Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
der Rückweg natürlich lang. Ich weiß auch nicht, was Du gegen das unschuldige Spiel hast. Meister Anton. Gegen das Spiel? Gar Nichts! Vornehme Her- ren müssen einen Zeitvertreib haben. Ohne den Kar- ten-König hätte der wahre König gewiß oft Langeweile, und wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß, ob Fürsten und Barone nicht mit unsern Köpfen bosseln würden! Aber ein Handwerksmann kann nicht ärger freveln, als wenn er seinen sauer verdienten Lohn auf's Spiel setzt. Der Mensch muß, was er mit schwerer Mühe im Schweiß seines Angesichts erwirbt, ehren, es hoch und werth halten, wenn er nicht an sich selbst irre werden, wenn er nicht sein ganzes Thun und Treiben verächtlich finden soll. Wie können sich alle meine Nerven spannen für den Thaler, den ich wegwerfen will. (Man hört draußen die Thürklingel.) Mutter. Da ist er. Hebbel's Maria Magdalene. 4
der Rückweg natürlich lang. Ich weiß auch nicht, was Du gegen das unſchuldige Spiel haſt. Meiſter Anton. Gegen das Spiel? Gar Nichts! Vornehme Her- ren müſſen einen Zeitvertreib haben. Ohne den Kar- ten-König hätte der wahre König gewiß oft Langeweile, und wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß, ob Fürſten und Barone nicht mit unſern Köpfen boſſeln würden! Aber ein Handwerksmann kann nicht ärger freveln, als wenn er ſeinen ſauer verdienten Lohn auf’s Spiel ſetzt. Der Menſch muß, was er mit ſchwerer Mühe im Schweiß ſeines Angeſichts erwirbt, ehren, es hoch und werth halten, wenn er nicht an ſich ſelbſt irre werden, wenn er nicht ſein ganzes Thun und Treiben verächtlich finden ſoll. Wie können ſich alle meine Nerven ſpannen für den Thaler, den ich wegwerfen will. (Man hört draußen die Thürklingel.) Mutter. Da iſt er. Hebbel’s Maria Magdalene. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MUTTER"> <p><pb facs="#f0117" n="49"/> der Rückweg natürlich lang. Ich weiß auch nicht,<lb/> was Du gegen das unſchuldige Spiel haſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Gegen das Spiel? Gar Nichts! Vornehme Her-<lb/> ren müſſen einen Zeitvertreib haben. Ohne den Kar-<lb/> ten-König hätte der wahre König gewiß oft Langeweile,<lb/> und wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß,<lb/> ob Fürſten und Barone nicht mit unſern Köpfen<lb/> boſſeln würden! Aber ein Handwerksmann kann nicht<lb/> ärger freveln, als wenn er ſeinen ſauer verdienten<lb/> Lohn auf’s Spiel ſetzt. Der Menſch muß, was er<lb/> mit ſchwerer Mühe im Schweiß ſeines Angeſichts<lb/> erwirbt, ehren, es hoch und werth halten, wenn er<lb/> nicht an ſich ſelbſt irre werden, wenn er nicht ſein<lb/> ganzes Thun und Treiben verächtlich finden ſoll.<lb/> Wie können ſich alle meine Nerven ſpannen für den<lb/> Thaler, den ich wegwerfen will.</p><lb/> <stage>(Man hört draußen die Thürklingel.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#MUTTER"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Da iſt er.</p> </sp> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Hebbel’s Maria Magdalene. 4</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [49/0117]
der Rückweg natürlich lang. Ich weiß auch nicht,
was Du gegen das unſchuldige Spiel haſt.
Meiſter Anton.
Gegen das Spiel? Gar Nichts! Vornehme Her-
ren müſſen einen Zeitvertreib haben. Ohne den Kar-
ten-König hätte der wahre König gewiß oft Langeweile,
und wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß,
ob Fürſten und Barone nicht mit unſern Köpfen
boſſeln würden! Aber ein Handwerksmann kann nicht
ärger freveln, als wenn er ſeinen ſauer verdienten
Lohn auf’s Spiel ſetzt. Der Menſch muß, was er
mit ſchwerer Mühe im Schweiß ſeines Angeſichts
erwirbt, ehren, es hoch und werth halten, wenn er
nicht an ſich ſelbſt irre werden, wenn er nicht ſein
ganzes Thun und Treiben verächtlich finden ſoll.
Wie können ſich alle meine Nerven ſpannen für den
Thaler, den ich wegwerfen will.
(Man hört draußen die Thürklingel.)
Mutter.
Da iſt er.
Hebbel’s Maria Magdalene. 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |