Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.dem leiblichen, dessen Gebundenseyn an die Natur Ich sagte: die dramatische Kunst soll den welt- dem leiblichen, deſſen Gebundenſeyn an die Natur Ich ſagte: die dramatiſche Kunſt ſoll den welt- <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="XV"/> dem leiblichen, deſſen Gebundenſeyn an die Natur<lb/> freilich heller in die Augen ſpringt, gewiß nicht<lb/> zuſprechen würden. Den Gevatter Handwerker,<lb/> deſſen ich oben gedachte, mag man ſchelten, wenn<lb/> er etwas bringt, was dem gnädigen Herrn<lb/> mit vielen Köpfen nicht behagt, denn der wackere<lb/> Mann kann das Eine ſo gut liefern als das An-<lb/> dere, er hat ſich, als er ſeine Anecdote aus-<lb/> wählte, bloß im Effect verrechnet und für Re-<lb/> chenfehler iſt Jedermann verantwortlich; dem Dich-<lb/> ter dagegen muß man verzeihen, wenn er es<lb/> nicht trifft, er hat keine Wahl, er hat nicht einmal<lb/> die Wahl, ob er ein Werk überhaupt hervorbringen<lb/> will, oder nicht, denn das einmal lebendig Gewor-<lb/> dene läßt ſich nicht zurück verdauen, es läßt ſich<lb/> nicht wieder in Blut verwandeln, ſondern muß in<lb/> freier Selbſtſtändigkeit hervortreten, und eine un-<lb/> terdrückte oder unmögliche geiſtige Entbindung kann<lb/> eben ſo gut, wie eine leibliche, die Vernichtung, ſey<lb/> es nun durch den Tod, oder durch den Wahnſinn,<lb/> nach ſich ziehen. Man denke an Goethes Jugend-<lb/> Genoſſen Lenz, an Hölderlin, an Grabbe.</p><lb/> <p>Ich ſagte: die dramatiſche Kunſt ſoll den welt-<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [XV/0035]
dem leiblichen, deſſen Gebundenſeyn an die Natur
freilich heller in die Augen ſpringt, gewiß nicht
zuſprechen würden. Den Gevatter Handwerker,
deſſen ich oben gedachte, mag man ſchelten, wenn
er etwas bringt, was dem gnädigen Herrn
mit vielen Köpfen nicht behagt, denn der wackere
Mann kann das Eine ſo gut liefern als das An-
dere, er hat ſich, als er ſeine Anecdote aus-
wählte, bloß im Effect verrechnet und für Re-
chenfehler iſt Jedermann verantwortlich; dem Dich-
ter dagegen muß man verzeihen, wenn er es
nicht trifft, er hat keine Wahl, er hat nicht einmal
die Wahl, ob er ein Werk überhaupt hervorbringen
will, oder nicht, denn das einmal lebendig Gewor-
dene läßt ſich nicht zurück verdauen, es läßt ſich
nicht wieder in Blut verwandeln, ſondern muß in
freier Selbſtſtändigkeit hervortreten, und eine un-
terdrückte oder unmögliche geiſtige Entbindung kann
eben ſo gut, wie eine leibliche, die Vernichtung, ſey
es nun durch den Tod, oder durch den Wahnſinn,
nach ſich ziehen. Man denke an Goethes Jugend-
Genoſſen Lenz, an Hölderlin, an Grabbe.
Ich ſagte: die dramatiſche Kunſt ſoll den welt-
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