Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844. Klara. (faßt seine Hand) Vater, Er sollte sich eine halbe Stunde niederlegen! Meister Anton. Um zu träumen, daß Du in die Wochen gekom- men seyst? Um dann aufzufahren, und Dich zu packen, und mich hinterdrein zu besinnen und zu sprechen: liebe Tochter, ich wußte nicht, was ich that! Ich danke. Mein Schlaf hat den Gaukler verabschiedet und einen Propheten in Dienst genommen, der zeigt mir mit seinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich weiß nicht, wie's kommt, Alles scheint mir jetzt mög- lich. Hu, mich schaudert's vor der Zukunft, wie vor einem Glas Wasser, das man durch's Microscop -- ist's richtig, Herr Cantor? Er hat mir's oft genug vorbuchstabirt! -- betrachtet hat. Ich thats einmal in Nürnberg auf der Messe, und mogte den ganzen Tag nicht mehr trinken! Den lieben Karl sah ich in der letzten Nacht mit einer Pistole in der Hand, als ich den Schützen näher in's Auge faßte, drückte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor Pul- verdampf konnt' ich nichts sehen, auch als der Dampf Klara. (faßt ſeine Hand) Vater, Er ſollte ſich eine halbe Stunde niederlegen! Meiſter Anton. Um zu träumen, daß Du in die Wochen gekom- men ſeyſt? Um dann aufzufahren, und Dich zu packen, und mich hinterdrein zu beſinnen und zu ſprechen: liebe Tochter, ich wußte nicht, was ich that! Ich danke. Mein Schlaf hat den Gaukler verabſchiedet und einen Propheten in Dienſt genommen, der zeigt mir mit ſeinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich weiß nicht, wie’s kommt, Alles ſcheint mir jetzt mög- lich. Hu, mich ſchaudert’s vor der Zukunft, wie vor einem Glas Waſſer, das man durch’s Microscop — iſt’s richtig, Herr Cantor? Er hat mir’s oft genug vorbuchſtabirt! — betrachtet hat. Ich thats einmal in Nürnberg auf der Meſſe, und mogte den ganzen Tag nicht mehr trinken! Den lieben Karl ſah ich in der letzten Nacht mit einer Piſtole in der Hand, als ich den Schützen näher in’s Auge faßte, drückte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor Pul- verdampf konnt’ ich nichts ſehen, auch als der Dampf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0129" n="61"/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <stage>(faßt ſeine Hand)</stage> <p>Vater, Er ſollte ſich eine halbe<lb/> Stunde niederlegen!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Um zu träumen, daß Du in die Wochen gekom-<lb/> men ſeyſt? Um dann aufzufahren, und Dich zu packen,<lb/> und mich hinterdrein zu beſinnen und zu ſprechen:<lb/> liebe Tochter, ich wußte nicht, was ich that! Ich<lb/> danke. Mein Schlaf hat den Gaukler verabſchiedet<lb/> und einen Propheten in Dienſt genommen, der zeigt<lb/> mir mit ſeinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich<lb/> weiß nicht, wie’s kommt, Alles ſcheint mir jetzt mög-<lb/> lich. Hu, mich ſchaudert’s vor der Zukunft, wie vor<lb/> einem Glas Waſſer, das man durch’s Microscop<lb/> — iſt’s richtig, Herr Cantor? Er hat mir’s oft<lb/> genug vorbuchſtabirt! — betrachtet hat. Ich thats<lb/> einmal in Nürnberg auf der Meſſe, und mogte den<lb/> ganzen Tag nicht mehr trinken! Den lieben Karl<lb/> ſah ich in der letzten Nacht mit einer Piſtole in der<lb/> Hand, als ich den Schützen näher in’s Auge faßte,<lb/> drückte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor Pul-<lb/> verdampf konnt’ ich nichts ſehen, auch als der Dampf<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0129]
Klara.
(faßt ſeine Hand) Vater, Er ſollte ſich eine halbe
Stunde niederlegen!
Meiſter Anton.
Um zu träumen, daß Du in die Wochen gekom-
men ſeyſt? Um dann aufzufahren, und Dich zu packen,
und mich hinterdrein zu beſinnen und zu ſprechen:
liebe Tochter, ich wußte nicht, was ich that! Ich
danke. Mein Schlaf hat den Gaukler verabſchiedet
und einen Propheten in Dienſt genommen, der zeigt
mir mit ſeinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich
weiß nicht, wie’s kommt, Alles ſcheint mir jetzt mög-
lich. Hu, mich ſchaudert’s vor der Zukunft, wie vor
einem Glas Waſſer, das man durch’s Microscop
— iſt’s richtig, Herr Cantor? Er hat mir’s oft
genug vorbuchſtabirt! — betrachtet hat. Ich thats
einmal in Nürnberg auf der Meſſe, und mogte den
ganzen Tag nicht mehr trinken! Den lieben Karl
ſah ich in der letzten Nacht mit einer Piſtole in der
Hand, als ich den Schützen näher in’s Auge faßte,
drückte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor Pul-
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