Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Gott nickt zu seinen Worten, nun -- ich will's ver-
gessen, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des
Abends vergeblich bei'm Theetrinken eine Tasse für
Ihn auf den Tisch gestellt hat. Und nun er mein
Schwiegersohn wird, will ich Ihm auch sagen, wo die
tausend Thaler geblieben sind!
Leonhard.
(bei Seite) Also doch weg! Nun, so brauch' ich mir
von dem alten Wärwolf auch Nichts gefallen zu lassen,
wenn er mein Schwiegervater ist!
Meister Anton.
Mir ging's in jungen Jahren schlecht. Ich bin
so wenig, wie Er, als ein borstiger Igel zur Welt
gekommen, aber ich bin nach und nach einer geworden.
Erst waren all die Stacheln bei mir nach innen ge-
richtet, da kniffen und drückten sie Alle zu ihrem Spaß
auf meiner nachgiebigen glatten Haut herum, und
freuten sich, wenn ich zusammen fuhr, weil die Spitzen
mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber das
Ding gefiel mir nicht, ich kehrte meine Haut um,
nun fuhren ihnen die Borsten in die Finger und ich
hatte Frieden.
Gott nickt zu ſeinen Worten, nun — ich will’s ver-
geſſen, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des
Abends vergeblich bei’m Theetrinken eine Taſſe für
Ihn auf den Tiſch geſtellt hat. Und nun er mein
Schwiegerſohn wird, will ich Ihm auch ſagen, wo die
tauſend Thaler geblieben ſind!
Leonhard.
(bei Seite) Alſo doch weg! Nun, ſo brauch’ ich mir
von dem alten Wärwolf auch Nichts gefallen zu laſſen,
wenn er mein Schwiegervater iſt!
Meiſter Anton.
Mir ging’s in jungen Jahren ſchlecht. Ich bin
ſo wenig, wie Er, als ein borſtiger Igel zur Welt
gekommen, aber ich bin nach und nach einer geworden.
Erſt waren all die Stacheln bei mir nach innen ge-
richtet, da kniffen und drückten ſie Alle zu ihrem Spaß
auf meiner nachgiebigen glatten Haut herum, und
freuten ſich, wenn ich zuſammen fuhr, weil die Spitzen
mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber das
Ding gefiel mir nicht, ich kehrte meine Haut um,
nun fuhren ihnen die Borſten in die Finger und ich
hatte Frieden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#ANTON">
            <p><pb facs="#f0106" n="38"/>
Gott nickt zu &#x017F;einen Worten, nun &#x2014; ich will&#x2019;s ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des<lb/>
Abends vergeblich bei&#x2019;m Theetrinken eine Ta&#x017F;&#x017F;e für<lb/>
Ihn auf den Ti&#x017F;ch ge&#x017F;tellt hat. Und nun er mein<lb/>
Schwieger&#x017F;ohn wird, will ich Ihm auch &#x017F;agen, wo die<lb/>
tau&#x017F;end Thaler geblieben &#x017F;ind!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#LEO">
            <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/>
            <stage>(bei Seite)</stage>
            <p>Al&#x017F;o doch weg! Nun, &#x017F;o brauch&#x2019; ich mir<lb/>
von dem alten Wärwolf auch Nichts gefallen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wenn er mein Schwiegervater i&#x017F;t!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANTON">
            <speaker><hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter Anton</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Mir ging&#x2019;s in jungen Jahren &#x017F;chlecht. Ich bin<lb/>
&#x017F;o wenig, wie Er, als ein bor&#x017F;tiger Igel zur Welt<lb/>
gekommen, aber ich bin nach und nach einer geworden.<lb/>
Er&#x017F;t waren all die Stacheln bei mir nach innen ge-<lb/>
richtet, da kniffen und drückten &#x017F;ie Alle zu ihrem Spaß<lb/>
auf meiner nachgiebigen glatten Haut herum, und<lb/>
freuten &#x017F;ich, wenn ich zu&#x017F;ammen fuhr, weil die Spitzen<lb/>
mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber das<lb/>
Ding gefiel mir nicht, ich kehrte meine Haut um,<lb/>
nun fuhren ihnen die Bor&#x017F;ten in die Finger und ich<lb/>
hatte Frieden.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0106] Gott nickt zu ſeinen Worten, nun — ich will’s ver- geſſen, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des Abends vergeblich bei’m Theetrinken eine Taſſe für Ihn auf den Tiſch geſtellt hat. Und nun er mein Schwiegerſohn wird, will ich Ihm auch ſagen, wo die tauſend Thaler geblieben ſind! Leonhard. (bei Seite) Alſo doch weg! Nun, ſo brauch’ ich mir von dem alten Wärwolf auch Nichts gefallen zu laſſen, wenn er mein Schwiegervater iſt! Meiſter Anton. Mir ging’s in jungen Jahren ſchlecht. Ich bin ſo wenig, wie Er, als ein borſtiger Igel zur Welt gekommen, aber ich bin nach und nach einer geworden. Erſt waren all die Stacheln bei mir nach innen ge- richtet, da kniffen und drückten ſie Alle zu ihrem Spaß auf meiner nachgiebigen glatten Haut herum, und freuten ſich, wenn ich zuſammen fuhr, weil die Spitzen mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber das Ding gefiel mir nicht, ich kehrte meine Haut um, nun fuhren ihnen die Borſten in die Finger und ich hatte Frieden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/106
Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/106>, abgerufen am 21.11.2024.