Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.Offizier wurde zu einem Edelmann einquartirt, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hiengen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bey diesem Mann gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirth, daß er ihm eins von diesen Gemählden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirth sagte, daß er das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frey, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte. Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeynt. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. Mein Herr Obrist, so sprach er mit sichtbarer Unruhe, warum wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache werth ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort. Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein Hauswirth immer mehr und mehr in Angst gerieth, sondern nahm geradezu das gewählte Gemählde herunter. Jezt erschien an der Mauer, wo dasselbe gewesen war, ein großer feuchter Fleck. "Was soll das seyn? sprach der Offizier, wie erzürnt, zu seinem todtblassen Wirth, that einen Stoß, und auf einmal fielen ein Paar frisch gemauerte und übertünchte Offizier wurde zu einem Edelmann einquartirt, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hiengen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bey diesem Mann gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirth, daß er ihm eins von diesen Gemählden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirth sagte, daß er das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frey, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte. Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeynt. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. Mein Herr Obrist, so sprach er mit sichtbarer Unruhe, warum wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache werth ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort. Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein Hauswirth immer mehr und mehr in Angst gerieth, sondern nahm geradezu das gewählte Gemählde herunter. Jezt erschien an der Mauer, wo dasselbe gewesen war, ein großer feuchter Fleck. „Was soll das seyn? sprach der Offizier, wie erzürnt, zu seinem todtblassen Wirth, that einen Stoß, und auf einmal fielen ein Paar frisch gemauerte und übertünchte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="129"/> Offizier wurde zu einem Edelmann einquartirt, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hiengen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bey diesem Mann gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirth, daß er ihm eins von diesen Gemählden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirth sagte, daß er das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frey, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte.</p> <p>Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeynt. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. Mein Herr Obrist, so sprach er mit sichtbarer Unruhe, warum wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache werth ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort. Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein Hauswirth immer mehr und mehr in Angst gerieth, sondern nahm geradezu das gewählte Gemählde herunter. Jezt erschien an der Mauer, wo dasselbe gewesen war, ein großer feuchter Fleck. „Was soll das seyn? sprach der Offizier, wie erzürnt, zu seinem todtblassen Wirth, that einen Stoß, und auf einmal fielen ein Paar frisch gemauerte und übertünchte </p> </div> </body> </text> </TEI> [129/0137]
Offizier wurde zu einem Edelmann einquartirt, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hiengen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bey diesem Mann gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirth, daß er ihm eins von diesen Gemählden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirth sagte, daß er das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frey, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte.
Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeynt. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. Mein Herr Obrist, so sprach er mit sichtbarer Unruhe, warum wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache werth ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort. Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein Hauswirth immer mehr und mehr in Angst gerieth, sondern nahm geradezu das gewählte Gemählde herunter. Jezt erschien an der Mauer, wo dasselbe gewesen war, ein großer feuchter Fleck. „Was soll das seyn? sprach der Offizier, wie erzürnt, zu seinem todtblassen Wirth, that einen Stoß, und auf einmal fielen ein Paar frisch gemauerte und übertünchte
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