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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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was Neues! Ich sage es Euch, Ihr, die Ihr Euch
dramatische Dichter nennt, wenn Ihr Euch damit be-
gnügt, Anecdoten, historische oder andere, es gilt gleich,
in Scene zu setzen, oder, wenn's hoch kommt,
einen Character in seinem psychologischen Räder-
werk aus einander zu legen, so steht Ihr, Ihr
mögt nun die Thränenfistel pressen oder die Lach-
muskeln erschüttern, wie Ihr wollt, um Nichts hö-
her, als unser bekannter Vetter von Thespis her,
der in seiner Bude die Marionetten tanzen läßt.
Nur wo ein Problem vorliegt, hat Eure Kunst
etwas zu schaffen, wo Euch aber ein solches auf-
geht, wo Euch das Leben in seiner Gebrochen-
heit
entgegen tritt und zugleich in Eurem Geist,
denn Beides muß zusammen fallen, das Mo-
ment der Idee
, in dem es die verlorne Ein-
heit
wieder findet, da ergreift es, und kümmert
Euch nicht darum, daß der ästhetische Pöbel in der
Krankheit selbst die Gesundheit aufgezeigt
haben will, da Ihr doch nur den Uebergang zur
Gesundheit aufzeigen und das Fieber allerdings
nicht heilen könnt, ohne Euch mit dem Fieber ein-
zulassen, denn dieser Pöbel, der Euch über die Pa-

was Neues! Ich ſage es Euch, Ihr, die Ihr Euch
dramatiſche Dichter nennt, wenn Ihr Euch damit be-
gnügt, Anecdoten, hiſtoriſche oder andere, es gilt gleich,
in Scene zu ſetzen, oder, wenn’s hoch kommt,
einen Character in ſeinem pſychologiſchen Räder-
werk aus einander zu legen, ſo ſteht Ihr, Ihr
mögt nun die Thränenfiſtel preſſen oder die Lach-
muskeln erſchüttern, wie Ihr wollt, um Nichts hö-
her, als unſer bekannter Vetter von Thespis her,
der in ſeiner Bude die Marionetten tanzen läßt.
Nur wo ein Problem vorliegt, hat Eure Kunſt
etwas zu ſchaffen, wo Euch aber ein ſolches auf-
geht, wo Euch das Leben in ſeiner Gebrochen-
heit
entgegen tritt und zugleich in Eurem Geiſt,
denn Beides muß zuſammen fallen, das Mo-
ment der Idee
, in dem es die verlorne Ein-
heit
wieder findet, da ergreift es, und kümmert
Euch nicht darum, daß der äſthetiſche Pöbel in der
Krankheit ſelbſt die Geſundheit aufgezeigt
haben will, da Ihr doch nur den Uebergang zur
Geſundheit aufzeigen und das Fieber allerdings
nicht heilen könnt, ohne Euch mit dem Fieber ein-
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[XII/0032] was Neues! Ich ſage es Euch, Ihr, die Ihr Euch dramatiſche Dichter nennt, wenn Ihr Euch damit be- gnügt, Anecdoten, hiſtoriſche oder andere, es gilt gleich, in Scene zu ſetzen, oder, wenn’s hoch kommt, einen Character in ſeinem pſychologiſchen Räder- werk aus einander zu legen, ſo ſteht Ihr, Ihr mögt nun die Thränenfiſtel preſſen oder die Lach- muskeln erſchüttern, wie Ihr wollt, um Nichts hö- her, als unſer bekannter Vetter von Thespis her, der in ſeiner Bude die Marionetten tanzen läßt. Nur wo ein Problem vorliegt, hat Eure Kunſt etwas zu ſchaffen, wo Euch aber ein ſolches auf- geht, wo Euch das Leben in ſeiner Gebrochen- heit entgegen tritt und zugleich in Eurem Geiſt, denn Beides muß zuſammen fallen, das Mo- ment der Idee, in dem es die verlorne Ein- heit wieder findet, da ergreift es, und kümmert Euch nicht darum, daß der äſthetiſche Pöbel in der Krankheit ſelbſt die Geſundheit aufgezeigt haben will, da Ihr doch nur den Uebergang zur Geſundheit aufzeigen und das Fieber allerdings nicht heilen könnt, ohne Euch mit dem Fieber ein- zulaſſen, denn dieſer Pöbel, der Euch über die Pa-

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/32>, abgerufen am 21.11.2024.