Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889. Hoffmann (nahezu fassungslos): Wieso?...mit... mit was gesegnet? Loth. Mit Trinkern natürlicherweise. Hoffmann. Hm!...meinst Du?.., ach... jaja..., allerdings, die Bergleute..... Loth. Nicht nur die Bergleute. Zum Beispiel hier in dem Wirthshaus, wo ich abstieg, bevor ich zu Dir kam, da saß ein Kerl so: (er stützt beide Ellenbogen auf den Tisch, nimmt den Kopf in die Hände und stiert auf die Tischplatte). Hoffmann. Wirklich? Seine Verlegenheit hat den höchsten Grad erreicht; Frau Krause hustet, Helene starrt noch immer auf Kahl, welcher jetzt am ganzen Körper vor innerlichem Lachen bebt; sich aber doch noch so weit bändigt, nicht laut herauszuplatzen.) Loth. Es wundert mich, daß Du dieses -- Ori- ginal -- könnte man beinahe sagen, noch nicht kennst. Das Wirthshaus ist ja gleich hier nebenan das. Mir wurde gesagt, es sei ein hiesiger steinreicher Bauer, der seine Tage und Jahre buchstäblich in diesem selben Gast- zimmer mit Schnapstrinken zubrächte. Das reine Thier ist er natürlich. Diese furchtbar öden, versoffenen Augen, mit denen er mich anstierte. (Kahl, der bis hierher sich zurückgehalten hat, bricht in ein rohes, lautes, unaufhaltsames Gelächter aus, so daß Loth und Hoffmann, starr vor Staunen, ihn anblicken.) Kahl (unter dem Lachen hervorstammelnd): Woahrhaftig!!! das is ja....das is ja woahrhaftig der...der Alte gewesen. Helene (ist entsetzt und empört aufgesprungen. Zerknüllt die Serviette und schleudert sie auf den Tisch. Bricht aus). Sie sind... (macht die Bewegung des Ausspeiens) pfui!!! (Sie geht schnell ab.) Kahl (die aus dem Bewußtsein, eine große Dummheit gemacht zu haben, entstandene Verlegenheit gewaltsam abreißend). Ach woas!... Unsinn! 's iis ju zu tumm! -- iich gieh menner Wege. (Er setzt seinen Hut auf und sagt, indem er abgeht, ohne sich noch einmal um- zuwenden) 'n Obend!!! Frau Krause (ruft ihm nach): Koan Der'sch nich ver- denken, Willem! (Sie legt die Serviette zusammen und ruft dabei) Miele! (Miele kommt.) Räum' ab! (Für sich, aber doch laut Su ane Gans. Hoffmann (nahezu faſſungslos): Wieſo?...mit... mit was geſegnet? Loth. Mit Trinkern natürlicherweiſe. Hoffmann. Hm!...meinſt Du?.., ach... jaja..., allerdings, die Bergleute..... Loth. Nicht nur die Bergleute. Zum Beiſpiel hier in dem Wirthshaus, wo ich abſtieg, bevor ich zu Dir kam, da ſaß ein Kerl ſo: (er ſtützt beide Ellenbogen auf den Tiſch, nimmt den Kopf in die Hände und ſtiert auf die Tiſchplatte). Hoffmann. Wirklich? Seine Verlegenheit hat den höchſten Grad erreicht; Frau Krauſe huſtet, Helene ſtarrt noch immer auf Kahl, welcher jetzt am ganzen Körper vor innerlichem Lachen bebt; ſich aber doch noch ſo weit bändigt, nicht laut herauszuplatzen.) Loth. Es wundert mich, daß Du dieſes — Ori- ginal — könnte man beinahe ſagen, noch nicht kennſt. Das Wirthshaus iſt ja gleich hier nebenan das. Mir wurde geſagt, es ſei ein hieſiger ſteinreicher Bauer, der ſeine Tage und Jahre buchſtäblich in dieſem ſelben Gaſt- zimmer mit Schnapstrinken zubrächte. Das reine Thier iſt er natürlich. Dieſe furchtbar öden, verſoffenen Augen, mit denen er mich anſtierte. (Kahl, der bis hierher ſich zurückgehalten hat, bricht in ein rohes, lautes, unaufhaltſames Gelächter aus, ſo daß Loth und Hoffmann, ſtarr vor Staunen, ihn anblicken.) Kahl (unter dem Lachen hervorſtammelnd): Woahrhaftig!!! das is ja....das is ja woahrhaftig der...der Alte geweſen. Helene (iſt entſetzt und empört aufgeſprungen. Zerknüllt die Serviette und ſchleudert ſie auf den Tiſch. Bricht aus). Sie ſind... (macht die Bewegung des Ausſpeiens) pfui!!! (Sie geht ſchnell ab.) Kahl (die aus dem Bewußtſein, eine große Dummheit gemacht zu haben, entſtandene Verlegenheit gewaltſam abreißend). Ach woas!... Unſinn! 's iis ju zu tumm! — iich gieh menner Wege. (Er ſetzt ſeinen Hut auf und ſagt, indem er abgeht, ohne ſich noch einmal um- zuwenden) 'n Obend!!! Frau Krauſe (ruft ihm nach): Koan Der'ſch nich ver- denken, Willem! (Sie legt die Serviette zuſammen und ruft dabei) Miele! (Miele kommt.) Räum' ab! (Für ſich, aber doch laut Su ane Gans. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0040" n="34"/> <sp who="#HOF"> <speaker> <hi rendition="#g">Hoffmann</hi> </speaker> <p><stage>(nahezu faſſungslos):</stage> Wieſo?...mit...<lb/> mit was geſegnet?</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Mit Trinkern natürlicherweiſe.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Hm!...meinſt Du?.., ach...<lb/> jaja..., allerdings, die Bergleute.....</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Nicht nur die Bergleute. 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Loth. Nicht nur die Bergleute. Zum Beiſpiel
hier in dem Wirthshaus, wo ich abſtieg, bevor ich zu
Dir kam, da ſaß ein Kerl ſo: (er ſtützt beide Ellenbogen auf den
Tiſch, nimmt den Kopf in die Hände und ſtiert auf die Tiſchplatte).
Hoffmann. Wirklich? Seine Verlegenheit hat den höchſten
Grad erreicht; Frau Krauſe huſtet, Helene ſtarrt noch immer auf Kahl, welcher
jetzt am ganzen Körper vor innerlichem Lachen bebt; ſich aber doch noch ſo weit
bändigt, nicht laut herauszuplatzen.)
Loth. Es wundert mich, daß Du dieſes — Ori-
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Wirthshaus iſt ja gleich hier nebenan das. Mir wurde
geſagt, es ſei ein hieſiger ſteinreicher Bauer, der ſeine
Tage und Jahre buchſtäblich in dieſem ſelben Gaſt-
zimmer mit Schnapstrinken zubrächte. Das reine Thier
iſt er natürlich. Dieſe furchtbar öden, verſoffenen Augen,
mit denen er mich anſtierte.
(Kahl, der bis hierher ſich zurückgehalten hat, bricht in ein rohes, lautes,
unaufhaltſames Gelächter aus, ſo daß Loth und Hoffmann, ſtarr vor Staunen,
ihn anblicken.)
Kahl (unter dem Lachen hervorſtammelnd): Woahrhaftig!!!
das is ja....das is ja woahrhaftig der...der
Alte geweſen.
Helene (iſt entſetzt und empört aufgeſprungen. Zerknüllt die
Serviette und ſchleudert ſie auf den Tiſch. Bricht aus). Sie ſind...
(macht die Bewegung des Ausſpeiens) pfui!!! (Sie geht ſchnell ab.)
Kahl (die aus dem Bewußtſein, eine große Dummheit gemacht zu
haben, entſtandene Verlegenheit gewaltſam abreißend). Ach woas!...
Unſinn! 's iis ju zu tumm! — iich gieh menner Wege.
(Er ſetzt ſeinen Hut auf und ſagt, indem er abgeht, ohne ſich noch einmal um-
zuwenden) 'n Obend!!!
Frau Krauſe (ruft ihm nach): Koan Der'ſch nich ver-
denken, Willem! (Sie legt die Serviette zuſammen und ruft dabei)
Miele! (Miele kommt.) Räum' ab! (Für ſich, aber doch laut Su
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