Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
die Stirn und verzog das Gesicht, wie er immer that, wenn er etwas Gutes beabsichtigte, dann sagte er zu meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt gesetzt, daß er Ihr Nase und Ohren vom Kopf fressen soll? Ich schämte mich, und legte das Brot, von dem ich mir gerade ein Stück abschneiden wollte, schnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte sich über das wohlgemeinte Wort, sie hielt ihr Rad an und versetzte hitzig, ihr Sohn sey brav und gut. Nun, das wollen wir sehen, sagte der Meister, wenn er Lust hat, kann er gleich, wie er da steht, mit mir in die Werkstatt gehen, Lehrgeld verlang' ich nicht, die Kost bekommt er, für Kleider will ich auch sorgen, und wenn er früh aufstehen und spät zu Bette gehen will, so soll's ihm an Gelegenheit, hin und wieder ein gutes Trinkgeld für seine alte Mutter zu verdie- nen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an, ich zu tanzen, als wir endlich zu Wort kamen, hielt der Meister sich die Ohren zu, schritt hinaus und winkte mir. Den Hut braucht' ich nicht aufzusetzen, denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur Adjes zu sagen, folgt' ich ihm, und als ich am näch-
die Stirn und verzog das Geſicht, wie er immer that, wenn er etwas Gutes beabſichtigte, dann ſagte er zu meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt geſetzt, daß er Ihr Naſe und Ohren vom Kopf freſſen ſoll? Ich ſchämte mich, und legte das Brot, von dem ich mir gerade ein Stück abſchneiden wollte, ſchnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte ſich über das wohlgemeinte Wort, ſie hielt ihr Rad an und verſetzte hitzig, ihr Sohn ſey brav und gut. Nun, das wollen wir ſehen, ſagte der Meiſter, wenn er Luſt hat, kann er gleich, wie er da ſteht, mit mir in die Werkſtatt gehen, Lehrgeld verlang’ ich nicht, die Koſt bekommt er, für Kleider will ich auch ſorgen, und wenn er früh aufſtehen und ſpät zu Bette gehen will, ſo ſoll’s ihm an Gelegenheit, hin und wieder ein gutes Trinkgeld für ſeine alte Mutter zu verdie- nen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an, ich zu tanzen, als wir endlich zu Wort kamen, hielt der Meiſter ſich die Ohren zu, ſchritt hinaus und winkte mir. Den Hut braucht’ ich nicht aufzuſetzen, denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur Adjes zu ſagen, folgt’ ich ihm, und als ich am näch- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ANTON"> <p><pb facs="#f0108" n="40"/> die Stirn und verzog das Geſicht, wie er immer that,<lb/> wenn er etwas Gutes beabſichtigte, dann ſagte er zu<lb/> meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt<lb/> geſetzt, daß er Ihr Naſe und Ohren vom Kopf<lb/> freſſen ſoll? Ich ſchämte mich, und legte das Brot,<lb/> von dem ich mir gerade ein Stück abſchneiden wollte,<lb/> ſchnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte<lb/> ſich über das wohlgemeinte Wort, ſie hielt ihr Rad<lb/> an und verſetzte hitzig, ihr Sohn ſey brav und gut.<lb/> Nun, das wollen wir ſehen, ſagte der Meiſter, wenn<lb/> er Luſt hat, kann er gleich, wie er da ſteht, mit mir<lb/> in die Werkſtatt gehen, Lehrgeld verlang’ ich nicht,<lb/> die Koſt bekommt er, für Kleider will ich auch ſorgen,<lb/> und wenn er früh aufſtehen und ſpät zu Bette gehen<lb/> will, ſo ſoll’s ihm an Gelegenheit, hin und wieder<lb/> ein gutes Trinkgeld für ſeine alte Mutter zu verdie-<lb/> nen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an,<lb/> ich zu tanzen, als wir endlich zu Wort kamen, hielt<lb/> der Meiſter ſich die Ohren zu, ſchritt hinaus und<lb/> winkte mir. Den Hut braucht’ ich nicht aufzuſetzen,<lb/> denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur<lb/> Adjes zu ſagen, folgt’ ich ihm, und als ich am näch-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0108]
die Stirn und verzog das Geſicht, wie er immer that,
wenn er etwas Gutes beabſichtigte, dann ſagte er zu
meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt
geſetzt, daß er Ihr Naſe und Ohren vom Kopf
freſſen ſoll? Ich ſchämte mich, und legte das Brot,
von dem ich mir gerade ein Stück abſchneiden wollte,
ſchnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte
ſich über das wohlgemeinte Wort, ſie hielt ihr Rad
an und verſetzte hitzig, ihr Sohn ſey brav und gut.
Nun, das wollen wir ſehen, ſagte der Meiſter, wenn
er Luſt hat, kann er gleich, wie er da ſteht, mit mir
in die Werkſtatt gehen, Lehrgeld verlang’ ich nicht,
die Koſt bekommt er, für Kleider will ich auch ſorgen,
und wenn er früh aufſtehen und ſpät zu Bette gehen
will, ſo ſoll’s ihm an Gelegenheit, hin und wieder
ein gutes Trinkgeld für ſeine alte Mutter zu verdie-
nen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an,
ich zu tanzen, als wir endlich zu Wort kamen, hielt
der Meiſter ſich die Ohren zu, ſchritt hinaus und
winkte mir. Den Hut braucht’ ich nicht aufzuſetzen,
denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur
Adjes zu ſagen, folgt’ ich ihm, und als ich am näch-
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