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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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auch dem zweiten Factor meiner Dichtungen einige
Würdigung widerfahren lassen möge, da sich natür-
lich ein ganz anderes Urtheil über Anlage und
Ausführung ergiebt, wenn man sie bloß in Bezug
auf die behandelte Anecdote betrachtet, als wenn
man sie nach dem zu bewältigenden Ideen-Kern,
der Manches nothwendig machen kann, was für
jene überflüssig ist, bemißt. Der erste Recensent,
den meine Genoveva fand, glaubte in jener Bezeich-
nung meiner Dramen eine der Majestät der Poesie
nicht würdige Concession an die Zeitungspoetik un-
serer Tage zu erblicken und fragte mich, wo denn
in meinen Stücken jene Epigrammatie und Bezüg-
lichkeit, die man jetzt zeitgemäß nenne, anzutreffen
sey. Ich habe ihm hierauf Nichts zu antworten,
als daß ich die Begriffe der Zeit und des Zei-
tungsblatts
nicht so identisch finde, wie er zu
thun scheint, falls sein sonderbarer Einwurf anders
ernst gemeint und nicht bloß darauf gerichtet war,
mir die hier gegebene nähere Entwickelung meiner
vielleicht zu lakonisch hingestellten Gedanken abzu-
dringen. Ich weiß übrigens recht gut, daß sich
heut zu Tage eine ganz andere Zeitpoesie in Deutsch-

Hebbel's Maria Magdalene. b

auch dem zweiten Factor meiner Dichtungen einige
Würdigung widerfahren laſſen möge, da ſich natür-
lich ein ganz anderes Urtheil über Anlage und
Ausführung ergiebt, wenn man ſie bloß in Bezug
auf die behandelte Anecdote betrachtet, als wenn
man ſie nach dem zu bewältigenden Ideen-Kern,
der Manches nothwendig machen kann, was für
jene überflüſſig iſt, bemißt. Der erſte Recenſent,
den meine Genoveva fand, glaubte in jener Bezeich-
nung meiner Dramen eine der Majeſtät der Poeſie
nicht würdige Conceſſion an die Zeitungspoetik un-
ſerer Tage zu erblicken und fragte mich, wo denn
in meinen Stücken jene Epigrammatie und Bezüg-
lichkeit, die man jetzt zeitgemäß nenne, anzutreffen
ſey. Ich habe ihm hierauf Nichts zu antworten,
als daß ich die Begriffe der Zeit und des Zei-
tungsblatts
nicht ſo identiſch finde, wie er zu
thun ſcheint, falls ſein ſonderbarer Einwurf anders
ernſt gemeint und nicht bloß darauf gerichtet war,
mir die hier gegebene nähere Entwickelung meiner
vielleicht zu lakoniſch hingeſtellten Gedanken abzu-
dringen. Ich weiß übrigens recht gut, daß ſich
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[XVII/0037] auch dem zweiten Factor meiner Dichtungen einige Würdigung widerfahren laſſen möge, da ſich natür- lich ein ganz anderes Urtheil über Anlage und Ausführung ergiebt, wenn man ſie bloß in Bezug auf die behandelte Anecdote betrachtet, als wenn man ſie nach dem zu bewältigenden Ideen-Kern, der Manches nothwendig machen kann, was für jene überflüſſig iſt, bemißt. Der erſte Recenſent, den meine Genoveva fand, glaubte in jener Bezeich- nung meiner Dramen eine der Majeſtät der Poeſie nicht würdige Conceſſion an die Zeitungspoetik un- ſerer Tage zu erblicken und fragte mich, wo denn in meinen Stücken jene Epigrammatie und Bezüg- lichkeit, die man jetzt zeitgemäß nenne, anzutreffen ſey. Ich habe ihm hierauf Nichts zu antworten, als daß ich die Begriffe der Zeit und des Zei- tungsblatts nicht ſo identiſch finde, wie er zu thun ſcheint, falls ſein ſonderbarer Einwurf anders ernſt gemeint und nicht bloß darauf gerichtet war, mir die hier gegebene nähere Entwickelung meiner vielleicht zu lakoniſch hingeſtellten Gedanken abzu- dringen. Ich weiß übrigens recht gut, daß ſich heut zu Tage eine ganz andere Zeitpoeſie in Deutſch- Hebbel’s Maria Magdalene. b

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/37>, abgerufen am 03.12.2024.