Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
das gut sein, tröste Dich mit mir. -- Ich brauche Dir von Deiner Schwester nicht zu sprechen. (Heiß und mit Innig- keit, indem er sie enger umschlingt:) Ja, wäre sie wie Du bist!...... So aber...sag selbst: Was kann sie mir sein? -- Wo lebt ein Mann, Lenchen, ein gebildeter Mann, (leiser) dessen Frau von einer so unglückseligen Leidenschaft befallen ist? -- Man darf es gar nicht laut sagen: eine Frau -- und -- Branntwein................ Nun, sprich, bin ich glücklicher?....Denk an mein Fritzchen! -- nun?.....bin ich am Ende besser dran, wie?......... (Immer leidenschaftlicher) Siehst Du: so hat's das Schicksal schließlich noch gut gemeint. Es hat uns zu einander gebracht. -- Wir gehören für ein- ander! Wir sind zu Freunden voraus bestimmt, mit unsren gleichen Leiden. Nicht, Lenchen? (Er umschlingt sie ganz. Sie läßt es geschehen, aber mit einem Ausdruck, der besagt, daß sie sich zum Dulden zwingt. Sie ist still geworden und scheint mit zitternder Spannung etwas zu erwarten, irgend eine Gewißheit, eine Enthüllung, die unfehlbar herankommt. Hoffmann (zärtlich). Du solltest meinem Vorschlag folgen, solltest dies Haus verlassen, bei uns wohnen. -- Das Kindchen das kommt braucht eine Mutter. -- Komm! sei Du ihm das (leidenschaftlich gerührt, sentimental), sonst hat es eben keine Mutter. Und dann: -- bring' ein wenig, nur ein ganz, ganz klein wenig Licht in mein Leben. Thuu's! -- thu--'s! (Er will seinen Kopf an ihre Brust lehnen. Sie springt auf, empört. In ihren Mienen verräth sich Ver- achtung, Ueberraschung, Ekel, Haß.) Helene. Schwager! Du bist, Du bist..... jetzt kenn' ich Dich durch und durch. Bisher hab ich's nur so dunkel gefühlt. Jetzt weiß ich's ganz gewiß. Hoffmann (überrascht, fassungslos). Was...? Helene... ..einzig, wirklich. Helene. Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß Du nicht um ein Haar besser bist....was denn! schlechter bist Du, der Schlecht'ste von Allen hier! Hoffmann (steht auf; mit angenommener Kälte). Dein Be- tragen heut ist sehr eigenthümlich, weißt Du! Helene (tritt nahe zu ihm). Du gehst doch nur auf das
das gut ſein, tröſte Dich mit mir. — Ich brauche Dir von Deiner Schweſter nicht zu ſprechen. (Heiß und mit Innig- keit, indem er ſie enger umſchlingt:) Ja, wäre ſie wie Du biſt!...... So aber...ſag ſelbſt: Was kann ſie mir ſein? — Wo lebt ein Mann, Lenchen, ein gebildeter Mann, (leiſer) deſſen Frau von einer ſo unglückſeligen Leidenſchaft befallen iſt? — Man darf es gar nicht laut ſagen: eine Frau — und — Branntwein................ Nun, ſprich, bin ich glücklicher?....Denk an mein Fritzchen! — nun?.....bin ich am Ende beſſer dran, wie?......... (Immer leidenſchaftlicher) Siehſt Du: ſo hat's das Schickſal ſchließlich noch gut gemeint. Es hat uns zu einander gebracht. — Wir gehören für ein- ander! Wir ſind zu Freunden voraus beſtimmt, mit unſren gleichen Leiden. Nicht, Lenchen? (Er umſchlingt ſie ganz. Sie läßt es geſchehen, aber mit einem Ausdruck, der beſagt, daß ſie ſich zum Dulden zwingt. Sie iſt ſtill geworden und ſcheint mit zitternder Spannung etwas zu erwarten, irgend eine Gewißheit, eine Enthüllung, die unfehlbar herankommt. Hoffmann (zärtlich). Du ſollteſt meinem Vorſchlag folgen, ſollteſt dies Haus verlaſſen, bei uns wohnen. — Das Kindchen das kommt braucht eine Mutter. — Komm! ſei Du ihm das (leidenſchaftlich gerührt, ſentimental), ſonſt hat es eben keine Mutter. Und dann: — bring' ein wenig, nur ein ganz, ganz klein wenig Licht in mein Leben. Thuu's! — thu—'s! (Er will ſeinen Kopf an ihre Bruſt lehnen. Sie ſpringt auf, empört. In ihren Mienen verräth ſich Ver- achtung, Ueberraſchung, Ekel, Haß.) Helene. Schwager! Du biſt, Du biſt..... jetzt kenn' ich Dich durch und durch. Bisher hab ich's nur ſo dunkel gefühlt. Jetzt weiß ich's ganz gewiß. Hoffmann (überraſcht, faſſungslos). Was...? Helene... ..einzig, wirklich. Helene. Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß Du nicht um ein Haar beſſer biſt....was denn! ſchlechter biſt Du, der Schlecht'ſte von Allen hier! 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So aber...ſag ſelbſt: Was kann ſie mir ſein? —
Wo lebt ein Mann, Lenchen, ein gebildeter Mann,
(leiſer) deſſen Frau von einer ſo unglückſeligen Leidenſchaft
befallen iſt? — Man darf es gar nicht laut ſagen:
eine Frau — und — Branntwein................
Nun, ſprich, bin ich glücklicher?....Denk an mein
Fritzchen! — nun?.....bin ich am Ende beſſer
dran, wie?.........(Immer leidenſchaftlicher) Siehſt Du:
ſo hat's das Schickſal ſchließlich noch gut gemeint. Es
hat uns zu einander gebracht. — Wir gehören für ein-
ander! Wir ſind zu Freunden voraus beſtimmt, mit
unſren gleichen Leiden. Nicht, Lenchen? (Er umſchlingt ſie
ganz. Sie läßt es geſchehen, aber mit einem Ausdruck, der beſagt, daß ſie ſich
zum Dulden zwingt. Sie iſt ſtill geworden und ſcheint mit zitternder Spannung
etwas zu erwarten, irgend eine Gewißheit, eine Enthüllung, die unfehlbar
herankommt.
Hoffmann (zärtlich). Du ſollteſt meinem Vorſchlag
folgen, ſollteſt dies Haus verlaſſen, bei uns wohnen. —
Das Kindchen das kommt braucht eine Mutter. —
Komm! ſei Du ihm das (leidenſchaftlich gerührt, ſentimental),
ſonſt hat es eben keine Mutter. Und dann: — bring'
ein wenig, nur ein ganz, ganz klein wenig Licht in mein
Leben. Thuu's! — thu—'s! (Er will ſeinen Kopf an ihre
Bruſt lehnen. Sie ſpringt auf, empört. In ihren Mienen verräth ſich Ver-
achtung, Ueberraſchung, Ekel, Haß.)
Helene. Schwager! Du biſt, Du biſt.....
jetzt kenn' ich Dich durch und durch. Bisher hab ich's
nur ſo dunkel gefühlt. Jetzt weiß ich's ganz gewiß.
Hoffmann (überraſcht, faſſungslos). Was...? Helene...
..einzig, wirklich.
Helene. Jetzt weiß ich ganz gewiß, daß Du nicht
um ein Haar beſſer biſt....was denn! ſchlechter biſt
Du, der Schlecht'ſte von Allen hier!
Hoffmann (ſteht auf; mit angenommener Kälte). Dein Be-
tragen heut iſt ſehr eigenthümlich, weißt Du!
Helene (tritt nahe zu ihm). Du gehſt doch nur auf das
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