Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder, wie in der vorigen Erzählung, als sie das Säulein stahlen, des rothen Dieters Stimme an, und es ist wieder eben so wahr. "Frau, sagte er mit ängstlicher Stimme, der Kerl ist maustodt, und denk nur, es ist des Schultheißen Sohn. Jetzt gib mir geschwind das Leintuch, so will ich ihn darin forttragen in den Wald, und will ihn dort einscharren, sonst gehts zu bösen Häusern." Die Frau erschrickt, richtet sich auf, und gibt ihm das Leintuch. Kaum war er fort, so kommt der rechte Dieter wieder und sagt ganz getröstet: Frau, es ist nur ein dummer Bubenstreich gewesen, und der Dieb ist von Stroh. Als aber die Frau ihn fragte: wo hast du denn das Leintuch, und lag auf dem bloßen Spreuersack, da giengen dem Dieter erst die Augen auf, und sagte: O ihr vermaledeiten Spitzbuben! Jetzt ists doch der Frieder gewesen und der Heiner, und kein anderer.

Aber auf dem Heimweg sagte der Frieder zum Heiner: Aber jetzt Bruder, wollen wirs bleiben lassen. Denn im Zuchthaus ist doch auch alles schlecht, was man bekommt, ausgenommen die Prügel, und zum Fensterlein hinaus auf der Landstraße hat man etwas vor den Augen, das auch nicht aussieht, als wenn man gern dran hängen möchte. Also wurde auch der Frieder wieder ehrlich. Aber der Heiner sagte: Ich gebs noch nicht auf.


Der kluge Sultan.

Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat ein armer

wieder, wie in der vorigen Erzählung, als sie das Säulein stahlen, des rothen Dieters Stimme an, und es ist wieder eben so wahr. „Frau, sagte er mit ängstlicher Stimme, der Kerl ist maustodt, und denk nur, es ist des Schultheißen Sohn. Jetzt gib mir geschwind das Leintuch, so will ich ihn darin forttragen in den Wald, und will ihn dort einscharren, sonst gehts zu bösen Häusern.“ Die Frau erschrickt, richtet sich auf, und gibt ihm das Leintuch. Kaum war er fort, so kommt der rechte Dieter wieder und sagt ganz getröstet: Frau, es ist nur ein dummer Bubenstreich gewesen, und der Dieb ist von Stroh. Als aber die Frau ihn fragte: wo hast du denn das Leintuch, und lag auf dem bloßen Spreuersack, da giengen dem Dieter erst die Augen auf, und sagte: O ihr vermaledeiten Spitzbuben! Jetzt ists doch der Frieder gewesen und der Heiner, und kein anderer.

Aber auf dem Heimweg sagte der Frieder zum Heiner: Aber jetzt Bruder, wollen wirs bleiben lassen. Denn im Zuchthaus ist doch auch alles schlecht, was man bekommt, ausgenommen die Prügel, und zum Fensterlein hinaus auf der Landstraße hat man etwas vor den Augen, das auch nicht aussieht, als wenn man gern dran hängen möchte. Also wurde auch der Frieder wieder ehrlich. Aber der Heiner sagte: Ich gebs noch nicht auf.


Der kluge Sultan.

Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat ein armer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="223"/>
wieder, wie in der vorigen Erzählung, als sie das Säulein stahlen, des rothen Dieters Stimme an, und es ist wieder eben so wahr. &#x201E;Frau, sagte er mit ängstlicher Stimme, der Kerl ist maustodt, und denk nur, es ist des Schultheißen Sohn. Jetzt gib mir geschwind das Leintuch, so will ich ihn darin forttragen in den Wald, und will ihn dort einscharren, sonst gehts zu bösen Häusern.&#x201C; Die Frau erschrickt, richtet sich auf, und gibt ihm das Leintuch. Kaum war er fort, so kommt der rechte Dieter wieder und sagt ganz getröstet: Frau, es ist nur ein dummer Bubenstreich gewesen, und der Dieb ist von Stroh. Als aber die Frau ihn fragte: wo hast du denn das Leintuch, und lag auf dem bloßen Spreuersack, da giengen dem Dieter erst die Augen auf, und sagte: O ihr vermaledeiten Spitzbuben! Jetzt ists doch der Frieder gewesen und der Heiner, und kein anderer.</p>
        <p>Aber auf dem Heimweg sagte der Frieder zum Heiner: Aber jetzt Bruder, wollen wirs bleiben lassen. Denn im Zuchthaus ist doch auch alles schlecht, was man bekommt, ausgenommen die Prügel, und zum Fensterlein hinaus auf der Landstraße hat man etwas vor den Augen, das auch nicht aussieht, als wenn man gern dran hängen möchte. Also wurde auch der Frieder wieder ehrlich. Aber der Heiner sagte: Ich gebs noch nicht auf.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Der kluge Sultan.</head><lb/>
        <p>Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat ein armer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0231] wieder, wie in der vorigen Erzählung, als sie das Säulein stahlen, des rothen Dieters Stimme an, und es ist wieder eben so wahr. „Frau, sagte er mit ängstlicher Stimme, der Kerl ist maustodt, und denk nur, es ist des Schultheißen Sohn. Jetzt gib mir geschwind das Leintuch, so will ich ihn darin forttragen in den Wald, und will ihn dort einscharren, sonst gehts zu bösen Häusern.“ Die Frau erschrickt, richtet sich auf, und gibt ihm das Leintuch. Kaum war er fort, so kommt der rechte Dieter wieder und sagt ganz getröstet: Frau, es ist nur ein dummer Bubenstreich gewesen, und der Dieb ist von Stroh. Als aber die Frau ihn fragte: wo hast du denn das Leintuch, und lag auf dem bloßen Spreuersack, da giengen dem Dieter erst die Augen auf, und sagte: O ihr vermaledeiten Spitzbuben! Jetzt ists doch der Frieder gewesen und der Heiner, und kein anderer. Aber auf dem Heimweg sagte der Frieder zum Heiner: Aber jetzt Bruder, wollen wirs bleiben lassen. Denn im Zuchthaus ist doch auch alles schlecht, was man bekommt, ausgenommen die Prügel, und zum Fensterlein hinaus auf der Landstraße hat man etwas vor den Augen, das auch nicht aussieht, als wenn man gern dran hängen möchte. Also wurde auch der Frieder wieder ehrlich. Aber der Heiner sagte: Ich gebs noch nicht auf. Der kluge Sultan. Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat ein armer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/231
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/231>, abgerufen am 21.11.2024.