Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
Sie verachten uns, verlassen Sie sich d'rauf: -- Sie müssen uns ja doch verachten, (weinerlich) den Schwager mit, mich mit. Mich vor allen Dingen und dazu, da -- zu haben Sie wahr...wahrhaftig auch Grund. (Sie wendet Loth schnell den Rücken und geht, ihrer Bewegung nicht mehr Herr, durch den Obstgarten nach dem Hintergrunde zu ab. Loth tritt durch das Pförtchen und folgt ihr langsam.) Frau Krause (in überladener Morgentoilette, puterroth im Ge- sicht, aus der Hausthür, schreit). Doas Loaster vu Froovulk! Marie! Ma -- rie!! unter men'n Dache! weg muuß doas Froovulk! (Sie rennt über den Hof und verschwindet in der Stall- thür. Frau Spiller, mit Häkelarbeit, erscheint in der Hausthür. Im Stalle hört man Schimpfen und Heulen.) Frau Krause (die heulende Magd vor sich her treibend, aus dem Stall). Du Huernfroovulk Du! (die Magd heult stärker) uuf der Stelle 'naus! Sich Deine sieba Sacha z'samma und dann, 'naus! (Helene, mit rothen Augen, kommt durch den Thorweg, be- merkt die Scene und steht abwartend still.) Die Magd (entdeckt Frau Spiller, wirft Schemel und Milchgelte weg und geht wüthend auf sie zu). Doas biin iich Ihn'n schuldig! doas war iich Ihn'n eitränka!! (Sie rennt schluchzend davon, die Bodentreppe hinauf. Ab.) Helene (zu Frau Krause tretend). Was hat sie denn ge- macht? Frau Krause (grob). Gieht's Diich oan, Goans? Helene (heftig, fast weinend). Ja, mich geht's an. Frau Spiller (schnell hinzutretend). Mein gnädiges Fräulein, so etwas ist nicht für das Ohr eines jungen Mädchens wie... Frau Krause. Worum ok ne goar, Spillern! die iis au ne vu Marzepane: Mit'n Grußknecht zu- soamma gelah'n hot se ei en Bette. Do wißt de's. Helene (in befehlendem Tone). Die Magd wird aber doch bleiben. Frau Krause. Weibsstück!! Helene. Gut! dann will ich dem Vater erzählen, daß Du mit Kahl Wilhelm die Nächte ebenso verbringst. Frau Krause (schlägt ihr eine Maulschelle). Do hust' an' Denkzettel!
Sie verachten uns, verlaſſen Sie ſich d'rauf: — Sie müſſen uns ja doch verachten, (weinerlich) den Schwager mit, mich mit. Mich vor allen Dingen und dazu, da — zu haben Sie wahr...wahrhaftig auch Grund. (Sie wendet Loth ſchnell den Rücken und geht, ihrer Bewegung nicht mehr Herr, durch den Obſtgarten nach dem Hintergrunde zu ab. Loth tritt durch das Pförtchen und folgt ihr langſam.) Frau Krauſe (in überladener Morgentoilette, puterroth im Ge- ſicht, aus der Hausthür, ſchreit). Doas Loaſter vu Froovulk! Marie! Ma — rie!! unter men'n Dache! weg muuß doas Froovulk! (Sie rennt über den Hof und verſchwindet in der Stall- thür. Frau Spiller, mit Häkelarbeit, erſcheint in der Hausthür. Im Stalle hört man Schimpfen und Heulen.) Frau Krauſe (die heulende Magd vor ſich her treibend, aus dem Stall). Du Huernfroovulk Du! (die Magd heult ſtärker) uuf der Stelle 'naus! Sich Deine ſieba Sacha z'ſamma und dann, 'naus! (Helene, mit rothen Augen, kommt durch den Thorweg, be- merkt die Scene und ſteht abwartend ſtill.) Die Magd (entdeckt Frau Spiller, wirft Schemel und Milchgelte weg und geht wüthend auf ſie zu). Doas biin iich Ihn'n ſchuldig! doas war iich Ihn'n eitränka!! (Sie rennt ſchluchzend davon, die Bodentreppe hinauf. Ab.) Helene (zu Frau Krauſe tretend). Was hat ſie denn ge- macht? Frau Krauſe (grob). Gieht's Diich oan, Goans? Helene (heftig, faſt weinend). Ja, mich geht's an. Frau Spiller (ſchnell hinzutretend). Mein gnädiges Fräulein, ſo etwas iſt nicht für das Ohr eines jungen Mädchens wie... Frau Krauſe. Worum ok ne goar, Spillern! die iis au ne vu Marzepane: Mit'n Grußknecht zu- ſoamma gelah'n hot ſe ei en Bette. Do wißt de's. Helene (in befehlendem Tone). Die Magd wird aber doch bleiben. Frau Krauſe. Weibsſtück!! Helene. Gut! dann will ich dem Vater erzählen, daß Du mit Kahl Wilhelm die Nächte ebenſo verbringſt. Frau Krauſe (ſchlägt ihr eine Maulſchelle). 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da — zu haben Sie wahr...wahrhaftig auch Grund.
(Sie wendet Loth ſchnell den Rücken und geht, ihrer Bewegung nicht mehr Herr,
durch den Obſtgarten nach dem Hintergrunde zu ab. Loth tritt durch das
Pförtchen und folgt ihr langſam.)
Frau Krauſe (in überladener Morgentoilette, puterroth im Ge-
ſicht, aus der Hausthür, ſchreit). Doas Loaſter vu Froovulk!
Marie! Ma — rie!! unter men'n Dache! weg muuß
doas Froovulk! (Sie rennt über den Hof und verſchwindet in der Stall-
thür. Frau Spiller, mit Häkelarbeit, erſcheint in der Hausthür. Im Stalle
hört man Schimpfen und Heulen.)
Frau Krauſe (die heulende Magd vor ſich her treibend, aus dem
Stall). Du Huernfroovulk Du! (die Magd heult ſtärker) uuf der
Stelle 'naus! Sich Deine ſieba Sacha z'ſamma und
dann, 'naus! (Helene, mit rothen Augen, kommt durch den Thorweg, be-
merkt die Scene und ſteht abwartend ſtill.)
Die Magd (entdeckt Frau Spiller, wirft Schemel und Milchgelte
weg und geht wüthend auf ſie zu). Doas biin iich Ihn'n ſchuldig!
doas war iich Ihn'n eitränka!! (Sie rennt ſchluchzend davon, die
Bodentreppe hinauf. Ab.)
Helene (zu Frau Krauſe tretend). Was hat ſie denn ge-
macht?
Frau Krauſe (grob). Gieht's Diich oan, Goans?
Helene (heftig, faſt weinend). Ja, mich geht's an.
Frau Spiller (ſchnell hinzutretend). Mein gnädiges
Fräulein, ſo etwas iſt nicht für das Ohr eines jungen
Mädchens wie...
Frau Krauſe. Worum ok ne goar, Spillern!
die iis au ne vu Marzepane: Mit'n Grußknecht zu-
ſoamma gelah'n hot ſe ei en Bette. Do wißt de's.
Helene (in befehlendem Tone). Die Magd wird aber
doch bleiben.
Frau Krauſe. Weibsſtück!!
Helene. Gut! dann will ich dem Vater erzählen,
daß Du mit Kahl Wilhelm die Nächte ebenſo verbringſt.
Frau Krauſe (ſchlägt ihr eine Maulſchelle). Do huſt' an'
Denkzettel!
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