Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

ein gemeinschaftliches Minimum des Wissens, für dessen Erwerbung
auch ein gemeinschaftlicher Unterricht zu gestatten ist; aber darüber
hinaus ist wohl zu unterscheiden, was jedem Stande, jedem Geschlechte
am meisten frommt, was seinen religiösen, bürgerlichen und häuslichen
Zwecken am nächsten und sichersten dient, und in den Kreis des Schul-
unterrichts gezogen werden kann. Dafür muß denn aber auch die
Zeit gewonnen werden, und das Entbehrlichere dem Wesentlichen nach-
stehen, was unter den oben angegebenen Bedingungen, für deren Er-
füllung die Ortsvorstände und die Lehrer verantwortlich sind, keine
Schwierigkeit haben wird, ohne deshalb die Zahl der Unterrichtsstunden
zu vermehren.

2) Außer dem Mangel an Zeit, den wir in den Berichten als ein
Haupthinderniß der Einführung von Handarbeiten angegeben finden,
nimmt der Mangel an Mitteln den nächsten Platz ein, sowohl an
Mitteln zur Anschaffung des zu verarbeitenden Materials. Sondern
wir hierbei die beiden verschiedenen Zwecke des fraglichen Unterrichts,
den der praktischen Ausbildung für künftige Berufsgeschäfte überhaupt
und den des augenblicklichen Erwerbs: so kann es für den ersten Fall,
wenn die Mittel der Gemeinde für diesen Zweck nicht in Anspruch
genommen werden können, kein Bedenken haben, den Bedarf durch
eine angemessene Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen, und den
Eltern die Pflicht aufzulegen, für Anschaffung des erforderlichen Ma-
terials zu sorgen. Den Armen-Kindern wird auch hierbei, wie bei dem
Unterricht überhaupt, die Armen- oder Gemeindekasse zu Hülfe kom-
men, und die Gemeinde wird darin um so lieber einwilligen, als auf
diesem Wege eine Hauptquelle der Dürftigkeit, des Müßigganges und
der Bettelei verstopft wird. Der Erwerbszweck kann dabei im Kleinen
und für einzelne Kinder, so weit es die disponiblen Mittel gestatten,
immer schon nebenbei berücksichtigt, die Ausführung in größerem Um-
fange aber günstigeren Verhältnissen vorbehalten bleiben. Ein großes
Hinderniß des Guten liegt gerade in dem Streben, es gleich von An-
fang an in einer gewissen Vollendung gefördert sehen zu wollen, und
mit kleinen Anfängen sich nicht begnügen zu lassen. Zu diesen wird
es aber, wenn nur der rechte Wille vorhanden ist, weder an Zeit noch
an Mitteln zur Ausführung fehlen, und einzelne Beispiele haben dazu
bereits den erforderlichen Beleg gegeben. In größeren Städten darf
es allerdings nicht bei dergleichen kleinen und zerstreuten Anfängen

ein gemeinſchaftliches Minimum des Wiſſens, für deſſen Erwerbung
auch ein gemeinſchaftlicher Unterricht zu geſtatten iſt; aber darüber
hinaus iſt wohl zu unterſcheiden, was jedem Stande, jedem Geſchlechte
am meiſten frommt, was ſeinen religiöſen, bürgerlichen und häuslichen
Zwecken am nächſten und ſicherſten dient, und in den Kreis des Schul-
unterrichts gezogen werden kann. Dafür muß denn aber auch die
Zeit gewonnen werden, und das Entbehrlichere dem Weſentlichen nach-
ſtehen, was unter den oben angegebenen Bedingungen, für deren Er-
füllung die Ortsvorſtände und die Lehrer verantwortlich ſind, keine
Schwierigkeit haben wird, ohne deshalb die Zahl der Unterrichtsſtunden
zu vermehren.

2) Außer dem Mangel an Zeit, den wir in den Berichten als ein
Haupthinderniß der Einführung von Handarbeiten angegeben finden,
nimmt der Mangel an Mitteln den nächſten Platz ein, ſowohl an
Mitteln zur Anſchaffung des zu verarbeitenden Materials. Sondern
wir hierbei die beiden verſchiedenen Zwecke des fraglichen Unterrichts,
den der praktiſchen Ausbildung für künftige Berufsgeſchäfte überhaupt
und den des augenblicklichen Erwerbs: ſo kann es für den erſten Fall,
wenn die Mittel der Gemeinde für dieſen Zweck nicht in Anſpruch
genommen werden können, kein Bedenken haben, den Bedarf durch
eine angemeſſene Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen, und den
Eltern die Pflicht aufzulegen, für Anſchaffung des erforderlichen Ma-
terials zu ſorgen. Den Armen-Kindern wird auch hierbei, wie bei dem
Unterricht überhaupt, die Armen- oder Gemeindekaſſe zu Hülfe kom-
men, und die Gemeinde wird darin um ſo lieber einwilligen, als auf
dieſem Wege eine Hauptquelle der Dürftigkeit, des Müßigganges und
der Bettelei verſtopft wird. Der Erwerbszweck kann dabei im Kleinen
und für einzelne Kinder, ſo weit es die disponiblen Mittel geſtatten,
immer ſchon nebenbei berückſichtigt, die Ausführung in größerem Um-
fange aber günſtigeren Verhältniſſen vorbehalten bleiben. Ein großes
Hinderniß des Guten liegt gerade in dem Streben, es gleich von An-
fang an in einer gewiſſen Vollendung gefördert ſehen zu wollen, und
mit kleinen Anfängen ſich nicht begnügen zu laſſen. Zu dieſen wird
es aber, wenn nur der rechte Wille vorhanden iſt, weder an Zeit noch
an Mitteln zur Ausführung fehlen, und einzelne Beiſpiele haben dazu
bereits den erforderlichen Beleg gegeben. In größeren Städten darf
es allerdings nicht bei dergleichen kleinen und zerſtreuten Anfängen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0160" n="146"/>
ein gemein&#x017F;chaftliches Minimum des Wi&#x017F;&#x017F;ens, für de&#x017F;&#x017F;en Erwerbung<lb/>
auch ein gemein&#x017F;chaftlicher Unterricht zu ge&#x017F;tatten i&#x017F;t; aber darüber<lb/>
hinaus i&#x017F;t wohl zu unter&#x017F;cheiden, was jedem Stande, jedem Ge&#x017F;chlechte<lb/>
am mei&#x017F;ten frommt, was &#x017F;einen religiö&#x017F;en, bürgerlichen und häuslichen<lb/>
Zwecken am näch&#x017F;ten und &#x017F;icher&#x017F;ten dient, und in den Kreis des Schul-<lb/>
unterrichts gezogen werden kann. Dafür muß denn aber auch die<lb/>
Zeit gewonnen werden, und das Entbehrlichere dem We&#x017F;entlichen nach-<lb/>
&#x017F;tehen, was unter den oben angegebenen Bedingungen, für deren Er-<lb/>
füllung die Ortsvor&#x017F;tände und die Lehrer verantwortlich &#x017F;ind, keine<lb/>
Schwierigkeit haben wird, ohne deshalb die Zahl der Unterrichts&#x017F;tunden<lb/>
zu vermehren.</p><lb/>
            <p>2) Außer dem Mangel an Zeit, den wir in den Berichten als ein<lb/>
Haupthinderniß der Einführung von Handarbeiten angegeben finden,<lb/>
nimmt der Mangel an Mitteln den näch&#x017F;ten Platz ein, &#x017F;owohl an<lb/>
Mitteln zur An&#x017F;chaffung des zu verarbeitenden Materials. Sondern<lb/>
wir hierbei die beiden ver&#x017F;chiedenen Zwecke des fraglichen Unterrichts,<lb/>
den der prakti&#x017F;chen Ausbildung für künftige Berufsge&#x017F;chäfte überhaupt<lb/>
und den des augenblicklichen Erwerbs: &#x017F;o kann es für den er&#x017F;ten Fall,<lb/>
wenn die Mittel der Gemeinde für die&#x017F;en Zweck nicht in An&#x017F;pruch<lb/>
genommen werden können, kein Bedenken haben, den Bedarf durch<lb/>
eine angeme&#x017F;&#x017F;ene Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen, und den<lb/>
Eltern die Pflicht aufzulegen, für An&#x017F;chaffung des erforderlichen Ma-<lb/>
terials zu &#x017F;orgen. Den Armen-Kindern wird auch hierbei, wie bei dem<lb/>
Unterricht überhaupt, die Armen- oder Gemeindeka&#x017F;&#x017F;e zu Hülfe kom-<lb/>
men, und die Gemeinde wird darin um &#x017F;o lieber einwilligen, als auf<lb/>
die&#x017F;em Wege eine Hauptquelle der Dürftigkeit, des Müßigganges und<lb/>
der Bettelei ver&#x017F;topft wird. Der Erwerbszweck kann dabei im Kleinen<lb/>
und für einzelne Kinder, &#x017F;o weit es die disponiblen Mittel ge&#x017F;tatten,<lb/>
immer &#x017F;chon nebenbei berück&#x017F;ichtigt, die Ausführung in größerem Um-<lb/>
fange aber gün&#x017F;tigeren Verhältni&#x017F;&#x017F;en vorbehalten bleiben. Ein großes<lb/>
Hinderniß des Guten liegt gerade in dem Streben, es gleich von An-<lb/>
fang an in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Vollendung gefördert &#x017F;ehen zu wollen, und<lb/>
mit kleinen Anfängen &#x017F;ich nicht begnügen zu la&#x017F;&#x017F;en. Zu die&#x017F;en wird<lb/>
es aber, wenn nur der rechte Wille vorhanden i&#x017F;t, weder an Zeit noch<lb/>
an Mitteln zur Ausführung fehlen, und einzelne Bei&#x017F;piele haben dazu<lb/>
bereits den erforderlichen Beleg gegeben. In größeren Städten darf<lb/>
es allerdings nicht bei dergleichen kleinen und zer&#x017F;treuten Anfängen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0160] ein gemeinſchaftliches Minimum des Wiſſens, für deſſen Erwerbung auch ein gemeinſchaftlicher Unterricht zu geſtatten iſt; aber darüber hinaus iſt wohl zu unterſcheiden, was jedem Stande, jedem Geſchlechte am meiſten frommt, was ſeinen religiöſen, bürgerlichen und häuslichen Zwecken am nächſten und ſicherſten dient, und in den Kreis des Schul- unterrichts gezogen werden kann. Dafür muß denn aber auch die Zeit gewonnen werden, und das Entbehrlichere dem Weſentlichen nach- ſtehen, was unter den oben angegebenen Bedingungen, für deren Er- füllung die Ortsvorſtände und die Lehrer verantwortlich ſind, keine Schwierigkeit haben wird, ohne deshalb die Zahl der Unterrichtsſtunden zu vermehren. 2) Außer dem Mangel an Zeit, den wir in den Berichten als ein Haupthinderniß der Einführung von Handarbeiten angegeben finden, nimmt der Mangel an Mitteln den nächſten Platz ein, ſowohl an Mitteln zur Anſchaffung des zu verarbeitenden Materials. Sondern wir hierbei die beiden verſchiedenen Zwecke des fraglichen Unterrichts, den der praktiſchen Ausbildung für künftige Berufsgeſchäfte überhaupt und den des augenblicklichen Erwerbs: ſo kann es für den erſten Fall, wenn die Mittel der Gemeinde für dieſen Zweck nicht in Anſpruch genommen werden können, kein Bedenken haben, den Bedarf durch eine angemeſſene Erhöhung des Schulgeldes aufzubringen, und den Eltern die Pflicht aufzulegen, für Anſchaffung des erforderlichen Ma- terials zu ſorgen. Den Armen-Kindern wird auch hierbei, wie bei dem Unterricht überhaupt, die Armen- oder Gemeindekaſſe zu Hülfe kom- men, und die Gemeinde wird darin um ſo lieber einwilligen, als auf dieſem Wege eine Hauptquelle der Dürftigkeit, des Müßigganges und der Bettelei verſtopft wird. Der Erwerbszweck kann dabei im Kleinen und für einzelne Kinder, ſo weit es die disponiblen Mittel geſtatten, immer ſchon nebenbei berückſichtigt, die Ausführung in größerem Um- fange aber günſtigeren Verhältniſſen vorbehalten bleiben. Ein großes Hinderniß des Guten liegt gerade in dem Streben, es gleich von An- fang an in einer gewiſſen Vollendung gefördert ſehen zu wollen, und mit kleinen Anfängen ſich nicht begnügen zu laſſen. Zu dieſen wird es aber, wenn nur der rechte Wille vorhanden iſt, weder an Zeit noch an Mitteln zur Ausführung fehlen, und einzelne Beiſpiele haben dazu bereits den erforderlichen Beleg gegeben. In größeren Städten darf es allerdings nicht bei dergleichen kleinen und zerſtreuten Anfängen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/160
Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/160>, abgerufen am 21.11.2024.