Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
zu legen. Helene wehrt es ab.) Ach nein doch....! Ich habe mich Dir...Ihnen an den Hals geworfen. Loth. Ach! sagen Sie doch nicht so etwas. Helene. Aber ich bin nicht schuld, Sie haben sich's selbst zuzuschreiben. Warum verlangen Sie..... (Loth legt nochmals seinen Arm um sie, zieht sie fester an sich. Anfangs sträubt sie sich ein wenig, dann giebt sie sich drein und blickt nun mit freier Glückseligkeit in Loth's glücktrunkenes Gesicht, das sich über dasihre beugt. Unversehens, aus einer gewissen Schüchternheit heraus küßt sie ihn zuerst auf den Mund. Beide werden roth, dann giebt Loth ihr den Kuß zurück; lang, innig, fest drückt sich sein Mund auf den ihren. Ein Geben und Nehmen von Küssen ist eine Zeit hindurch die einzige Unterhaltung -- stumm und beredt zugleich -- der Beiden. Loth spricht dann zuerst.) Loth. Lene, nicht? Lene heißt Du hier so? Helene (küßt ihn....). Nenn mich anders...... Nenne mich, wie Du gern möcht'st. Loth. Liebste!........... (Das Spiel mit dem Küssetauschen und sich gegenseitig Betrachten wiederholt sich.) Helene (von Loth's Armen fest umschlungen, ihren Kopf an seiner Brust, mit verschleierten glückseligen Augen, flüstert im Ueberschwang). Ach! -- wie schön! Wie schön --!!! Loth. So mit Dir sterben! Helene (mit Inbrunst). Leben!.... (Sie löst sich aus seinen Armen). Warum denn jetzt sterben?.....jetzt... Loth. Das mußt Du nicht falsch auffassen. Von jeher berausche ich mich....besonders in glücklichen Momenten berausche ich mich in dem Bewußtsein, es in der Hand zu haben, weißt Du! Helene. Den Tod in der Hand zu haben? Loth (ohne jede Sentimentalität). Ja! und so hat er gar nichts Grausiges, im Gegentheil, so etwas Freundschaft- liches hat er für mich. Man ruft und weiß bestimmt, daß er kommt. Man kann sich dadurch über alles Mög- liche hinwegheben, Vergangenes -- und Zukünftiges.... Helenen's Hand betrachtend). Du hast eine so wunderhübsche Hand. (Er streichelt sie.) Helene. Ach ja! -- so..... (Sie drückt sich auf's Neue in seine Arme.) ............. ..................
zu legen. Helene wehrt es ab.) Ach nein doch....! Ich habe mich Dir...Ihnen an den Hals geworfen. Loth. Ach! ſagen Sie doch nicht ſo etwas. Helene. Aber ich bin nicht ſchuld, Sie haben ſich's ſelbſt zuzuſchreiben. Warum verlangen Sie..... (Loth legt nochmals ſeinen Arm um ſie, zieht ſie feſter an ſich. Anfangs ſträubt ſie ſich ein wenig, dann giebt ſie ſich drein und blickt nun mit freier Glückſeligkeit in Loth's glücktrunkenes Geſicht, das ſich über dasihre beugt. Unverſehens, aus einer gewiſſen Schüchternheit heraus küßt ſie ihn zuerſt auf den Mund. Beide werden roth, dann giebt Loth ihr den Kuß zurück; lang, innig, feſt drückt ſich ſein Mund auf den ihren. Ein Geben und Nehmen von Küſſen iſt eine Zeit hindurch die einzige Unterhaltung — ſtumm und beredt zugleich — der Beiden. Loth ſpricht dann zuerſt.) Loth. Lene, nicht? Lene heißt Du hier ſo? Helene (küßt ihn....). Nenn mich anders...... Nenne mich, wie Du gern möcht'ſt. Loth. Liebſte!........... (Das Spiel mit dem Küſſetauſchen und ſich gegenſeitig Betrachten wiederholt ſich.) Helene (von Loth's Armen feſt umſchlungen, ihren Kopf an ſeiner Bruſt, mit verſchleierten glückſeligen Augen, flüſtert im Ueberſchwang). Ach! — wie ſchön! Wie ſchön —!!! Loth. So mit Dir ſterben! Helene (mit Inbrunſt). Leben!.... (Sie löſt ſich aus ſeinen Armen). Warum denn jetzt ſterben?.....jetzt... Loth. Das mußt Du nicht falſch auffaſſen. Von jeher berauſche ich mich....beſonders in glücklichen Momenten berauſche ich mich in dem Bewußtſein, es in der Hand zu haben, weißt Du! Helene. Den Tod in der Hand zu haben? Loth (ohne jede Sentimentalität). Ja! und ſo hat er gar nichts Grauſiges, im Gegentheil, ſo etwas Freundſchaft- liches hat er für mich. Man ruft und weiß beſtimmt, daß er kommt. Man kann ſich dadurch über alles Mög- liche hinwegheben, Vergangenes — und Zukünftiges.... Helenen's Hand betrachtend). Du haſt eine ſo wunderhübſche Hand. (Er ſtreichelt ſie.) Helene. Ach ja! — ſo..... 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Helene. Aber ich bin nicht ſchuld, Sie haben
ſich's ſelbſt zuzuſchreiben. Warum verlangen Sie.....
(Loth legt nochmals ſeinen Arm um ſie, zieht ſie feſter an ſich. Anfangs
ſträubt ſie ſich ein wenig, dann giebt ſie ſich drein und blickt nun mit freier
Glückſeligkeit in Loth's glücktrunkenes Geſicht, das ſich über dasihre beugt.
Unverſehens, aus einer gewiſſen Schüchternheit heraus küßt ſie ihn zuerſt auf
den Mund. Beide werden roth, dann giebt Loth ihr den Kuß zurück; lang,
innig, feſt drückt ſich ſein Mund auf den ihren. Ein Geben und Nehmen von
Küſſen iſt eine Zeit hindurch die einzige Unterhaltung — ſtumm und beredt
zugleich — der Beiden. Loth ſpricht dann zuerſt.)
Loth. Lene, nicht? Lene heißt Du hier ſo?
Helene (küßt ihn....). Nenn mich anders......
Nenne mich, wie Du gern möcht'ſt.
Loth. Liebſte!...........
(Das Spiel mit dem Küſſetauſchen und ſich gegenſeitig Betrachten wiederholt ſich.)
Helene (von Loth's Armen feſt umſchlungen, ihren Kopf an ſeiner
Bruſt, mit verſchleierten glückſeligen Augen, flüſtert im Ueberſchwang). Ach!
— wie ſchön! Wie ſchön —!!!
Loth. So mit Dir ſterben!
Helene (mit Inbrunſt). Leben!....(Sie löſt ſich aus ſeinen
Armen). Warum denn jetzt ſterben?.....jetzt...
Loth. Das mußt Du nicht falſch auffaſſen. Von
jeher berauſche ich mich....beſonders in glücklichen
Momenten berauſche ich mich in dem Bewußtſein, es in
der Hand zu haben, weißt Du!
Helene. Den Tod in der Hand zu haben?
Loth (ohne jede Sentimentalität). Ja! und ſo hat er gar
nichts Grauſiges, im Gegentheil, ſo etwas Freundſchaft-
liches hat er für mich. Man ruft und weiß beſtimmt,
daß er kommt. Man kann ſich dadurch über alles Mög-
liche hinwegheben, Vergangenes — und Zukünftiges....
Helenen's Hand betrachtend). Du haſt eine ſo wunderhübſche
Hand. (Er ſtreichelt ſie.)
Helene. Ach ja! — ſo.....(Sie drückt ſich auf's
Neue in ſeine Arme.).............
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