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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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man bei Namen ruft, erwachte er aus seiner
Betäubung, stotterte einige verwirrte Worte,
warf sich in die Kissen zurück und zog das
Deckbett über die Ohren.

Lene war die erste, welche sich am folgenden
Morgen vom Bett erhob. Ohne dabei Lärm
zu machen, bereitete sie alles Nötige für den
Ausflug vor. Der Kleinste wurde in den
Kinderwagen gelegt, darauf Tobias geweckt und
angezogen. Als er erfuhr, wohin es gehen
sollte, mußte er lächeln. Nachdem alles bereit
war und auch der Kaffee fertig auf dem Tisch
stand, erwachte Thiel. Mißbehagen war sein
erstes Gefühl beim Anblick all' der getroffenen
Vorbereitungen. Er hätte wohl gern ein Wort
dagegen gesagt, aber er wußte nicht, womit be¬
ginnen. Und welche, für Lene stichhaltigen
Gründe hätte er auch angeben sollen?

Allmälig begann dann das mehr und mehr
strahlende Gesichtchen seinen Einfluß auf Thiel
zu üben, so daß er schließlich schon um der
Freude willen, welche dem Jungen der Ausflug
bereitete, nicht daran denken konnte, Widerspruch
zu erheben. Nichtsdestoweniger blieb Thiel
während der Wanderung durch den Wald nicht
frei von Unruhe. Er stieß das Kinderwägelchen

man bei Namen ruft, erwachte er aus ſeiner
Betäubung, ſtotterte einige verwirrte Worte,
warf ſich in die Kiſſen zurück und zog das
Deckbett über die Ohren.

Lene war die erſte, welche ſich am folgenden
Morgen vom Bett erhob. Ohne dabei Lärm
zu machen, bereitete ſie alles Nötige für den
Ausflug vor. Der Kleinſte wurde in den
Kinderwagen gelegt, darauf Tobias geweckt und
angezogen. Als er erfuhr, wohin es gehen
ſollte, mußte er lächeln. Nachdem alles bereit
war und auch der Kaffee fertig auf dem Tiſch
ſtand, erwachte Thiel. Mißbehagen war ſein
erſtes Gefühl beim Anblick all' der getroffenen
Vorbereitungen. Er hätte wohl gern ein Wort
dagegen geſagt, aber er wußte nicht, womit be¬
ginnen. Und welche, für Lene ſtichhaltigen
Gründe hätte er auch angeben ſollen?

Allmälig begann dann das mehr und mehr
ſtrahlende Geſichtchen ſeinen Einfluß auf Thiel
zu üben, ſo daß er ſchließlich ſchon um der
Freude willen, welche dem Jungen der Ausflug
bereitete, nicht daran denken konnte, Widerſpruch
zu erheben. Nichtsdeſtoweniger blieb Thiel
während der Wanderung durch den Wald nicht
frei von Unruhe. Er ſtieß das Kinderwägelchen

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[39/0051] man bei Namen ruft, erwachte er aus ſeiner Betäubung, ſtotterte einige verwirrte Worte, warf ſich in die Kiſſen zurück und zog das Deckbett über die Ohren. Lene war die erſte, welche ſich am folgenden Morgen vom Bett erhob. Ohne dabei Lärm zu machen, bereitete ſie alles Nötige für den Ausflug vor. Der Kleinſte wurde in den Kinderwagen gelegt, darauf Tobias geweckt und angezogen. Als er erfuhr, wohin es gehen ſollte, mußte er lächeln. Nachdem alles bereit war und auch der Kaffee fertig auf dem Tiſch ſtand, erwachte Thiel. Mißbehagen war ſein erſtes Gefühl beim Anblick all' der getroffenen Vorbereitungen. Er hätte wohl gern ein Wort dagegen geſagt, aber er wußte nicht, womit be¬ ginnen. Und welche, für Lene ſtichhaltigen Gründe hätte er auch angeben ſollen? Allmälig begann dann das mehr und mehr ſtrahlende Geſichtchen ſeinen Einfluß auf Thiel zu üben, ſo daß er ſchließlich ſchon um der Freude willen, welche dem Jungen der Ausflug bereitete, nicht daran denken konnte, Widerſpruch zu erheben. Nichtsdeſtoweniger blieb Thiel während der Wanderung durch den Wald nicht frei von Unruhe. Er ſtieß das Kinderwägelchen

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/51>, abgerufen am 08.05.2024.