Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

der langen Wüste." - Jezt, dachte der Jude, ist es Zeit das Schäflein zu scheren, und schlug vor, man sollte sich in der Reihe herum allerley kuriose Fragen vorlegen, und er wolle mit Erlaubniß auch mit halten. Wer sie nicht beantworten kann, soll dem Aufgeber ein Zwölfkreuzerstück bezahlen, wer sie gut beantwortet, soll einen Zwölfer bekommen. Das war der ganzen Gesellschaft recht, und weil sie sich an der Dummheit oder an dem Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte jeder in den Tag hinein, was ihm einfiel. So fragte z. B. der Erste: Wie viel weichgesottene Eyer konnte der Riese Goliath nüchtern essen? - Alle sagten, das sey nicht zu erraten und bezahlten ihre Zwölfer. Aber der Jud sagte: "Eins, denn wer Ein Ey gegessen hat, ißt das Zweite nimmer nüchtern. Der Zwölfer war gewonnen.

Der Andere dachte: Wart Jude, ich will dich aus dem Neuen Testament fragen, so soll mir dein Zwölfer nicht entgehen. "Warum hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an die Corinther geschrieben? Der Jud sagte: "Er wird nicht bey ihnen gewesen seyn, sonst hätt' ers ihnen mündlich sagen können." Wieder ein Zwölfer.

Als der Dritte sah, daß der Jude in der Bibel so gut beschlagen sey, fieng ers auf eine andere Art an: Wer zieht sein Geschäft in die Länge, und wird doch zu rechter Zeit fertig? Der Jud sagte: Der Seiler, wenn er fleißig ist.

Der Vierte. Wer bekommt noch Geld dazu, und läßt sich dafür bezahlen, wenn er den Leuten etwas weiß macht? Der Jud sagte: Der Bleicher.

der langen Wüste.“ – Jezt, dachte der Jude, ist es Zeit das Schäflein zu scheren, und schlug vor, man sollte sich in der Reihe herum allerley kuriose Fragen vorlegen, und er wolle mit Erlaubniß auch mit halten. Wer sie nicht beantworten kann, soll dem Aufgeber ein Zwölfkreuzerstück bezahlen, wer sie gut beantwortet, soll einen Zwölfer bekommen. Das war der ganzen Gesellschaft recht, und weil sie sich an der Dummheit oder an dem Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte jeder in den Tag hinein, was ihm einfiel. So fragte z. B. der Erste: Wie viel weichgesottene Eyer konnte der Riese Goliath nüchtern essen? – Alle sagten, das sey nicht zu erraten und bezahlten ihre Zwölfer. Aber der Jud sagte: „Eins, denn wer Ein Ey gegessen hat, ißt das Zweite nimmer nüchtern. Der Zwölfer war gewonnen.

Der Andere dachte: Wart Jude, ich will dich aus dem Neuen Testament fragen, so soll mir dein Zwölfer nicht entgehen. „Warum hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an die Corinther geschrieben? Der Jud sagte: „Er wird nicht bey ihnen gewesen seyn, sonst hätt’ ers ihnen mündlich sagen können.“ Wieder ein Zwölfer.

Als der Dritte sah, daß der Jude in der Bibel so gut beschlagen sey, fieng ers auf eine andere Art an: Wer zieht sein Geschäft in die Länge, und wird doch zu rechter Zeit fertig? Der Jud sagte: Der Seiler, wenn er fleißig ist.

Der Vierte. Wer bekommt noch Geld dazu, und läßt sich dafür bezahlen, wenn er den Leuten etwas weiß macht? Der Jud sagte: Der Bleicher.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="214"/>
der langen Wüste.&#x201C; &#x2013; Jezt, dachte der Jude, ist es Zeit das Schäflein zu scheren, und schlug vor, man sollte sich in der Reihe herum allerley kuriose Fragen vorlegen, und er wolle mit Erlaubniß auch mit halten. Wer sie nicht beantworten kann, soll dem Aufgeber ein Zwölfkreuzerstück bezahlen, wer sie gut beantwortet, soll einen Zwölfer bekommen. Das war der ganzen Gesellschaft recht, und weil sie sich an der Dummheit oder an dem Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte jeder in den Tag hinein, was ihm einfiel. So fragte z. B. <hi rendition="#g">der Erste</hi>: Wie viel weichgesottene Eyer konnte der Riese Goliath nüchtern essen? &#x2013; Alle sagten, das sey nicht zu erraten und bezahlten ihre Zwölfer. Aber der Jud sagte: &#x201E;<hi rendition="#g">Eins</hi>, denn wer Ein Ey gegessen hat, ißt das Zweite nimmer nüchtern. Der Zwölfer war gewonnen.</p>
        <p>Der <hi rendition="#g">Andere</hi> dachte: Wart Jude, ich will dich aus dem <hi rendition="#g">Neuen</hi> Testament fragen, so soll mir dein Zwölfer nicht entgehen. &#x201E;Warum hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an die Corinther geschrieben? Der Jud sagte: &#x201E;Er wird nicht bey ihnen gewesen seyn, sonst hätt&#x2019; ers ihnen mündlich sagen können.&#x201C; Wieder ein Zwölfer.</p>
        <p>Als der <hi rendition="#g">Dritte</hi> sah, daß der Jude in der Bibel so gut beschlagen sey, fieng ers auf eine andere Art an: Wer zieht sein Geschäft in die Länge, und wird doch zu rechter Zeit fertig? Der Jud sagte: Der <hi rendition="#g">Seiler</hi>, wenn er fleißig ist.</p>
        <p>Der <hi rendition="#g">Vierte</hi>. Wer bekommt noch Geld dazu, und läßt sich dafür bezahlen, wenn er den Leuten etwas weiß macht? Der Jud sagte: <hi rendition="#g">Der Bleicher</hi>.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0222] der langen Wüste.“ – Jezt, dachte der Jude, ist es Zeit das Schäflein zu scheren, und schlug vor, man sollte sich in der Reihe herum allerley kuriose Fragen vorlegen, und er wolle mit Erlaubniß auch mit halten. Wer sie nicht beantworten kann, soll dem Aufgeber ein Zwölfkreuzerstück bezahlen, wer sie gut beantwortet, soll einen Zwölfer bekommen. Das war der ganzen Gesellschaft recht, und weil sie sich an der Dummheit oder an dem Witz des Juden zu belustigen hofften, fragte jeder in den Tag hinein, was ihm einfiel. So fragte z. B. der Erste: Wie viel weichgesottene Eyer konnte der Riese Goliath nüchtern essen? – Alle sagten, das sey nicht zu erraten und bezahlten ihre Zwölfer. Aber der Jud sagte: „Eins, denn wer Ein Ey gegessen hat, ißt das Zweite nimmer nüchtern. Der Zwölfer war gewonnen. Der Andere dachte: Wart Jude, ich will dich aus dem Neuen Testament fragen, so soll mir dein Zwölfer nicht entgehen. „Warum hat der Apostel Paulus den zweiten Brief an die Corinther geschrieben? Der Jud sagte: „Er wird nicht bey ihnen gewesen seyn, sonst hätt’ ers ihnen mündlich sagen können.“ Wieder ein Zwölfer. Als der Dritte sah, daß der Jude in der Bibel so gut beschlagen sey, fieng ers auf eine andere Art an: Wer zieht sein Geschäft in die Länge, und wird doch zu rechter Zeit fertig? Der Jud sagte: Der Seiler, wenn er fleißig ist. Der Vierte. Wer bekommt noch Geld dazu, und läßt sich dafür bezahlen, wenn er den Leuten etwas weiß macht? Der Jud sagte: Der Bleicher.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/222
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/222>, abgerufen am 21.11.2024.