Stats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 153, Hamburg, 24. September 1751.[Spaltenumbruch]
Landesart nennet, sind Ausgüsse des Eismeers, Frankfurt. Jn Vieler Händen siehet man: "Demnach erschien nun ein Seraff, aller Se- raffen "Oberhaupt, in den einsiedlerisch einsamen Wü- sten der Scythen, "Vormals geboren, bey Zihim und Ohim dun- kel erzogen, "Wo die Feldgeister und Kobolde hüpfen und springen, "Und die Rohrdommeln und Jgel nisten und legen, "Mit Wind und Rauche, Nebel und Eise ernäh- ret etc. etc. Und so lustig lautet das ganze Gedichte, welches Frankf. Ber. 146 St. [Spaltenumbruch]
Landesart nennet, ſind Ausguͤſſe des Eismeers, Frankfurt. Jn Vieler Haͤnden ſiehet man: “Demnach erſchien nun ein Seraff, aller Se- raffen “Oberhaupt, in den einſiedleriſch einſamen Wuͤ- ſten der Scythen, “Vormals geboren, bey Zihim und Ohim dun- kel erzogen, “Wo die Feldgeiſter und Kobolde huͤpfen und ſpringen, “Und die Rohrdommeln und Jgel niſten und legen, “Mit Wind und Rauche, Nebel und Eiſe ernaͤh- ret ꝛc. ꝛc. Und ſo luſtig lautet das ganze Gedichte, welches Frankf. Ber. 146 St. <TEI> <text> <body> <div> <floatingText> <body> <div type="jFeuilleton"> <div type="jFeuilleton"> <p><pb facs="#f0008" n="[8]"/><cb/> Landesart nennet, ſind Ausguͤſſe des Eismeers,<lb/> welche aus Spitzen, Schroffen und Thuͤrmen zu-<lb/> ſammengeſetzt ſind. Hieraus, und aus dem Eis,<lb/> welches von der Sonne geſchmolzen wird, neh-<lb/> men die meiſten Stroͤme ihren Urſprung, der<lb/> Rhedan, der Rhein, die Aare etc. Wenn ſich die<lb/> Luft unter dem Eisgewoͤlbe ausdehnt, ſo brechen<lb/> ganze Stuͤcke von Eis mit einem erſtaunenswuͤr-<lb/> digen Krachen loß. Dieſe ſtuͤrzen ſich durch die<lb/> Oeffnung der Berge ins Thal. Man trift auch<lb/> einige Stellen an, welche von dem Eiſe befreyet<lb/> ſind, da glaubt der Verfaſſer, die ſchwefelhaften<lb/> Ausduͤnſtungen waͤren daran ſchuld. Das ganze<lb/> Gebirge, worauf dieſes Eismeer ſich befindet, be-<lb/> ſteht aus dem ſchoͤnſten Marmor. Dieſe Eis-<lb/> meere ſchmelzen niemals, aber hin und wieder<lb/> bekommen ſie groſſe Ritzen. Jhr Eis iſt haͤrter<lb/> als das gemeine Eis, und muß mehr Waͤrme ha-<lb/> ben, wenn es ſchmelzen ſoll. Jn den Schweize-<lb/> riſchen Eisbergen findet man auch ein Eismeer<lb/> von vielen Stunden lang. Man findet hier auch<lb/> eine Beſchreibung des Eismeers am Zinkenberge,<lb/> welche der Herr Cappler in Lucern aufgeſetzt hat.<lb/> Den Zinkenberg machen die Cryſtallgruͤfte be-<lb/> kannt. Man findet oftmals Stuͤcken, welche 7<lb/> bis 8 Zentner wiegen. Von den Cryſtallen kommt<lb/> der Herr Verfaſſer zu den Mineralien, und zeigt,<lb/> daß die Metalle durchgehends ſehr ſproͤde ſind.<lb/> Die Schwefelkieſe finden ſich in Menge, und ſind<lb/> auch reich, aber weil Bergwerksverſtaͤndige feh-<lb/> len, ſo bleiben ſie ohne den rechten Nutzen. Von<lb/> den Mineralien kommt die Reihe an die Gemſen,<lb/> von denen verſichert wird, daß ſie im Winter<lb/> Steine hinterſchlucken. Dies Futter giebt ſchlechte<lb/> Nahrung, daßwegen ſind dieſe Thiere auch ſo<lb/> mager. Die Murmulthiere zaͤhlet der Verfaſſer<lb/> zum Geſchlechte der Schweine. G. G. Z. St. 47.</p> </div><lb/> <div type="jFeuilleton"> <head> <hi rendition="#fr">Frankfurt.</hi> </head> <p>Jn Vieler Haͤnden ſiehet man:<lb/> Der Wurmſaamen, ein Helden-Gedicht, erſter Ge-<lb/> ſang, welchem bald noch 29 folgen ſollen. Nach<lb/> der allerneueſten mahleriſchen, ſchoͤpferiſchen, he-<lb/> roiſchen und maͤnnlichen Dichtkunſt ohne Regeln<lb/> regelmaͤßig eingerichtet. Dieſes iſt, wie der Au-<lb/> genſchein weiſet, eine liſtige und luſtige Satyre,<lb/> welche den bisherigen poetiſchen abentheuerlichen<lb/> Wundergebuhrten und ungereimten Ungeheuren,<lb/> als dem <hi rendition="#fr">Noah, Fruͤhling, Suͤndfluth,</hi> dem <hi rendition="#fr">Ja-<lb/> cob</hi> und <hi rendition="#fr">Joſeph,</hi> zu welchen allen der bekannte<lb/> ſchwulſtige und nicht demuͤthige <hi rendition="#fr">Meßias</hi> Anlaß<lb/><cb/> gegeben, auf eine aufgeweckte und ſinnreiche Art<lb/> entgegen geſetzet worden. Der unbekannte Ver-<lb/> faſſer hat den Character ſolcher ausſchweifenden<lb/> und uͤberſchnappenden Gedichte in dieſer laͤcherli-<lb/> chen Nachahmung ungemein wohl beobachtet, und<lb/> meiſt die raͤtzelvollen Redensarten und fiebermaͤſ-<lb/> ſigen Ausdruͤcke aus denenſelben entlehnet, wie-<lb/> wohl er ſich bey weiten nicht ſo hoch in Wolken<lb/> und Duͤnſte verſteiget, als ſeine oben angefuͤhrten<lb/> Vorgaͤnger. Der ganze Jnhalt dieſes muthigen<lb/> Gedichtes aber iſt dieſer: Ein gewiſſer poetiſcher<lb/><hi rendition="#fr">Ober-Seraph,</hi> oder, wie der Autor ſchalkhaft<lb/> ſchreibet, <hi rendition="#fr">Seraff,</hi> welcher die bisher gewoͤhnlichen<lb/> deutlichen, lieblichen und natuͤrlichen Gedichte nicht<lb/> laͤnger gelten laſſen will, erſcheinet auf einmahl<lb/> in einer fuͤrchterlichen und widernatuͤrlichen Ge-<lb/> ſtalt, und traͤget in der einen Hand eine groſſe<lb/> ſcharfe Senſe, den bisherigen guten Geſchmack<lb/> in der Dichtkunſt voͤllig auszurotten; in der an-<lb/> dern aber den neuen Wurmſaamen, um dadurch<lb/> die bisher neu eingefuͤhrten unfoͤrmlichen und un-<lb/> natuͤrlichen Reim- und Sinnloſen Gedichte zu pflan-<lb/> zen und im Gange zu bringen. Dieſes Seraffs<lb/> wunderliche Geburt und Ankunft wird p. 4. alſo<lb/> beſchrieben:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>“Demnach erſchien nun ein Seraff, aller Se-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">raffen</hi> </l><lb/> <l>“Oberhaupt, in den einſiedleriſch einſamen Wuͤ-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">ſten der Scythen,</hi> </l><lb/> <l>“Vormals geboren, bey Zihim und Ohim dun-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">kel erzogen,</hi> </l><lb/> <l>“Wo die Feldgeiſter und Kobolde huͤpfen und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">ſpringen,</hi> </l><lb/> <l>“Und die Rohrdommeln und Jgel niſten und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">legen,</hi> </l><lb/> <l>“Mit Wind und Rauche, Nebel und Eiſe ernaͤh-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">ret ꝛc. ꝛc.</hi> </l> </lg><lb/> <p>Und ſo luſtig lautet das ganze Gedichte, welches<lb/> nicht ohne Vergnuͤgen zu leſen. Vielleicht iſt die-<lb/> ſer neue Wurmſaamen ſo kraͤftig und gluͤcklich, die<lb/> bisherigen neuen poetiſchen Heuſchrecken und blin-<lb/> den Spuhlwuͤrmer, welche uͤberall, ſonderlich aus<lb/> den Alpiniſchen Murmelthier-Hoͤhlen, hervorgekro-<lb/> chen, nach und nach zu toͤdten, welches man um ſo<lb/> viel eher verhoffet, wann die verſprochenen uͤbri-<lb/> gen 29 Geſaͤnge bald nachfolgen ſollten, welches<lb/> man daher, des gemeinen Beſtens wegen, und da-<lb/> mit dieſes unpoetiſche Ungeziefer endlich voͤllig<lb/> ausgerottet werden moͤge, ernſtlich wuͤnſchet.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Frankf. Ber. 146 St.</hi> </p> </div> </div> <cb type="end"/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [[8]/0008]
Landesart nennet, ſind Ausguͤſſe des Eismeers,
welche aus Spitzen, Schroffen und Thuͤrmen zu-
ſammengeſetzt ſind. Hieraus, und aus dem Eis,
welches von der Sonne geſchmolzen wird, neh-
men die meiſten Stroͤme ihren Urſprung, der
Rhedan, der Rhein, die Aare etc. Wenn ſich die
Luft unter dem Eisgewoͤlbe ausdehnt, ſo brechen
ganze Stuͤcke von Eis mit einem erſtaunenswuͤr-
digen Krachen loß. Dieſe ſtuͤrzen ſich durch die
Oeffnung der Berge ins Thal. Man trift auch
einige Stellen an, welche von dem Eiſe befreyet
ſind, da glaubt der Verfaſſer, die ſchwefelhaften
Ausduͤnſtungen waͤren daran ſchuld. Das ganze
Gebirge, worauf dieſes Eismeer ſich befindet, be-
ſteht aus dem ſchoͤnſten Marmor. Dieſe Eis-
meere ſchmelzen niemals, aber hin und wieder
bekommen ſie groſſe Ritzen. Jhr Eis iſt haͤrter
als das gemeine Eis, und muß mehr Waͤrme ha-
ben, wenn es ſchmelzen ſoll. Jn den Schweize-
riſchen Eisbergen findet man auch ein Eismeer
von vielen Stunden lang. Man findet hier auch
eine Beſchreibung des Eismeers am Zinkenberge,
welche der Herr Cappler in Lucern aufgeſetzt hat.
Den Zinkenberg machen die Cryſtallgruͤfte be-
kannt. Man findet oftmals Stuͤcken, welche 7
bis 8 Zentner wiegen. Von den Cryſtallen kommt
der Herr Verfaſſer zu den Mineralien, und zeigt,
daß die Metalle durchgehends ſehr ſproͤde ſind.
Die Schwefelkieſe finden ſich in Menge, und ſind
auch reich, aber weil Bergwerksverſtaͤndige feh-
len, ſo bleiben ſie ohne den rechten Nutzen. Von
den Mineralien kommt die Reihe an die Gemſen,
von denen verſichert wird, daß ſie im Winter
Steine hinterſchlucken. Dies Futter giebt ſchlechte
Nahrung, daßwegen ſind dieſe Thiere auch ſo
mager. Die Murmulthiere zaͤhlet der Verfaſſer
zum Geſchlechte der Schweine. G. G. Z. St. 47.
Frankfurt. Jn Vieler Haͤnden ſiehet man:
Der Wurmſaamen, ein Helden-Gedicht, erſter Ge-
ſang, welchem bald noch 29 folgen ſollen. Nach
der allerneueſten mahleriſchen, ſchoͤpferiſchen, he-
roiſchen und maͤnnlichen Dichtkunſt ohne Regeln
regelmaͤßig eingerichtet. Dieſes iſt, wie der Au-
genſchein weiſet, eine liſtige und luſtige Satyre,
welche den bisherigen poetiſchen abentheuerlichen
Wundergebuhrten und ungereimten Ungeheuren,
als dem Noah, Fruͤhling, Suͤndfluth, dem Ja-
cob und Joſeph, zu welchen allen der bekannte
ſchwulſtige und nicht demuͤthige Meßias Anlaß
gegeben, auf eine aufgeweckte und ſinnreiche Art
entgegen geſetzet worden. Der unbekannte Ver-
faſſer hat den Character ſolcher ausſchweifenden
und uͤberſchnappenden Gedichte in dieſer laͤcherli-
chen Nachahmung ungemein wohl beobachtet, und
meiſt die raͤtzelvollen Redensarten und fiebermaͤſ-
ſigen Ausdruͤcke aus denenſelben entlehnet, wie-
wohl er ſich bey weiten nicht ſo hoch in Wolken
und Duͤnſte verſteiget, als ſeine oben angefuͤhrten
Vorgaͤnger. Der ganze Jnhalt dieſes muthigen
Gedichtes aber iſt dieſer: Ein gewiſſer poetiſcher
Ober-Seraph, oder, wie der Autor ſchalkhaft
ſchreibet, Seraff, welcher die bisher gewoͤhnlichen
deutlichen, lieblichen und natuͤrlichen Gedichte nicht
laͤnger gelten laſſen will, erſcheinet auf einmahl
in einer fuͤrchterlichen und widernatuͤrlichen Ge-
ſtalt, und traͤget in der einen Hand eine groſſe
ſcharfe Senſe, den bisherigen guten Geſchmack
in der Dichtkunſt voͤllig auszurotten; in der an-
dern aber den neuen Wurmſaamen, um dadurch
die bisher neu eingefuͤhrten unfoͤrmlichen und un-
natuͤrlichen Reim- und Sinnloſen Gedichte zu pflan-
zen und im Gange zu bringen. Dieſes Seraffs
wunderliche Geburt und Ankunft wird p. 4. alſo
beſchrieben:
“Demnach erſchien nun ein Seraff, aller Se-
raffen
“Oberhaupt, in den einſiedleriſch einſamen Wuͤ-
ſten der Scythen,
“Vormals geboren, bey Zihim und Ohim dun-
kel erzogen,
“Wo die Feldgeiſter und Kobolde huͤpfen und
ſpringen,
“Und die Rohrdommeln und Jgel niſten und
legen,
“Mit Wind und Rauche, Nebel und Eiſe ernaͤh-
ret ꝛc. ꝛc.
Und ſo luſtig lautet das ganze Gedichte, welches
nicht ohne Vergnuͤgen zu leſen. Vielleicht iſt die-
ſer neue Wurmſaamen ſo kraͤftig und gluͤcklich, die
bisherigen neuen poetiſchen Heuſchrecken und blin-
den Spuhlwuͤrmer, welche uͤberall, ſonderlich aus
den Alpiniſchen Murmelthier-Hoͤhlen, hervorgekro-
chen, nach und nach zu toͤdten, welches man um ſo
viel eher verhoffet, wann die verſprochenen uͤbri-
gen 29 Geſaͤnge bald nachfolgen ſollten, welches
man daher, des gemeinen Beſtens wegen, und da-
mit dieſes unpoetiſche Ungeziefer endlich voͤllig
ausgerottet werden moͤge, ernſtlich wuͤnſchet.
Frankf. Ber. 146 St.
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