundestag in Frankfurt. Bei unsern Nachbarn höchstens giebt es noch hin und wieder etwas; zum Beispiel in Frankreich haben die Jesuiten wieder Macht gewonnen und das Szepter an sich gerissen, und in Rußland sollte es eine Revolution geben. Ihr verwechselt die Namen, Freund! sagte Judas, Ihr wolltet sagen, in Rußland sind die Jesuiten wieder eingezogen, und in Frankreich sollte es eine Revolution geben? Mit nichten, Herr Judas von Ischarioth, antwortete ich, so ist es, wie ich gesagt. Ei der tausend! murmelten sie nachdenklich, das ist ja ganz sonderbar und verkehrt! Und, fragte Petrus, Krieg giebt es nicht? Ein klein wenig, wird aber bald vollends zu Ende sein, in Griechenland, gegen die Türken. Ha! das ist schön! rief der Paladin und schlug mich und fuhr fort: Offenbar hat Ioco im letzten Jahre, was das Theater anbelangt — Theater? Geht mir weg! unterbrach Andreas, was sollen wir von Euren Puppenspielen, Marionettenkomödien und sonstigen Thorheiten hören! Meinet Ihr etwa, uns komme viel darauf an, ob einer Eurer Lustspieldichter ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn dermalen gar nichts Interessantes, nichts Welthistorisches, das Ihr etwa erzählen könntet? Ach, daß Gott erbarm'! erwiderte ich, bei uns ist die Welthistorie ausgegangen, wir haben in diesem Fach nur noch den Bundestag in Frankfurt. Bei unsern Nachbarn höchstens giebt es noch hin und wieder etwas; zum Beispiel in Frankreich haben die Jesuiten wieder Macht gewonnen und das Szepter an sich gerissen, und in Rußland sollte es eine Revolution geben. Ihr verwechselt die Namen, Freund! sagte Judas, Ihr wolltet sagen, in Rußland sind die Jesuiten wieder eingezogen, und in Frankreich sollte es eine Revolution geben? Mit nichten, Herr Judas von Ischarioth, antwortete ich, so ist es, wie ich gesagt. Ei der tausend! murmelten sie nachdenklich, das ist ja ganz sonderbar und verkehrt! Und, fragte Petrus, Krieg giebt es nicht? Ein klein wenig, wird aber bald vollends zu Ende sein, in Griechenland, gegen die Türken. Ha! das ist schön! rief der Paladin und schlug <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0073"/> mich und fuhr fort: Offenbar hat Ioco im letzten Jahre, was das Theater anbelangt —</p><lb/> <p>Theater? Geht mir weg! unterbrach Andreas, was sollen wir von Euren Puppenspielen, Marionettenkomödien und sonstigen Thorheiten hören! Meinet Ihr etwa, uns komme viel darauf an, ob einer Eurer Lustspieldichter ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn dermalen gar nichts Interessantes, nichts Welthistorisches, das Ihr etwa erzählen könntet?</p><lb/> <p>Ach, daß Gott erbarm'! erwiderte ich, bei uns ist die Welthistorie ausgegangen, wir haben in diesem Fach nur noch den Bundestag in Frankfurt. Bei unsern Nachbarn höchstens giebt es noch hin und wieder etwas; zum Beispiel in Frankreich haben die Jesuiten wieder Macht gewonnen und das Szepter an sich gerissen, und in Rußland sollte es eine Revolution geben.</p><lb/> <p>Ihr verwechselt die Namen, Freund! sagte Judas, Ihr wolltet sagen, in Rußland sind die Jesuiten wieder eingezogen, und in Frankreich sollte es eine Revolution geben?</p><lb/> <p>Mit nichten, Herr Judas von Ischarioth, antwortete ich, so ist es, wie ich gesagt.</p><lb/> <p>Ei der tausend! murmelten sie nachdenklich, das ist ja ganz sonderbar und verkehrt! Und, fragte Petrus, Krieg giebt es nicht?</p><lb/> <p>Ein klein wenig, wird aber bald vollends zu Ende sein, in Griechenland, gegen die Türken.</p><lb/> <p>Ha! das ist schön! rief der Paladin und schlug<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
mich und fuhr fort: Offenbar hat Ioco im letzten Jahre, was das Theater anbelangt —
Theater? Geht mir weg! unterbrach Andreas, was sollen wir von Euren Puppenspielen, Marionettenkomödien und sonstigen Thorheiten hören! Meinet Ihr etwa, uns komme viel darauf an, ob einer Eurer Lustspieldichter ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn dermalen gar nichts Interessantes, nichts Welthistorisches, das Ihr etwa erzählen könntet?
Ach, daß Gott erbarm'! erwiderte ich, bei uns ist die Welthistorie ausgegangen, wir haben in diesem Fach nur noch den Bundestag in Frankfurt. Bei unsern Nachbarn höchstens giebt es noch hin und wieder etwas; zum Beispiel in Frankreich haben die Jesuiten wieder Macht gewonnen und das Szepter an sich gerissen, und in Rußland sollte es eine Revolution geben.
Ihr verwechselt die Namen, Freund! sagte Judas, Ihr wolltet sagen, in Rußland sind die Jesuiten wieder eingezogen, und in Frankreich sollte es eine Revolution geben?
Mit nichten, Herr Judas von Ischarioth, antwortete ich, so ist es, wie ich gesagt.
Ei der tausend! murmelten sie nachdenklich, das ist ja ganz sonderbar und verkehrt! Und, fragte Petrus, Krieg giebt es nicht?
Ein klein wenig, wird aber bald vollends zu Ende sein, in Griechenland, gegen die Türken.
Ha! das ist schön! rief der Paladin und schlug
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T11:05:53Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T11:05:53Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |