Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
käme Dir nach wie vor darauf an, ein an Leib und Seele gesundes Geschlecht in die Welt zu setzen. Loth. Fallen gelassen?....fallen gelassen? wie soll ich denn das... Dr. Schimmelpfennig. Dann bleibt nichts übrig ....dann kennst Du eben doch die Verhältnisse nicht. Dann weißt Du zum Beispiel nicht, daß Hoffmann einen Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am Alkoholismus zu Grunde ging. Loth. Wa...was -- sagst Du? Dr. Schimmelpfennig. 's thut mir leid, Loth, aber sagen muß ich Dir's doch, Du kannst ja dann noch machen, was Du willst. Die Sache war kein Spaß. Sie waren gerade wie jetzt zum Besuch hier. Sie ließen mich holen, eine halbe Stunde zu spät. Der kleine Kerl hatte längst verblutet. (Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erschütterung an des Doctor's Munde hängend.) Dr. Schimmelpfennig. Nach der Essigflasche hatte das dumme Kerlchen gelangt in der Meinung, sein geliebter Fusel sei darin. Die Flasche war herunter und das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten siehst Du die vena saphena, die hatte es sich voll- ständig durchschnitten. Loth. W...w...essen Kind sagst Du....? Dr. Schimmelpfennig. Hoffmann's und eben derselben Frau Kind, die da oben wieder...und auch die trinkt, trinkt bis zur Besinnungslosigkeit, trinkt soviel sie bekommen kann. Loth. Also von Hoffmann...Hoffmann geht es nicht aus?! Dr. Schimmelpfennig. Bewahre! das ist tragisch an dem Menschen, er leidet darunter so viel er über- haupt leiden kann. Im Uebrigen hat er's gewußt, das er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer nämlich kommt überhaupt gar nicht mehr aus dem Wirthshaus.
käme Dir nach wie vor darauf an, ein an Leib und Seele geſundes Geſchlecht in die Welt zu ſetzen. Loth. Fallen gelaſſen?....fallen gelaſſen? wie ſoll ich denn das... Dr. Schimmelpfennig. Dann bleibt nichts übrig ....dann kennſt Du eben doch die Verhältniſſe nicht. Dann weißt Du zum Beiſpiel nicht, daß Hoffmann einen Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am Alkoholismus zu Grunde ging. Loth. Wa...was — ſagſt Du? Dr. Schimmelpfennig. 's thut mir leid, Loth, aber ſagen muß ich Dir's doch, Du kannſt ja dann noch machen, was Du willſt. Die Sache war kein Spaß. Sie waren gerade wie jetzt zum Beſuch hier. Sie ließen mich holen, eine halbe Stunde zu ſpät. Der kleine Kerl hatte längſt verblutet. (Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erſchütterung an des Doctor's Munde hängend.) Dr. Schimmelpfennig. Nach der Eſſigflaſche hatte das dumme Kerlchen gelangt in der Meinung, ſein geliebter Fuſel ſei darin. Die Flaſche war herunter und das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten ſiehſt Du die vena saphena, die hatte es ſich voll- ſtändig durchſchnitten. Loth. W...w...eſſen Kind ſagſt Du....? Dr. Schimmelpfennig. Hoffmann's und eben derſelben Frau Kind, die da oben wieder...und auch die trinkt, trinkt bis zur Beſinnungsloſigkeit, trinkt ſoviel ſie bekommen kann. Loth. Alſo von Hoffmann...Hoffmann geht es nicht aus?! Dr. Schimmelpfennig. Bewahre! das iſt tragiſch an dem Menſchen, er leidet darunter ſo viel er über- haupt leiden kann. Im Uebrigen hat er's gewußt, das er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer nämlich kommt überhaupt gar nicht mehr aus dem Wirthshaus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SCH"> <p><pb facs="#f0107" n="101"/> käme Dir nach wie vor darauf an, ein an Leib und<lb/> Seele geſundes Geſchlecht in die Welt zu ſetzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Fallen gelaſſen?....fallen gelaſſen? wie<lb/> ſoll ich denn das...</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>Dann bleibt nichts übrig<lb/> ....dann kennſt Du eben doch die Verhältniſſe nicht.<lb/> Dann weißt Du zum Beiſpiel nicht, daß Hoffmann<lb/> einen Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am<lb/> Alkoholismus zu Grunde ging.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Wa...was — ſagſt Du?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>'s thut mir leid, Loth,<lb/> aber ſagen muß ich Dir's doch, Du kannſt ja dann noch<lb/> machen, was Du willſt. Die Sache war kein Spaß.<lb/> Sie waren gerade wie jetzt zum Beſuch hier. Sie ließen<lb/> mich holen, eine halbe Stunde zu ſpät. Der kleine<lb/> Kerl hatte längſt verblutet.</p><lb/> <p> <stage>(Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erſchütterung an des Doctor's<lb/> Munde hängend.)</stage> </p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>Nach der Eſſigflaſche<lb/> hatte das dumme Kerlchen gelangt in der Meinung, ſein<lb/> geliebter Fuſel ſei darin. Die Flaſche war herunter<lb/> und das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten<lb/> ſiehſt Du die <hi rendition="#aq">vena saphena,</hi> die hatte es ſich voll-<lb/> ſtändig durchſchnitten.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>W...w...eſſen Kind ſagſt Du....?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>Hoffmann's und eben<lb/> derſelben Frau Kind, die da oben wieder...und auch<lb/> die trinkt, trinkt bis zur Beſinnungsloſigkeit, trinkt ſoviel<lb/> ſie bekommen kann.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Alſo von Hoffmann...Hoffmann geht es<lb/> nicht aus?!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>Bewahre! das iſt tragiſch<lb/> an dem Menſchen, er leidet darunter ſo viel er über-<lb/> haupt leiden kann. Im Uebrigen hat er's gewußt, das<lb/> er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer<lb/> nämlich kommt überhaupt gar nicht mehr aus dem<lb/> Wirthshaus.</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [101/0107]
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Seele geſundes Geſchlecht in die Welt zu ſetzen.
Loth. Fallen gelaſſen?....fallen gelaſſen? wie
ſoll ich denn das...
Dr. Schimmelpfennig. Dann bleibt nichts übrig
....dann kennſt Du eben doch die Verhältniſſe nicht.
Dann weißt Du zum Beiſpiel nicht, daß Hoffmann
einen Sohn hatte, der mit drei Jahren bereits am
Alkoholismus zu Grunde ging.
Loth. Wa...was — ſagſt Du?
Dr. Schimmelpfennig. 's thut mir leid, Loth,
aber ſagen muß ich Dir's doch, Du kannſt ja dann noch
machen, was Du willſt. Die Sache war kein Spaß.
Sie waren gerade wie jetzt zum Beſuch hier. Sie ließen
mich holen, eine halbe Stunde zu ſpät. Der kleine
Kerl hatte längſt verblutet.
(Loth mit den Zeichen tiefer, furchtbarer Erſchütterung an des Doctor's
Munde hängend.)
Dr. Schimmelpfennig. Nach der Eſſigflaſche
hatte das dumme Kerlchen gelangt in der Meinung, ſein
geliebter Fuſel ſei darin. Die Flaſche war herunter
und das Kind in die Scherben gefallen. Hier unten
ſiehſt Du die vena saphena, die hatte es ſich voll-
ſtändig durchſchnitten.
Loth. W...w...eſſen Kind ſagſt Du....?
Dr. Schimmelpfennig. Hoffmann's und eben
derſelben Frau Kind, die da oben wieder...und auch
die trinkt, trinkt bis zur Beſinnungsloſigkeit, trinkt ſoviel
ſie bekommen kann.
Loth. Alſo von Hoffmann...Hoffmann geht es
nicht aus?!
Dr. Schimmelpfennig. Bewahre! das iſt tragiſch
an dem Menſchen, er leidet darunter ſo viel er über-
haupt leiden kann. Im Uebrigen hat er's gewußt, das
er in eine Potatorenfamilie hinein kam. Der Bauer
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