Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 133, Hamburg, 6. Juni 1832.[Spaltenumbruch]
gen, 300,000 Fr. herzugeben. Grüne Bänder, fal- N. S. Bis heute Nachmittag ist General La- Folgendes ist der von 41 Deputirten unterzeich- nete Rechenschafts-Bericht der Opposition: An unsre Committenten. Die unterzeichneten, in Paris anwesenden Depu- [Spaltenumbruch]
gen, 300,000 Fr. herzugeben. Grüne Bänder, fal- N. S. Bis heute Nachmittag iſt General La- Folgendes iſt der von 41 Deputirten unterzeich- nete Rechenſchafts-Bericht der Oppoſition: An unſre Committenten. Die unterzeichneten, in Paris anweſenden Depu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="[2]"/><cb/> gen, 300,000 Fr. herzugeben. Grüne Bänder, fal-<lb/> ſche Münzen mit dem Bildniſſe Heinrich <hi rendition="#aq">V.,</hi> Pro-<lb/> clamationen an die Soldaten, unterzeichnet: “Ma-<lb/> rie Caroline, Regentin von Frankreich”, werden in<lb/> Maſſe ausgeſtreut. Hr. de Labourdonnaye, der ſich<lb/> bisher beſtändig auf ſeinem Landgute aufhielt, war<lb/> ſeit einigen Tagen nach Angers zurückgekehrt, woraus<lb/> man ſchloß, daß er dieſen Aufſtand mißbillige. Die<lb/> Nationalgarden in den Städten waren auf ihrer<lb/> Hut und beſtändig in Uniform; ihr Benehmen wird<lb/> ſehr gelobt. Jn dem Treffen bei Chateau-Gontier<lb/> ſollen 20 Mann von beiden Seiten geblieben ſeyn. —<lb/> Ein Schreiben aus <hi rendition="#fr">Mans</hi> vom 26 v. M. ſpricht<lb/> von dem Erſcheinen anſehnlicher Banden in dieſer<lb/> Gegend. Der Präfect hatte die Nationalgarden aus<lb/> mehreren kleineren Städten aufgeboten, die mit dem<lb/> größten Eifer herbeieilten. Auf allen Straßen und<lb/> öffentlichen Plätzen hörte man die Marſeillaiſe und<lb/> die Pariſienne ſingen. Die Freiwilligen ließen ſich<lb/> nicht halten und zogen noch in der Nacht nach Vallon ab.<lb/> Jn der Ferne hörte man ein ſtarkes Gewehrfeuer. Am<lb/> 27 v. M. ſoll es zu einem förmlichen Treffen zwiſchen<lb/> den Rebellen und den vereinigten Linientruppen und<lb/> Nationalgarden gekommen ſeyn, in welchem die Er-<lb/> ſteren nach einer 6ſtündigen ſehr hartnäckigen Ge-<lb/> genwehr, wobei eine große Menge von ihnen den<lb/> Tod fand, aufs Haupt geſchlagen wurden. Eine<lb/> Proclamation des Befehlshabers der königlichen, d. h.<lb/> carliſtiſchen Armee, der ſich aber nicht nennt, for-<lb/> dert die Nationalgarde von Lu<hi rendition="#aq">ç</hi>on auf, die Waffen<lb/> abzugeben, bei Strafe über die Klinge zu ſpringen.<lb/> Zehn der reichſten Revolutionäre ſollen eine außer-<lb/> ordentliche Contribution von 200,000 Fr. hergeben,<lb/> und alle übrigen nach Maaßgabe ihrer Mittel. Alle<lb/> Militärs, die ſich unter die Legitimitäts-Fahne<lb/> ſtellen, erhalten einen zehntägigen Sold und Zulage,<lb/> desgleichen die Arbeiter. Eine andre Proclamation,<lb/> im Namen der Herzogin v. Berri an die guten Ven-<lb/> deer, verſpricht jedem Freiwilligen 25 Centimen täg-<lb/> lichen Soldes, und ihren Frauen oder Eltern täglich<lb/> 50 Centimen; auch werden viele Penſionen ꝛc. ver-<lb/> ſprochen. Es ſoll eine Königl. 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Leider liegt<lb/> dieſer ausgezeichnete Patriot in den letzten Zügen,<lb/> und man hat keine Hoffnung mehr, ihn zu ret-<lb/> ten. Seine geiſtige Kraft iſt übrigens unge-<lb/> ſchwächt: geſtern äußerte er fortwährend ſein Be-<lb/> dauern, zu ſcheiden, ohne für Frankreich kämpfen<lb/> zu können. Geſtern Abend empfing er Hrn.<lb/> Laffitte, und drückte ihm die Hand mit den Wor-<lb/> ten: Erhalten Sie ſich für das Vaterland! Er<lb/><cb/> wollte noch mehr ſagen, aber die Kräſte verließen<lb/> ihn. Hr. Laffitte überreichte ihm den an demſelben<lb/> Abend zu Stande gekommenen Rechenſchafts-Be-<lb/> richt der Oppoſition, den er mit zitternder Hand fol-<lb/> gendermaßen unterzeichnete: <hi rendition="#aq">Lamarque (mourant).</hi></p><lb/> <p><hi rendition="#fr">N. 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Man glaubt, der Letztere<lb/> werde bald austreten, aber zuvor den Marſchalls-<lb/> ſtab erhalten. — Auch hier in Paris ſcheint man<lb/> Unruhen zu beſorgen: alle Linientruppen ſind bei<lb/> der Militärſchule verſammelt, um zu exerciren, und<lb/> gegen 5 Uhr wurden ſämmtliche Municipalgarden<lb/> und Polizeibehörden aufgeboten.</p> </div><lb/> <div xml:id="ar002" type="jArticle"> <head>Folgendes iſt der von 41 Deputirten unterzeich-<lb/> nete <hi rendition="#fr">Rechenſchafts-Bericht der Oppoſition:</hi><lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">An unſre Committenten.</hi></hi></head><lb/> <p>Die unterzeichneten, in Paris anweſenden Depu-<lb/> tirten, von den Gefahren eines Syſtems überzeugt,<lb/> welches die Regierung mehr und mehr von der Re-<lb/> volution entfernt, der ſie ihren Urſprung verdankt,<lb/> erachten es in der gegenwärtigen Lage Frankreichs<lb/> für die heiligſte ihrer Pflichten, ihren Conſtituenten<lb/> Rechenſchaft über ihre Grundſätze und ihre Abſtim-<lb/> mungen abzulegen. Wenn es nicht in ihrer Macht<lb/> geſtanden, die Regierung auf die Bedingungen ihrer<lb/> Selbſterhaltung zurückzuführen, ſo ſteht es minde-<lb/> ſtens in ihrer Macht, die Gefahr zu verkünden.<lb/> Unſre Revolution von 1830 iſt verſchiedentlich ge-<lb/> würdigt worden. Die Einen erblicken darin nur<lb/> eine Begebenheit, eine Modification der Reſtaura-<lb/> tion, und folgern daraus, die Männer und die Grund-<lb/> ſätze der Reſtauration müßten auch die Männer und<lb/> die Grundſätze der neuen Regierung bleiben. Der<lb/> Einfluß dieſer Anſicht äußerte ſich in allen Erſchei-<lb/> nungen der langen und unfruchtbaren Seſſion, die<lb/> nunmehr beendigt iſt. Man hat ſie in den Debat-<lb/> ten über die Civil-Liſte, über die Erblichkeit der<lb/> Pairie, über die Organiſation des Heeres erkannt;<lb/> ſie lag der Budgets-Discuſſion zu Grunde; ſie lei-<lb/> tet die Verwaltung des Reichs und beſtimmt deſſen<lb/> Stellung dem Auslande gegenüber. Die Andern,<lb/> und zu dieſer Anzahl gehören die Unterzeichneten,<lb/> haben in der Juli-Revolution die definitive Heili-<lb/> gung der von der großen Revolution von 1789 aus-<lb/> geſprochenen Grundſätze und Rechte begrüßt. Dieſe<lb/> Grundſätze, dieſe Rechte bilden die umfaſſende und<lb/> gewaltige Baſis, worauf ſie den Thron begründet<lb/> ſehen möchten: ihre Reden, ihre Abſtimmungen,<lb/> waren ſtets Folgerungen aus dieſem Gedanken. So<lb/> haben wir bei der Discuſſion über die Civil-Liſte<lb/> geglaubt, das neue Königthum habe andere Bedin-<lb/> gungen der Kraft und des Daſeyns, als den Prunk<lb/> und die Verderbniß der alten Monarchie: ſtark durch<lb/> ſeinen populären Urſprung und die Beiſtimmung der<lb/> öffentlichen Anſicht, bedürfe daſſelbe weder des Eindrucks<lb/> der Pracht auf die Einbildungskraft, noch erkaufter<lb/> Anhänglichkeit. Jn der nämlichen Discuſſion, als<lb/> das Miniſterium darauf beſtand, in unſrer Sprache<lb/> und in unſrem Staatsrechte den Feudal-Ausdruck<lb/> “Unterthan” herzuſtellen, haben wir Proteſt einlegen<lb/> müſſen. Die Debatte über die Conſtituirung der<lb/> Pairie eröffnete ein weites Feld, wo die Anhänger<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[2]/0002]
gen, 300,000 Fr. herzugeben. Grüne Bänder, fal-
ſche Münzen mit dem Bildniſſe Heinrich V., Pro-
clamationen an die Soldaten, unterzeichnet: “Ma-
rie Caroline, Regentin von Frankreich”, werden in
Maſſe ausgeſtreut. Hr. de Labourdonnaye, der ſich
bisher beſtändig auf ſeinem Landgute aufhielt, war
ſeit einigen Tagen nach Angers zurückgekehrt, woraus
man ſchloß, daß er dieſen Aufſtand mißbillige. Die
Nationalgarden in den Städten waren auf ihrer
Hut und beſtändig in Uniform; ihr Benehmen wird
ſehr gelobt. Jn dem Treffen bei Chateau-Gontier
ſollen 20 Mann von beiden Seiten geblieben ſeyn. —
Ein Schreiben aus Mans vom 26 v. M. ſpricht
von dem Erſcheinen anſehnlicher Banden in dieſer
Gegend. Der Präfect hatte die Nationalgarden aus
mehreren kleineren Städten aufgeboten, die mit dem
größten Eifer herbeieilten. Auf allen Straßen und
öffentlichen Plätzen hörte man die Marſeillaiſe und
die Pariſienne ſingen. Die Freiwilligen ließen ſich
nicht halten und zogen noch in der Nacht nach Vallon ab.
Jn der Ferne hörte man ein ſtarkes Gewehrfeuer. Am
27 v. M. ſoll es zu einem förmlichen Treffen zwiſchen
den Rebellen und den vereinigten Linientruppen und
Nationalgarden gekommen ſeyn, in welchem die Er-
ſteren nach einer 6ſtündigen ſehr hartnäckigen Ge-
genwehr, wobei eine große Menge von ihnen den
Tod fand, aufs Haupt geſchlagen wurden. Eine
Proclamation des Befehlshabers der königlichen, d. h.
carliſtiſchen Armee, der ſich aber nicht nennt, for-
dert die Nationalgarde von Luçon auf, die Waffen
abzugeben, bei Strafe über die Klinge zu ſpringen.
Zehn der reichſten Revolutionäre ſollen eine außer-
ordentliche Contribution von 200,000 Fr. hergeben,
und alle übrigen nach Maaßgabe ihrer Mittel. Alle
Militärs, die ſich unter die Legitimitäts-Fahne
ſtellen, erhalten einen zehntägigen Sold und Zulage,
desgleichen die Arbeiter. Eine andre Proclamation,
im Namen der Herzogin v. Berri an die guten Ven-
deer, verſpricht jedem Freiwilligen 25 Centimen täg-
lichen Soldes, und ihren Frauen oder Eltern täglich
50 Centimen; auch werden viele Penſionen ꝛc. ver-
ſprochen. Es ſoll eine Königl. Garde, jeder Mann
mit einem Solde von 1 Fr. 50 C., errichtet wer-
den. — Jn Nantes herrſchte die tiefſte Ruhe: alle
Arbeiter waren bereit, nöthigenfalls gegen die Car-
liſten zu marſchiren. General Solignac hatte in
einer Menge von Schlöſſern Unterſuchungen anſtel-
len laſſen, die viele Verhaftungen zur Folge hatten.
Jn der Gegend von Luçon hat man eine Liſte des
Generalſtabes des carliſtiſchen Vendee-Heeres gefun-
den. An der Spitze der Banden ſtehen viele alte
Officiere. — An der Börſe war das Gerücht in
Umlauf, die Stadt Mans ſey in die Hände der
Vendeer gefallen, welches ſich indeſſen hoffentlich
nicht beſtätigen wird. Allgemein iſt man der Mei-
nung, daß man, wenn General Lamarque den
Oberbefehl in der Vendee behalten hätte, wo er
die erſten Unruhen ſo glücklich beſchwichtigte, der
traurigen Nothwendigkeit überhoben ſeyn würde,
Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Leider liegt
dieſer ausgezeichnete Patriot in den letzten Zügen,
und man hat keine Hoffnung mehr, ihn zu ret-
ten. Seine geiſtige Kraft iſt übrigens unge-
ſchwächt: geſtern äußerte er fortwährend ſein Be-
dauern, zu ſcheiden, ohne für Frankreich kämpfen
zu können. Geſtern Abend empfing er Hrn.
Laffitte, und drückte ihm die Hand mit den Wor-
ten: Erhalten Sie ſich für das Vaterland! Er
wollte noch mehr ſagen, aber die Kräſte verließen
ihn. Hr. Laffitte überreichte ihm den an demſelben
Abend zu Stande gekommenen Rechenſchafts-Be-
richt der Oppoſition, den er mit zitternder Hand fol-
gendermaßen unterzeichnete: Lamarque (mourant).
N. S. Bis heute Nachmittag iſt General La-
marque noch am Leben. — Auch aus Algier ſchreibt
man von carliſtiſchen Umtrieben, worüber ſich Nie-
mand wundert, da die Regierung außerordentlich
viele Carliſten hingeſchickt hat. — Aus Lyon und
von andern Punkten gehen bedenkliche Berichte ein. —
Marſchall Soult und Graf Sebaſtiani ſcheinen ſich
ausgeſöhnt zu haben. Man glaubt, der Letztere
werde bald austreten, aber zuvor den Marſchalls-
ſtab erhalten. — Auch hier in Paris ſcheint man
Unruhen zu beſorgen: alle Linientruppen ſind bei
der Militärſchule verſammelt, um zu exerciren, und
gegen 5 Uhr wurden ſämmtliche Municipalgarden
und Polizeibehörden aufgeboten.
Folgendes iſt der von 41 Deputirten unterzeich-
nete Rechenſchafts-Bericht der Oppoſition:
An unſre Committenten.
Die unterzeichneten, in Paris anweſenden Depu-
tirten, von den Gefahren eines Syſtems überzeugt,
welches die Regierung mehr und mehr von der Re-
volution entfernt, der ſie ihren Urſprung verdankt,
erachten es in der gegenwärtigen Lage Frankreichs
für die heiligſte ihrer Pflichten, ihren Conſtituenten
Rechenſchaft über ihre Grundſätze und ihre Abſtim-
mungen abzulegen. Wenn es nicht in ihrer Macht
geſtanden, die Regierung auf die Bedingungen ihrer
Selbſterhaltung zurückzuführen, ſo ſteht es minde-
ſtens in ihrer Macht, die Gefahr zu verkünden.
Unſre Revolution von 1830 iſt verſchiedentlich ge-
würdigt worden. Die Einen erblicken darin nur
eine Begebenheit, eine Modification der Reſtaura-
tion, und folgern daraus, die Männer und die Grund-
ſätze der Reſtauration müßten auch die Männer und
die Grundſätze der neuen Regierung bleiben. Der
Einfluß dieſer Anſicht äußerte ſich in allen Erſchei-
nungen der langen und unfruchtbaren Seſſion, die
nunmehr beendigt iſt. Man hat ſie in den Debat-
ten über die Civil-Liſte, über die Erblichkeit der
Pairie, über die Organiſation des Heeres erkannt;
ſie lag der Budgets-Discuſſion zu Grunde; ſie lei-
tet die Verwaltung des Reichs und beſtimmt deſſen
Stellung dem Auslande gegenüber. Die Andern,
und zu dieſer Anzahl gehören die Unterzeichneten,
haben in der Juli-Revolution die definitive Heili-
gung der von der großen Revolution von 1789 aus-
geſprochenen Grundſätze und Rechte begrüßt. Dieſe
Grundſätze, dieſe Rechte bilden die umfaſſende und
gewaltige Baſis, worauf ſie den Thron begründet
ſehen möchten: ihre Reden, ihre Abſtimmungen,
waren ſtets Folgerungen aus dieſem Gedanken. So
haben wir bei der Discuſſion über die Civil-Liſte
geglaubt, das neue Königthum habe andere Bedin-
gungen der Kraft und des Daſeyns, als den Prunk
und die Verderbniß der alten Monarchie: ſtark durch
ſeinen populären Urſprung und die Beiſtimmung der
öffentlichen Anſicht, bedürfe daſſelbe weder des Eindrucks
der Pracht auf die Einbildungskraft, noch erkaufter
Anhänglichkeit. Jn der nämlichen Discuſſion, als
das Miniſterium darauf beſtand, in unſrer Sprache
und in unſrem Staatsrechte den Feudal-Ausdruck
“Unterthan” herzuſtellen, haben wir Proteſt einlegen
müſſen. Die Debatte über die Conſtituirung der
Pairie eröffnete ein weites Feld, wo die Anhänger
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