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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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und mit eben so vielem Erfolge als Interesse (Umstände, die einander
gegenseitig bedingen) zur Ausführung gekommen ist: Neu-Ruppin,
Ratibor, Düren, Torgau, Merseburg, Eisleben, Halberstadt, Qued-
linburg, Zerbst. Andere Stellen mögen mir unbekannt geblieben sein,
und in jedem Falle steht zu hoffen, daß über die in der Praxis selbst
gewonnenen Erfolge und Erwartungen recht bald auf directem Wege
öffentlicher Bericht erstattet werde. Allerdings werden, ehe ein unbe-
streitbares Resultat geliefert und ein Gesammturtheil gefällt werden
kann, noch Jahre verfließen müssen; für das zum Handeln berufene,
selbstdenkende Publikum aber muß es höchst wünschenswerth sein, auch
vor dieser Zeit gerade solche (günstige oder ungünstige) Stimmen zu
vernehmen, die nicht, von einem einseitigen, wesentlich abweichenden
Standpunkte ausgehend, über den Gegenstand leichthin aburtheilen,
sondern auf einem selbstthätigen Angriffe fußen, der die der Sache
unter den dermaligen Verhältnissen entgegenstehenden Schwierigkeiten
und Bedenken zwar nicht unberücksichtigt läßt, aber um des höheren
Zweckes willen, mit unbefangenem Blicke und muthvollem Eifer zu
überwinden trachtet.

27. Circ.-Rescr. v. 8. März 1843. (M.-Bl. S. 149.), betr.
den Unterricht in den untern und mittlern Klassen höherer Lehran-
stalten in der Muttersprache.

Das Königliche Provinzial-Schulcollegium zu Coblenz hat sich
veranlaßt gesehen, die Gymnasial-Directoren seines Verwaltungsbezirks
darauf aufmerksam zu machen, daß der Unterricht in der Muttersprache
in den unteren und mittleren Klassen höherer Lehranstalten häufig in
ganz zweckwidriger Weise ertheilt werde. Namentlich sei dem theo-
retisch-grammatischen Unterricht in derselben unter dem Namen "Sprach-
denklehre", oder auch unter anderem Namen oft eine Gestalt gegeben,
welche durch abstruse Terminologien oder dürre gehaltlose Uebungen
den jugendlichen Geist weit öfter abstumpfe, als wahrhaft bilde, den
Zweck lebendiger Anschauung der Muttersprache in gehaltvollen, Geist
und Gemüth bildenden Musterstücken und sicherer Aneignung der Sprache
zu geläufigem und correctem schriftlichen und mündlichen Gebrauch
öfter hemme, als fördere, und somit einer inhaltsvollen, den Geist
selbst mit gesunder, frischer Nahrung für das ganze Leben erfüllenden
Bildung der Jugend nicht nur die Zeit und Kraft des Lehrers wie

und mit eben ſo vielem Erfolge als Intereſſe (Umſtände, die einander
gegenſeitig bedingen) zur Ausführung gekommen iſt: Neu-Ruppin,
Ratibor, Düren, Torgau, Merſeburg, Eisleben, Halberſtadt, Qued-
linburg, Zerbſt. Andere Stellen mögen mir unbekannt geblieben ſein,
und in jedem Falle ſteht zu hoffen, daß über die in der Praxis ſelbſt
gewonnenen Erfolge und Erwartungen recht bald auf directem Wege
öffentlicher Bericht erſtattet werde. Allerdings werden, ehe ein unbe-
ſtreitbares Reſultat geliefert und ein Geſammturtheil gefällt werden
kann, noch Jahre verfließen müſſen; für das zum Handeln berufene,
ſelbſtdenkende Publikum aber muß es höchſt wünſchenswerth ſein, auch
vor dieſer Zeit gerade ſolche (günſtige oder ungünſtige) Stimmen zu
vernehmen, die nicht, von einem einſeitigen, weſentlich abweichenden
Standpunkte ausgehend, über den Gegenſtand leichthin aburtheilen,
ſondern auf einem ſelbſtthätigen Angriffe fußen, der die der Sache
unter den dermaligen Verhältniſſen entgegenſtehenden Schwierigkeiten
und Bedenken zwar nicht unberückſichtigt läßt, aber um des höheren
Zweckes willen, mit unbefangenem Blicke und muthvollem Eifer zu
überwinden trachtet.

27. Circ.-Reſcr. v. 8. März 1843. (M.-Bl. S. 149.), betr.
den Unterricht in den untern und mittlern Klaſſen höherer Lehran-
ſtalten in der Mutterſprache.

Das Königliche Provinzial-Schulcollegium zu Coblenz hat ſich
veranlaßt geſehen, die Gymnaſial-Directoren ſeines Verwaltungsbezirks
darauf aufmerkſam zu machen, daß der Unterricht in der Mutterſprache
in den unteren und mittleren Klaſſen höherer Lehranſtalten häufig in
ganz zweckwidriger Weiſe ertheilt werde. Namentlich ſei dem theo-
retiſch-grammatiſchen Unterricht in derſelben unter dem Namen „Sprach-
denklehre“, oder auch unter anderem Namen oft eine Geſtalt gegeben,
welche durch abſtruſe Terminologien oder dürre gehaltloſe Uebungen
den jugendlichen Geiſt weit öfter abſtumpfe, als wahrhaft bilde, den
Zweck lebendiger Anſchauung der Mutterſprache in gehaltvollen, Geiſt
und Gemüth bildenden Muſterſtücken und ſicherer Aneignung der Sprache
zu geläufigem und correctem ſchriftlichen und mündlichen Gebrauch
öfter hemme, als fördere, und ſomit einer inhaltsvollen, den Geiſt
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[166/0180] und mit eben ſo vielem Erfolge als Intereſſe (Umſtände, die einander gegenſeitig bedingen) zur Ausführung gekommen iſt: Neu-Ruppin, Ratibor, Düren, Torgau, Merſeburg, Eisleben, Halberſtadt, Qued- linburg, Zerbſt. Andere Stellen mögen mir unbekannt geblieben ſein, und in jedem Falle ſteht zu hoffen, daß über die in der Praxis ſelbſt gewonnenen Erfolge und Erwartungen recht bald auf directem Wege öffentlicher Bericht erſtattet werde. Allerdings werden, ehe ein unbe- ſtreitbares Reſultat geliefert und ein Geſammturtheil gefällt werden kann, noch Jahre verfließen müſſen; für das zum Handeln berufene, ſelbſtdenkende Publikum aber muß es höchſt wünſchenswerth ſein, auch vor dieſer Zeit gerade ſolche (günſtige oder ungünſtige) Stimmen zu vernehmen, die nicht, von einem einſeitigen, weſentlich abweichenden Standpunkte ausgehend, über den Gegenſtand leichthin aburtheilen, ſondern auf einem ſelbſtthätigen Angriffe fußen, der die der Sache unter den dermaligen Verhältniſſen entgegenſtehenden Schwierigkeiten und Bedenken zwar nicht unberückſichtigt läßt, aber um des höheren Zweckes willen, mit unbefangenem Blicke und muthvollem Eifer zu überwinden trachtet. 27. Circ.-Reſcr. v. 8. März 1843. (M.-Bl. S. 149.), betr. den Unterricht in den untern und mittlern Klaſſen höherer Lehran- ſtalten in der Mutterſprache. Das Königliche Provinzial-Schulcollegium zu Coblenz hat ſich veranlaßt geſehen, die Gymnaſial-Directoren ſeines Verwaltungsbezirks darauf aufmerkſam zu machen, daß der Unterricht in der Mutterſprache in den unteren und mittleren Klaſſen höherer Lehranſtalten häufig in ganz zweckwidriger Weiſe ertheilt werde. Namentlich ſei dem theo- retiſch-grammatiſchen Unterricht in derſelben unter dem Namen „Sprach- denklehre“, oder auch unter anderem Namen oft eine Geſtalt gegeben, welche durch abſtruſe Terminologien oder dürre gehaltloſe Uebungen den jugendlichen Geiſt weit öfter abſtumpfe, als wahrhaft bilde, den Zweck lebendiger Anſchauung der Mutterſprache in gehaltvollen, Geiſt und Gemüth bildenden Muſterſtücken und ſicherer Aneignung der Sprache zu geläufigem und correctem ſchriftlichen und mündlichen Gebrauch öfter hemme, als fördere, und ſomit einer inhaltsvollen, den Geiſt ſelbſt mit geſunder, friſcher Nahrung für das ganze Leben erfüllenden Bildung der Jugend nicht nur die Zeit und Kraft des Lehrers wie

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/180>, abgerufen am 21.11.2024.