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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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weshalb hätte ich denn sonst sechs lange Jahre hier wie
'n Lastpferd gearbeitet? doch nur um alle meine ver-
fügbaren Kräfte endlich 'mal ganz der Lösung dieser
Frage zu widmen. Wußtest Du denn das nicht von
Anfang an?
Loth. Wo hätte ich's denn her wissen sollen?
Dr. Schimmelpfennig. Na, wie gesagt...ich
hab' auch schon ein ziemlich ausgiebiges Material ge-
sammelt, das mir gute Dienste leisten...bsst! ich hab'
mir das Schreien so angewöhnt. (Er schweigt, horcht, geht zur
Thür und kommt zurück).
Was hat Dich denn eigentlich unter
die Goldbauern geführt?
Loth. Ich möchte die hiesigen Verhältnisse studiren.
Dr. Schimmelpfennig (mit gedämpfter Stimme). Idee!
(noch leiser) da kannst Du bei mir auch Material bekommen.
Loth. Freilich, Du mußt ja sehr unterrichtet sein
über die Zustände hier. Wie sieht es denn so in den
Familien aus?
Dr. Schimmelpfennig. E--lend!.....durch-
gängig...Suff! Völlerei, Inzucht und in Folge davon,
Degenerationen auf der ganzen Linie.
Loth. Mit Ausnahmen doch!?
Dr. Schimmelpfennig. Kaum!
Loth (unruhig). Bist Du denn nicht zuweilen in...
in Versuchung gerathen eine...eine Witzdorfer Gold-
tochter zu heirathen?
Dr. Schimmelpfennig. Pfui Teufel!!! Kerl,
für was hältst Du mich? -- ebenso könntest Du mich
fragen, ob ich...
Loth (sehr bleich). Wie...wieso?
Dr. Schimmelpfennig. Weil...ist Dir was?
(Er fixirt ihn einige Augenblicke.)
Loth. Gar nichts! was soll mir denn sein?
Dr. Schimmelpfennig (ist plötzlich sehr nachdenklich, geht
und steht jäh und mit einem leisen Pfiff still, blickt Loth abermals flüchtig an
und sagt dann halblaut zu sich selbst).
Schlimm!
Loth. Du bist ja so sonderbar plötzlich.
weshalb hätte ich denn ſonſt ſechs lange Jahre hier wie
'n Laſtpferd gearbeitet? doch nur um alle meine ver-
fügbaren Kräfte endlich 'mal ganz der Löſung dieſer
Frage zu widmen. Wußteſt Du denn das nicht von
Anfang an?
Loth. Wo hätte ich's denn her wiſſen ſollen?
Dr. Schimmelpfennig. Na, wie geſagt...ich
hab' auch ſchon ein ziemlich ausgiebiges Material ge-
ſammelt, das mir gute Dienſte leiſten...bſſt! ich hab'
mir das Schreien ſo angewöhnt. (Er ſchweigt, horcht, geht zur
Thür und kommt zurück).
Was hat Dich denn eigentlich unter
die Goldbauern geführt?
Loth. Ich möchte die hieſigen Verhältniſſe ſtudiren.
Dr. Schimmelpfennig (mit gedämpfter Stimme). Idee!
(noch leiſer) da kannſt Du bei mir auch Material bekommen.
Loth. Freilich, Du mußt ja ſehr unterrichtet ſein
über die Zuſtände hier. Wie ſieht es denn ſo in den
Familien aus?
Dr. Schimmelpfennig. E—lend!.....durch-
gängig...Suff! Völlerei, Inzucht und in Folge davon,
Degenerationen auf der ganzen Linie.
Loth. Mit Ausnahmen doch!?
Dr. Schimmelpfennig. Kaum!
Loth (unruhig). Biſt Du denn nicht zuweilen in...
in Verſuchung gerathen eine...eine Witzdorfer Gold-
tochter zu heirathen?
Dr. Schimmelpfennig. Pfui Teufel!!! Kerl,
für was hältſt Du mich? — ebenſo könnteſt Du mich
fragen, ob ich...
Loth (ſehr bleich). Wie...wieſo?
Dr. Schimmelpfennig. Weil...iſt Dir was?
(Er fixirt ihn einige Augenblicke.)
Loth. Gar nichts! was ſoll mir denn ſein?
Dr. Schimmelpfennig (iſt plötzlich ſehr nachdenklich, geht
und ſteht jäh und mit einem leiſen Pfiff ſtill, blickt Loth abermals flüchtig an
und ſagt dann halblaut zu ſich ſelbſt).
Schlimm!
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[94/0100] weshalb hätte ich denn ſonſt ſechs lange Jahre hier wie 'n Laſtpferd gearbeitet? doch nur um alle meine ver- fügbaren Kräfte endlich 'mal ganz der Löſung dieſer Frage zu widmen. Wußteſt Du denn das nicht von Anfang an? Loth. Wo hätte ich's denn her wiſſen ſollen? Dr. Schimmelpfennig. Na, wie geſagt...ich hab' auch ſchon ein ziemlich ausgiebiges Material ge- ſammelt, das mir gute Dienſte leiſten...bſſt! ich hab' mir das Schreien ſo angewöhnt. (Er ſchweigt, horcht, geht zur Thür und kommt zurück). Was hat Dich denn eigentlich unter die Goldbauern geführt? Loth. Ich möchte die hieſigen Verhältniſſe ſtudiren. Dr. Schimmelpfennig (mit gedämpfter Stimme). Idee! (noch leiſer) da kannſt Du bei mir auch Material bekommen. Loth. Freilich, Du mußt ja ſehr unterrichtet ſein über die Zuſtände hier. Wie ſieht es denn ſo in den Familien aus? Dr. Schimmelpfennig. E—lend!.....durch- gängig...Suff! Völlerei, Inzucht und in Folge davon, Degenerationen auf der ganzen Linie. Loth. Mit Ausnahmen doch!? Dr. Schimmelpfennig. Kaum! Loth (unruhig). Biſt Du denn nicht zuweilen in... in Verſuchung gerathen eine...eine Witzdorfer Gold- tochter zu heirathen? Dr. Schimmelpfennig. Pfui Teufel!!! Kerl, für was hältſt Du mich? — ebenſo könnteſt Du mich fragen, ob ich... Loth (ſehr bleich).Wie...wieſo? Dr. Schimmelpfennig. Weil...iſt Dir was? (Er fixirt ihn einige Augenblicke.) Loth. Gar nichts! was ſoll mir denn ſein? Dr. Schimmelpfennig (iſt plötzlich ſehr nachdenklich, geht und ſteht jäh und mit einem leiſen Pfiff ſtill, blickt Loth abermals flüchtig an und ſagt dann halblaut zu ſich ſelbſt). Schlimm! Loth. Du biſt ja ſo ſonderbar plötzlich.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/100>, abgerufen am 24.11.2024.