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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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rückwärts und nimmt mit den Augen noch einmal den ganzen Raum in sein
Gedächtniß auf. Hierauf zu sich).
Da könnt' ich ja nun wohl --
gehen. (Nach einem letzten Blick ab.)

(Das Zimmer bleibt für einige Augenblicke leer. Man vernimmt ge-
dämpfte Rufe und das Geräusch von Schritten, dann erscheint Hoffmann. Er
zieht, sobald er die Thür hinter sich geschlossen hat, unverhältnißmäßig ruhig
sein Notizbuch und rechnet etwas, hierbei unterbricht er sich und lauscht, wird
unruhig, schreitet zur Thür und lauscht wieder. Plötzlich rennt Jemand die
Treppe herunter und herein stürzt Helene.)

Helene (noch außen). Schwager! (In der Thür:) Schwager!
Hoffmann. Was ist denn -- los?
Helene. Mach Dich gefaßt: todtgeboren!
Hoffmann. Jesus Christus!!! (Er stürzt davon.)

(Helene allein.)

(Sie sieht sich um und ruft leise:
Alfred! Alfred!
und dann,
als sie keine Antwort erhält, in schneller Folge:
Alfred! Alfred!
Da-
bei ist sie bis zur Thür des Wintergartens geeilt, durch die sie spähend blickt.
Dann ab in den Wintergarten. Nach einer Weile erscheint sie wieder:
Alfred!
Immer unruhiger werdend, am Fenster, durch das sie hinausblickt:
Alfred!
Sie öffnet das Fenster und steigt auf einen davor stehenden Stuhl. In diesem
Augenblick klingt deutlich vom Hofe herein das Geschrei des betrunkenen, aus
dem Wirthshaus heimkehrenden Bauern, ihres Vaters:
Dohie hä'. biin
iich nee a hibscher Moan
? Hoa' iich nee a hibsch
Weib
? Hoa' iich nee a poar hibsche Tächter
dohie hä
?
Helene stößt einen kurzen Schrei aus und rennt wie gejagt
nach der Mittelthür. Von dort aus entdeckt sie den Brief, welchen Loth auf dem
Tisch zurückgelassen, sie stürzt sich darauf, reißt ihn auf und durchfliegt ihn, ein-
zelne Worte aus seinem Inhalt laut hervorstoßend:
"Unübersteig-
lich!"..."Niemals wieder!"
Sie läßt den Brief fallen,
wankt:
Zu Ende!
Rafft sich auf, hält sich den Kopf mit beiden Händen,
kurz und scharf schreiend:
Zu En--de!
Stürzt ab durch die Mitte.
Der Bauer draußen, schon aus geringerer Entfernung:
Dohie hä? iis
ernt
's Gittla ne mei--ne? Hoa' iich ne a hibsch
Weib
? Bin iich nee a hibscher Moan?
Helene, immer
noch suchend, wie eine halb Irrsinnige aus dem Wintergarten hereinkommend,
trifft auf Eduard, der etwas aus Hoffmann's Zimmer zu holen geht. Sie redet
ihn an:
Eduard!
Er antwortet:
Gnädiges Fräulein?
Darauf sie:
Ich möchte...möchte den Herrn
Dr. Loth...
Eduard antwortet:
Herr Dr. Loth sind in
des Herrn
Dr. Schimmelpfennig's Wagen fort-
gefahren!
Damit verschwindet er im Zimmer Hoffmanns.
Wahr!
stößt Helene hervor und hat einen Augenblick Mühe, aufrecht zu stehen. Im
nächsten durchfährt sie eine verzweifelte Energie. Sie rennt nach dem Vorder-

rückwärts und nimmt mit den Augen noch einmal den ganzen Raum in ſein
Gedächtniß auf. Hierauf zu ſich).
Da könnt' ich ja nun wohl —
gehen. (Nach einem letzten Blick ab.)

(Das Zimmer bleibt für einige Augenblicke leer. Man vernimmt ge-
dämpfte Rufe und das Geräuſch von Schritten, dann erſcheint Hoffmann. Er
zieht, ſobald er die Thür hinter ſich geſchloſſen hat, unverhältnißmäßig ruhig
ſein Notizbuch und rechnet etwas, hierbei unterbricht er ſich und lauſcht, wird
unruhig, ſchreitet zur Thür und lauſcht wieder. Plötzlich rennt Jemand die
Treppe herunter und herein ſtürzt Helene.)

Helene (noch außen). Schwager! (In der Thür:) Schwager!
Hoffmann. Was iſt denn — los?
Helene. Mach Dich gefaßt: todtgeboren!
Hoffmann. Jeſus Chriſtus!!! (Er ſtürzt davon.)

(Helene allein.)

(Sie ſieht ſich um und ruft leiſe:
Alfred! Alfred!
und dann,
als ſie keine Antwort erhält, in ſchneller Folge:
Alfred! Alfred!
Da-
bei iſt ſie bis zur Thür des Wintergartens geeilt, durch die ſie ſpähend blickt.
Dann ab in den Wintergarten. Nach einer Weile erſcheint ſie wieder:
Alfred!
Immer unruhiger werdend, am Fenſter, durch das ſie hinausblickt:
Alfred!
Sie öffnet das Fenſter und ſteigt auf einen davor ſtehenden Stuhl. In dieſem
Augenblick klingt deutlich vom Hofe herein das Geſchrei des betrunkenen, aus
dem Wirthshaus heimkehrenden Bauern, ihres Vaters:
Dohie hä'. biin
iich nee a hibſcher Moan
? Hoa' iich nee a hibſch
Weib
? Hoa' iich nee a poar hibſche Tächter
dohie hä
?
Helene ſtößt einen kurzen Schrei aus und rennt wie gejagt
nach der Mittelthür. Von dort aus entdeckt ſie den Brief, welchen Loth auf dem
Tiſch zurückgelaſſen, ſie ſtürzt ſich darauf, reißt ihn auf und durchfliegt ihn, ein-
zelne Worte aus ſeinem Inhalt laut hervorſtoßend:
Unüberſteig-
lich!„...“Niemals wieder!“
Sie läßt den Brief fallen,
wankt:
Zu Ende!
Rafft ſich auf, hält ſich den Kopf mit beiden Händen,
kurz und ſcharf ſchreiend:
Zu Ende!
Stürzt ab durch die Mitte.
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Weib
? Bin iich nee a hibſcher Moan?
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noch ſuchend, wie eine halb Irrſinnige aus dem Wintergarten hereinkommend,
trifft auf Eduard, der etwas aus Hoffmann's Zimmer zu holen geht. Sie redet
ihn an:
Eduard!
Er antwortet:
Gnädiges Fräulein?
Darauf ſie:
Ich möchte...möchte den Herrn
Dr. Loth...
Eduard antwortet:
Herr Dr. Loth ſind in
des Herrn
Dr. Schimmelpfennig's Wagen fort-
gefahren!
Damit verſchwindet er im Zimmer Hoffmanns.
Wahr!
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[105/0111] rückwärts und nimmt mit den Augen noch einmal den ganzen Raum in ſein Gedächtniß auf. Hierauf zu ſich). Da könnt' ich ja nun wohl — gehen. (Nach einem letzten Blick ab.) (Das Zimmer bleibt für einige Augenblicke leer. Man vernimmt ge- dämpfte Rufe und das Geräuſch von Schritten, dann erſcheint Hoffmann. Er zieht, ſobald er die Thür hinter ſich geſchloſſen hat, unverhältnißmäßig ruhig ſein Notizbuch und rechnet etwas, hierbei unterbricht er ſich und lauſcht, wird unruhig, ſchreitet zur Thür und lauſcht wieder. Plötzlich rennt Jemand die Treppe herunter und herein ſtürzt Helene.) Helene (noch außen). Schwager! (In der Thür:) Schwager! Hoffmann. Was iſt denn — los? Helene. Mach Dich gefaßt: todtgeboren! Hoffmann. Jeſus Chriſtus!!! (Er ſtürzt davon.) (Helene allein.) (Sie ſieht ſich um und ruft leiſe: Alfred! Alfred! und dann, als ſie keine Antwort erhält, in ſchneller Folge: Alfred! Alfred! Da- bei iſt ſie bis zur Thür des Wintergartens geeilt, durch die ſie ſpähend blickt. Dann ab in den Wintergarten. Nach einer Weile erſcheint ſie wieder: Alfred! Immer unruhiger werdend, am Fenſter, durch das ſie hinausblickt:Alfred! Sie öffnet das Fenſter und ſteigt auf einen davor ſtehenden Stuhl. In dieſem Augenblick klingt deutlich vom Hofe herein das Geſchrei des betrunkenen, aus dem Wirthshaus heimkehrenden Bauern, ihres Vaters: Dohie hä'. biin iich nee a hibſcher Moan? Hoa' iich nee a hibſch Weib? Hoa' iich nee a poar hibſche Tächter dohie hä? Helene ſtößt einen kurzen Schrei aus und rennt wie gejagt nach der Mittelthür. Von dort aus entdeckt ſie den Brief, welchen Loth auf dem Tiſch zurückgelaſſen, ſie ſtürzt ſich darauf, reißt ihn auf und durchfliegt ihn, ein- zelne Worte aus ſeinem Inhalt laut hervorſtoßend: „Unüberſteig- lich!„...“Niemals wieder!“ Sie läßt den Brief fallen, wankt: Zu Ende! Rafft ſich auf, hält ſich den Kopf mit beiden Händen, kurz und ſcharf ſchreiend: Zu En—de! Stürzt ab durch die Mitte. Der Bauer draußen, ſchon aus geringerer Entfernung: Dohie hä? iis ernt's Gittla ne mei—ne? Hoa' iich ne a hibſch Weib? Bin iich nee a hibſcher Moan? Helene, immer noch ſuchend, wie eine halb Irrſinnige aus dem Wintergarten hereinkommend, trifft auf Eduard, der etwas aus Hoffmann's Zimmer zu holen geht. Sie redet ihn an: Eduard! Er antwortet: Gnädiges Fräulein? Darauf ſie: Ich möchte...möchte den Herrn Dr. Loth...Eduard antwortet: Herr Dr. Loth ſind in des Herrn Dr. Schimmelpfennig's Wagen fort- gefahren! Damit verſchwindet er im Zimmer Hoffmanns. Wahr! ſtößt Helene hervor und hat einen Augenblick Mühe, aufrecht zu ſtehen. Im nächſten durchfährt ſie eine verzweifelte Energie. Sie rennt nach dem Vorder-

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/111>, abgerufen am 25.11.2024.