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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 130, Hamburg, 2. Juni 1832.

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Staats und [Abbildung] Gelehrte
Zei   tung
des Hamburgischen unpartheiischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1832.   Am Sonntage, den 2 Juni.
No. 130.



Verlegt von den Grundschen Erben.



[Beginn Spaltensatz]

General Solignac ist am 23 d. von Nantes wie-
der auf eine Rundreise nach den westlichen Depar-
tements, wo es fortwährend sehr unruhig aussieht,
abgegangen. An demselben Tage verlas Oberst Ro-
bineau vor dem gesammten Generalstabe der dorti-
gen Nationalgarde ein an ihn gerichtetes Schreiben
des Kronprinzen, welches mehrere merkwürdige
Stellen enthielt. Der Prinz äußert darin die An-
sicht, es werde den örtlichen Behörden schwer werden,
die Chouans auszurotten, wenn sie nicht von Paris
stete Unterstützung und Aufmunterung erhielten, die
er jederzeit ernstlich in Anspruch genommen habe.
"Jch habe stets geglaubt und wiederholt, schreibt
der Prinz, man müsse nicht allein unsern Feinden
allen Antheil und allen Einfluß in der Administra-
tion entziehen, sondern ihnen auch deutlich zu ver-
stehen geben, daß sie ihre Feindseligkeit schon be-
reuen würden, zugleich aber die Vertheidiger unsrer
Fahne und unsrer Jnstitutionen aufmuntern und
belohnen, um ihre Bestrebungen zu fördern. Diese
Sprache hätte ich selbst in Nantes führen und sie
auf eine Weise belegen wollen, daß auch die be-
schränktesten Geister einsehen müßten, wie ich stets
bereit bin, den Patrioten des Westens mit Allem,
auch mit meinem Arme beizustehen. Jch glaube
inzwischen nicht, daß eine Auferstehung der weißen
Fahne zu besorgen sey: dem Volke wird sie immer
nur als ein Symbol der Knechtschaft und des gött-
lichen Rechtes erscheinen, und es würde in Frank-
reich nicht an Männern fehlen, entschlossen, gleich
mir, ihr Leben und ihr Alles lieber zu opfern, als
irgend etwas zu dulden, was den Lehren gliche,
deren Symbol jenes Panier ist." Weiter bedauert
der Prinz, durch den Feldzug nach Belgien, wohin
ihn seine Pflicht als Soldat und Freund der Frei-
heit berufen, sodann durch die Ereignisse zu Lyon,
[Spaltenumbruch] die strenge Jahrszeit und endlich die Cholera an
seiner Reise nach Nantes verhindert worden zu seyn.
Er hofft jedoch, dieselbe bald unternehmen zu kön-
nen, um nach seiner Rückkehr persönlich bei den
Ministern die Angelegenheiten des Westens vertreten
zu können, insbesondre die der Stadt Nantes, die als
Mittelpunkt desselben zum Brennpunkte der Aufklä-
rung und des Wohlstandes erhoben werden müßte.
Dieses Schreiben, vom 4 d. datirt, schließt mit der
Anzeige einer Sendung von 3000 Fr. an die dorti-
gen Cholera-Kranken.

Zu Bourbon-Vendee hat man 4000 englische Ge-
wehre weggenommen. Alle Straßen der Vendee sind
mit Geistlichen bedeckt, die sich zu geheimen Ver-
einen begeben. Zu Poitiers hat die Nationalgarde
feierlichst zwei dreifarbige Fahnen auf dem Pariser
Thore aufgepflanzt; die ganze Bevölkerung äußerte
den lebhaftesten Enthusiasmus, und die Bewaffneten
leisteten den Eid, jene Fahnen auf Tod und Leben
zu vertheidigen. Dagegen hat die Behörde den dor-
tigen Volksclubb schließen lassen; er hält aber den-
noch seine Sitzungen in Vereinen von weniger als
20 Personen. Auch auf Corsica haben die Carlisten
sich geregt: zu Cervione ist ein Mensch verhaftet
worden, der eine weiße Fahne trug: zu Bellegarde
(Loiret) ist ein Korn-Auflauf, zu Laval (Mayenne)
ein Handgemenge zwischen Militär und jungen Leu-
ten, zu Fumay (Ardennen) ein ernstlicher Tumult
unter den Arbeitern eines Schieferbruchs, zu Be-
darieur ein Angriff gegen die Gendarmerie vorge-
fallen. Am 20 d. wurde zu Angers ein hölzernes
Gebäude, welches die Municivalität auf dem Boule-
vard St. Nicolas hatte aufführen lassen, um im
Nothfalle die Cholera-Kranken darin aufnehmen zu
können, von einem Trupp Volkes zerstört.

Ein Schreiben aus Nizza vom 16 d. meldet,
der Graf v. Roubion habe von seinem Schwager,

Staats und [Abbildung] Gelehrte
Zei   tung
des Hamburgiſchen unpartheiiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1832.   Am Sonntage, den 2 Juni.
No. 130.



Verlegt von den Grundſchen Erben.



[Beginn Spaltensatz]

General Solignac iſt am 23 d. von Nantes wie-
der auf eine Rundreiſe nach den weſtlichen Depar-
tements, wo es fortwährend ſehr unruhig ausſieht,
abgegangen. An demſelben Tage verlas Oberſt Ro-
bineau vor dem geſammten Generalſtabe der dorti-
gen Nationalgarde ein an ihn gerichtetes Schreiben
des Kronprinzen, welches mehrere merkwürdige
Stellen enthielt. Der Prinz äußert darin die An-
ſicht, es werde den örtlichen Behörden ſchwer werden,
die Chouans auszurotten, wenn ſie nicht von Paris
ſtete Unterſtützung und Aufmunterung erhielten, die
er jederzeit ernſtlich in Anſpruch genommen habe.
“Jch habe ſtets geglaubt und wiederholt, ſchreibt
der Prinz, man müſſe nicht allein unſern Feinden
allen Antheil und allen Einfluß in der Adminiſtra-
tion entziehen, ſondern ihnen auch deutlich zu ver-
ſtehen geben, daß ſie ihre Feindſeligkeit ſchon be-
reuen würden, zugleich aber die Vertheidiger unſrer
Fahne und unſrer Jnſtitutionen aufmuntern und
belohnen, um ihre Beſtrebungen zu fördern. Dieſe
Sprache hätte ich ſelbſt in Nantes führen und ſie
auf eine Weiſe belegen wollen, daß auch die be-
ſchränkteſten Geiſter einſehen müßten, wie ich ſtets
bereit bin, den Patrioten des Weſtens mit Allem,
auch mit meinem Arme beizuſtehen. Jch glaube
inzwiſchen nicht, daß eine Auferſtehung der weißen
Fahne zu beſorgen ſey: dem Volke wird ſie immer
nur als ein Symbol der Knechtſchaft und des gött-
lichen Rechtes erſcheinen, und es würde in Frank-
reich nicht an Männern fehlen, entſchloſſen, gleich
mir, ihr Leben und ihr Alles lieber zu opfern, als
irgend etwas zu dulden, was den Lehren gliche,
deren Symbol jenes Panier iſt.” Weiter bedauert
der Prinz, durch den Feldzug nach Belgien, wohin
ihn ſeine Pflicht als Soldat und Freund der Frei-
heit berufen, ſodann durch die Ereigniſſe zu Lyon,
[Spaltenumbruch] die ſtrenge Jahrszeit und endlich die Cholera an
ſeiner Reiſe nach Nantes verhindert worden zu ſeyn.
Er hofft jedoch, dieſelbe bald unternehmen zu kön-
nen, um nach ſeiner Rückkehr perſönlich bei den
Miniſtern die Angelegenheiten des Weſtens vertreten
zu können, insbeſondre die der Stadt Nantes, die als
Mittelpunkt deſſelben zum Brennpunkte der Aufklä-
rung und des Wohlſtandes erhoben werden müßte.
Dieſes Schreiben, vom 4 d. datirt, ſchließt mit der
Anzeige einer Sendung von 3000 Fr. an die dorti-
gen Cholera-Kranken.

Zu Bourbon-Vendee hat man 4000 engliſche Ge-
wehre weggenommen. Alle Straßen der Vendee ſind
mit Geiſtlichen bedeckt, die ſich zu geheimen Ver-
einen begeben. Zu Poitiers hat die Nationalgarde
feierlichſt zwei dreifarbige Fahnen auf dem Pariſer
Thore aufgepflanzt; die ganze Bevölkerung äußerte
den lebhafteſten Enthuſiasmus, und die Bewaffneten
leiſteten den Eid, jene Fahnen auf Tod und Leben
zu vertheidigen. Dagegen hat die Behörde den dor-
tigen Volksclubb ſchließen laſſen; er hält aber den-
noch ſeine Sitzungen in Vereinen von weniger als
20 Perſonen. Auch auf Corſica haben die Carliſten
ſich geregt: zu Cervione iſt ein Menſch verhaftet
worden, der eine weiße Fahne trug: zu Bellegarde
(Loiret) iſt ein Korn-Auflauf, zu Laval (Mayenne)
ein Handgemenge zwiſchen Militär und jungen Leu-
ten, zu Fumay (Ardennen) ein ernſtlicher Tumult
unter den Arbeitern eines Schieferbruchs, zu Be-
darieur ein Angriff gegen die Gendarmerie vorge-
fallen. Am 20 d. wurde zu Angers ein hölzernes
Gebäude, welches die Municivalität auf dem Boule-
vard St. Nicolas hatte aufführen laſſen, um im
Nothfalle die Cholera-Kranken darin aufnehmen zu
können, von einem Trupp Volkes zerſtört.

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der Graf v. Roubion habe von ſeinem Schwager,

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[[1]/0001] Staats und [Abbildung] Gelehrte Zei tung des Hamburgiſchen unpartheiiſchen CORRESPONDENTEN. Anno 1832. Am Sonntage, den 2 Juni. No. 130. Verlegt von den Grundſchen Erben. Paris, den 26 Mai. General Solignac iſt am 23 d. von Nantes wie- der auf eine Rundreiſe nach den weſtlichen Depar- tements, wo es fortwährend ſehr unruhig ausſieht, abgegangen. An demſelben Tage verlas Oberſt Ro- bineau vor dem geſammten Generalſtabe der dorti- gen Nationalgarde ein an ihn gerichtetes Schreiben des Kronprinzen, welches mehrere merkwürdige Stellen enthielt. Der Prinz äußert darin die An- ſicht, es werde den örtlichen Behörden ſchwer werden, die Chouans auszurotten, wenn ſie nicht von Paris ſtete Unterſtützung und Aufmunterung erhielten, die er jederzeit ernſtlich in Anſpruch genommen habe. “Jch habe ſtets geglaubt und wiederholt, ſchreibt der Prinz, man müſſe nicht allein unſern Feinden allen Antheil und allen Einfluß in der Adminiſtra- tion entziehen, ſondern ihnen auch deutlich zu ver- ſtehen geben, daß ſie ihre Feindſeligkeit ſchon be- reuen würden, zugleich aber die Vertheidiger unſrer Fahne und unſrer Jnſtitutionen aufmuntern und belohnen, um ihre Beſtrebungen zu fördern. Dieſe Sprache hätte ich ſelbſt in Nantes führen und ſie auf eine Weiſe belegen wollen, daß auch die be- ſchränkteſten Geiſter einſehen müßten, wie ich ſtets bereit bin, den Patrioten des Weſtens mit Allem, auch mit meinem Arme beizuſtehen. Jch glaube inzwiſchen nicht, daß eine Auferſtehung der weißen Fahne zu beſorgen ſey: dem Volke wird ſie immer nur als ein Symbol der Knechtſchaft und des gött- lichen Rechtes erſcheinen, und es würde in Frank- reich nicht an Männern fehlen, entſchloſſen, gleich mir, ihr Leben und ihr Alles lieber zu opfern, als irgend etwas zu dulden, was den Lehren gliche, deren Symbol jenes Panier iſt.” Weiter bedauert der Prinz, durch den Feldzug nach Belgien, wohin ihn ſeine Pflicht als Soldat und Freund der Frei- heit berufen, ſodann durch die Ereigniſſe zu Lyon, die ſtrenge Jahrszeit und endlich die Cholera an ſeiner Reiſe nach Nantes verhindert worden zu ſeyn. Er hofft jedoch, dieſelbe bald unternehmen zu kön- nen, um nach ſeiner Rückkehr perſönlich bei den Miniſtern die Angelegenheiten des Weſtens vertreten zu können, insbeſondre die der Stadt Nantes, die als Mittelpunkt deſſelben zum Brennpunkte der Aufklä- rung und des Wohlſtandes erhoben werden müßte. Dieſes Schreiben, vom 4 d. datirt, ſchließt mit der Anzeige einer Sendung von 3000 Fr. an die dorti- gen Cholera-Kranken. Zu Bourbon-Vendee hat man 4000 engliſche Ge- wehre weggenommen. Alle Straßen der Vendee ſind mit Geiſtlichen bedeckt, die ſich zu geheimen Ver- einen begeben. Zu Poitiers hat die Nationalgarde feierlichſt zwei dreifarbige Fahnen auf dem Pariſer Thore aufgepflanzt; die ganze Bevölkerung äußerte den lebhafteſten Enthuſiasmus, und die Bewaffneten leiſteten den Eid, jene Fahnen auf Tod und Leben zu vertheidigen. Dagegen hat die Behörde den dor- tigen Volksclubb ſchließen laſſen; er hält aber den- noch ſeine Sitzungen in Vereinen von weniger als 20 Perſonen. Auch auf Corſica haben die Carliſten ſich geregt: zu Cervione iſt ein Menſch verhaftet worden, der eine weiße Fahne trug: zu Bellegarde (Loiret) iſt ein Korn-Auflauf, zu Laval (Mayenne) ein Handgemenge zwiſchen Militär und jungen Leu- ten, zu Fumay (Ardennen) ein ernſtlicher Tumult unter den Arbeitern eines Schieferbruchs, zu Be- darieur ein Angriff gegen die Gendarmerie vorge- fallen. Am 20 d. wurde zu Angers ein hölzernes Gebäude, welches die Municivalität auf dem Boule- vard St. Nicolas hatte aufführen laſſen, um im Nothfalle die Cholera-Kranken darin aufnehmen zu können, von einem Trupp Volkes zerſtört. Ein Schreiben aus Nizza vom 16 d. meldet, der Graf v. Roubion habe von ſeinem Schwager,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-09-26T13:06:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 130, Hamburg, 2. Juni 1832, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1300206_1832/1>, abgerufen am 21.11.2024.