Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
einigermaßen verantwortlich ist, ich habe ihr bereits selbst einiges gesagt -- über die Folgen des Schnürens. Hoffmann. Ganz gewiß, Herr Doctor...ich will ganz gewiß mein Möglichstes thun, ihr... Dr. Schimmelpfennig (sich ein wenig linkisch verbeugend) Empfehle mich (geht, bleibt wieder stehen), ach so!...Sie wollten ja meinen Rath hören (er blickt Hoffmann kalt an). Hoffmann. Ja, wenn Sie noch einen Augenblick Zeit hätten... (nicht ohne Affectirtheit:) Sie kennen das ent- setzliche Ende meines ersten Jungen. Sie haben es ja ganz aus der Nähe gesehen. Wie weit ich damals war, wissen Sie ja wohl auch. -- Man glaubt es nicht dennoch: die Zeit mildert!..........Schließlich habe ich sogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein sehnlichster Wunsch soll, wie es scheint, erfüllt werden. Sie werden begreifen, daß ich Alles thun muß...es hat mich schlaflose Nächte genug gekostet und doch weiß ich noch nicht, noch immer nicht, wie ich es anstellen soll, um das jetzt noch ungeborene Geschöpf vor dem furcht- baren Schicksale seines Brüderchens zu bewahren. Und das ist es, weshalb ich Sie.... Dr. Schimmelpfennig (trocken und geschäftsmäßig). Von seiner Mutter trennen: Grundbedingung einer gedeih- lichen Entwickelung. Hoffmann. Also doch?! -- meinen Sie, völlig trennen?...soll es auch nicht in demselben Hause mit ihr...? Dr. Schimmelpfennig. Nein, wenn es Ihnen ernst ist um die Erhaltung Ihres Kindes, dann nicht. Ihr Vermögen gestattet Ihnen ja in dieser Beziehung die freieste Bewegung. Hoffmann. Gott sei Dank, ja! Ich habe auch schon in der Nähe von Hirschberg eine Villa mit sehr großem Park angekauft. Nur wollte ich auch meine Frau... Dr. Schimmelpfennig (dreht seinen Bart und starrt auf die Erde. Unter Nachdenken). Kaufen Sie doch Ihrer Frau irgend wo anders eine Villa...
einigermaßen verantwortlich iſt, ich habe ihr bereits ſelbſt einiges geſagt — über die Folgen des Schnürens. Hoffmann. Ganz gewiß, Herr Doctor...ich will ganz gewiß mein Möglichſtes thun, ihr... Dr. Schimmelpfennig (ſich ein wenig linkiſch verbeugend) Empfehle mich (geht, bleibt wieder ſtehen), ach ſo!...Sie wollten ja meinen Rath hören (er blickt Hoffmann kalt an). Hoffmann. Ja, wenn Sie noch einen Augenblick Zeit hätten... (nicht ohne Affectirtheit:) Sie kennen das ent- ſetzliche Ende meines erſten Jungen. Sie haben es ja ganz aus der Nähe geſehen. Wie weit ich damals war, wiſſen Sie ja wohl auch. — Man glaubt es nicht dennoch: die Zeit mildert!..........Schließlich habe ich ſogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein ſehnlichſter Wunſch ſoll, wie es ſcheint, erfüllt werden. Sie werden begreifen, daß ich Alles thun muß...es hat mich ſchlafloſe Nächte genug gekoſtet und doch weiß ich noch nicht, noch immer nicht, wie ich es anſtellen ſoll, um das jetzt noch ungeborene Geſchöpf vor dem furcht- baren Schickſale ſeines Brüderchens zu bewahren. Und das iſt es, weshalb ich Sie.... Dr. Schimmelpfennig (trocken und geſchäftsmäßig). Von ſeiner Mutter trennen: Grundbedingung einer gedeih- lichen Entwickelung. Hoffmann. Alſo doch?! — meinen Sie, völlig trennen?...ſoll es auch nicht in demſelben Hauſe mit ihr...? Dr. Schimmelpfennig. Nein, wenn es Ihnen ernſt iſt um die Erhaltung Ihres Kindes, dann nicht. Ihr Vermögen geſtattet Ihnen ja in dieſer Beziehung die freieſte Bewegung. Hoffmann. Gott ſei Dank, ja! Ich habe auch ſchon in der Nähe von Hirſchberg eine Villa mit ſehr großem Park angekauft. Nur wollte ich auch meine Frau... Dr. Schimmelpfennig (dreht ſeinen Bart und ſtarrt auf die Erde. Unter Nachdenken). Kaufen Sie doch Ihrer Frau irgend wo anders eine Villa... <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SCH"> <p><pb facs="#f0059" n="53"/> einigermaßen verantwortlich iſt, ich habe ihr bereits<lb/> ſelbſt einiges geſagt — über die Folgen des Schnürens.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Ganz gewiß, Herr Doctor...ich<lb/> will ganz gewiß mein Möglichſtes thun, ihr...</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi> </speaker> <p><stage>(ſich ein wenig linkiſch verbeugend)</stage><lb/> Empfehle mich <stage>(geht, bleibt wieder ſtehen),</stage> ach ſo!...Sie<lb/> wollten ja meinen Rath hören <stage>(er blickt Hoffmann kalt an).</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Ja, wenn Sie noch einen Augenblick<lb/> Zeit hätten...<stage>(nicht ohne Affectirtheit:)</stage> Sie kennen das ent-<lb/> ſetzliche Ende meines erſten Jungen. Sie haben es ja<lb/> ganz aus der Nähe geſehen. Wie weit <hi rendition="#g">ich</hi> damals war,<lb/> wiſſen Sie ja wohl auch. — Man glaubt es nicht<lb/> dennoch: die Zeit mildert!..........Schließlich<lb/> habe ich ſogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein<lb/> ſehnlichſter Wunſch ſoll, wie es ſcheint, erfüllt werden.<lb/> Sie werden begreifen, daß ich Alles thun muß...es hat<lb/> mich ſchlafloſe Nächte genug gekoſtet und doch weiß ich<lb/> noch nicht, noch <hi rendition="#g">immer</hi> nicht, wie ich es anſtellen ſoll,<lb/> um das jetzt noch ungeborene Geſchöpf vor dem furcht-<lb/> baren Schickſale ſeines Brüderchens zu bewahren. Und<lb/> das iſt es, weshalb ich Sie....</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi> </speaker> <p><stage>(trocken und geſchäftsmäßig).</stage> Von<lb/> ſeiner Mutter trennen: Grundbedingung einer gedeih-<lb/> lichen Entwickelung.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Alſo doch?! — meinen Sie, völlig<lb/> trennen?...ſoll es auch nicht in demſelben Hauſe mit<lb/> ihr...?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker> <p>Nein, wenn es Ihnen<lb/> ernſt iſt um die Erhaltung Ihres Kindes, dann nicht.<lb/> Ihr Vermögen geſtattet Ihnen ja in dieſer Beziehung<lb/> die freieſte Bewegung.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Gott ſei Dank, ja! Ich habe auch<lb/> ſchon in der Nähe von Hirſchberg eine Villa mit ſehr<lb/> großem Park angekauft. Nur wollte ich auch meine Frau...</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi> </speaker> <p><stage>(dreht ſeinen Bart und ſtarrt auf<lb/> die Erde. Unter Nachdenken).</stage> Kaufen Sie doch Ihrer Frau<lb/> irgend wo anders eine Villa...</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [53/0059]
einigermaßen verantwortlich iſt, ich habe ihr bereits
ſelbſt einiges geſagt — über die Folgen des Schnürens.
Hoffmann. Ganz gewiß, Herr Doctor...ich
will ganz gewiß mein Möglichſtes thun, ihr...
Dr. Schimmelpfennig (ſich ein wenig linkiſch verbeugend)
Empfehle mich (geht, bleibt wieder ſtehen), ach ſo!...Sie
wollten ja meinen Rath hören (er blickt Hoffmann kalt an).
Hoffmann. Ja, wenn Sie noch einen Augenblick
Zeit hätten...(nicht ohne Affectirtheit:) Sie kennen das ent-
ſetzliche Ende meines erſten Jungen. Sie haben es ja
ganz aus der Nähe geſehen. Wie weit ich damals war,
wiſſen Sie ja wohl auch. — Man glaubt es nicht
dennoch: die Zeit mildert!..........Schließlich
habe ich ſogar noch Grund zur Dankbarkeit, mein
ſehnlichſter Wunſch ſoll, wie es ſcheint, erfüllt werden.
Sie werden begreifen, daß ich Alles thun muß...es hat
mich ſchlafloſe Nächte genug gekoſtet und doch weiß ich
noch nicht, noch immer nicht, wie ich es anſtellen ſoll,
um das jetzt noch ungeborene Geſchöpf vor dem furcht-
baren Schickſale ſeines Brüderchens zu bewahren. Und
das iſt es, weshalb ich Sie....
Dr. Schimmelpfennig (trocken und geſchäftsmäßig). Von
ſeiner Mutter trennen: Grundbedingung einer gedeih-
lichen Entwickelung.
Hoffmann. Alſo doch?! — meinen Sie, völlig
trennen?...ſoll es auch nicht in demſelben Hauſe mit
ihr...?
Dr. Schimmelpfennig. Nein, wenn es Ihnen
ernſt iſt um die Erhaltung Ihres Kindes, dann nicht.
Ihr Vermögen geſtattet Ihnen ja in dieſer Beziehung
die freieſte Bewegung.
Hoffmann. Gott ſei Dank, ja! Ich habe auch
ſchon in der Nähe von Hirſchberg eine Villa mit ſehr
großem Park angekauft. Nur wollte ich auch meine Frau...
Dr. Schimmelpfennig (dreht ſeinen Bart und ſtarrt auf
die Erde. Unter Nachdenken). Kaufen Sie doch Ihrer Frau
irgend wo anders eine Villa...
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/59>, abgerufen am 16.02.2025. |