Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844. Leonhard. So ging der alte Gebhard bis an sein Ende! Meister Anton. Der Narbe wegen. Und Er käme noch eben zur rechten Zeit, Er könnte retten und helfen, aber nicht bloß dadurch, daß Er ihn das Messer aus der Hand risse und die Wunde verbände, sondern Er müßte auch lumpige tausend Thaler, die Er erspart hätte, hergeben, und das müßte sogar, um den kranken Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz in der Stille geschehen, was würde Er thun? Leonhard. Ledig und los, wie ich bin, ohne Weib und Kind, würde ich das Geld opfern. Meister Anton. Und wenn Er zehn Weiber hätte, wie die Türken, und so viel Kinder, als dem Vater Abraham ver- sprochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen Augenblick bedenken, so wär' Er -- nun, Er wird mein Schwiegersohn! Jetzt weiß Er, wo das Geld geblieben ist, heute konnt' ich es Ihm sagen, denn mein alter Meister ist begraben, vor einem Monat Leonhard. So ging der alte Gebhard bis an ſein Ende! Meiſter Anton. Der Narbe wegen. Und Er käme noch eben zur rechten Zeit, Er könnte retten und helfen, aber nicht bloß dadurch, daß Er ihn das Meſſer aus der Hand riſſe und die Wunde verbände, ſondern Er müßte auch lumpige tauſend Thaler, die Er erſpart hätte, hergeben, und das müßte ſogar, um den kranken Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz in der Stille geſchehen, was würde Er thun? Leonhard. Ledig und los, wie ich bin, ohne Weib und Kind, würde ich das Geld opfern. Meiſter Anton. Und wenn Er zehn Weiber hätte, wie die Türken, und ſo viel Kinder, als dem Vater Abraham ver- ſprochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen Augenblick bedenken, ſo wär’ Er — nun, Er wird mein Schwiegerſohn! Jetzt weiß Er, wo das Geld geblieben iſt, heute konnt’ ich es Ihm ſagen, denn mein alter Meiſter iſt begraben, vor einem Monat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" n="42"/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/> <p>So ging der alte Gebhard bis an ſein Ende!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Der Narbe wegen. Und Er käme noch eben zur<lb/> rechten Zeit, Er könnte retten und helfen, aber nicht<lb/> bloß dadurch, daß Er ihn das Meſſer aus der Hand<lb/> riſſe und die Wunde verbände, ſondern Er müßte<lb/> auch lumpige tauſend Thaler, die Er erſpart hätte,<lb/> hergeben, und das müßte ſogar, um den kranken<lb/> Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz in der<lb/> Stille geſchehen, was würde Er thun?</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/> <p>Ledig und los, wie ich bin, ohne Weib und Kind,<lb/> würde ich das Geld opfern.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Und wenn Er zehn Weiber hätte, wie die Türken,<lb/> und ſo viel Kinder, als dem Vater Abraham ver-<lb/> ſprochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen<lb/> Augenblick bedenken, ſo wär’ Er — nun, Er wird<lb/> mein Schwiegerſohn! Jetzt weiß Er, wo das Geld<lb/> geblieben iſt, heute konnt’ ich es Ihm ſagen, denn<lb/> mein alter Meiſter iſt begraben, vor einem Monat<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0110]
Leonhard.
So ging der alte Gebhard bis an ſein Ende!
Meiſter Anton.
Der Narbe wegen. Und Er käme noch eben zur
rechten Zeit, Er könnte retten und helfen, aber nicht
bloß dadurch, daß Er ihn das Meſſer aus der Hand
riſſe und die Wunde verbände, ſondern Er müßte
auch lumpige tauſend Thaler, die Er erſpart hätte,
hergeben, und das müßte ſogar, um den kranken
Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz in der
Stille geſchehen, was würde Er thun?
Leonhard.
Ledig und los, wie ich bin, ohne Weib und Kind,
würde ich das Geld opfern.
Meiſter Anton.
Und wenn Er zehn Weiber hätte, wie die Türken,
und ſo viel Kinder, als dem Vater Abraham ver-
ſprochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen
Augenblick bedenken, ſo wär’ Er — nun, Er wird
mein Schwiegerſohn! Jetzt weiß Er, wo das Geld
geblieben iſt, heute konnt’ ich es Ihm ſagen, denn
mein alter Meiſter iſt begraben, vor einem Monat
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