nete, aber mit jeder andern psychologisch begründeten, naturgemäßen Unterrichtsmethode sehr verwandte Lehr- und Behandlungsweise be- trachtet, und das Zusammenleben von taubstummen mit hörenden und sprechenden Kindern nicht nur zulässig, sondern sogar für wünschens- werth und mehr sachförderlich erklärt, als das beständige Zusammen- leben und Zusammenlernen von bloß Taubstummen mit einander in den Instituten, welche letztere jedoch als Centralpunkte für die weitere Ausbildung und Entwickelung dieses besondern Zweiges der Gesammt- bildung allerdings ihren besondern und hohen Werth behalten. Unter den obwaltenden Umständen ist es nun die Aufgabe, die Fähigkeit und Fertigkeit, Taubstumme zu unterrichten, baldmöglichst allgemeiner zu verbreiten, und den Taubstummen in größerer Zahl, wo möglich auch auf einfachere Weise als bisher, ohne außerordentliche Maaßnehmungen, als weite Reisen, Aufwand großer Pensionen etc., zu helfen. Für die Lösung dieser Aufgabe ist es besonders wünschenswerth, daß baldmög- lichst in jedem Schul-Inspectionskreise ein Lehrer vorhanden sei, welcher die Taubstummen seines Wohnortes und der nächsten Umgegend zu unterrichten im Stande sei. Dieser Zweck wird am sichersten erreicht werden, wenn an jedem Schullehrer-Seminar ein Lehrer angestellt wird, der die Unterweisung und Behandlung der Taubstummen in einem der vorhandenen Institute gründlich erlernt hat, eine Anzahl derselben in der mit dem Seminar verbundenen Uebungsschule fortdauernd unter- richtet, und dabei zugleich die für die Sache empfänglichen, fähigern und verständigen Seminaristen mit der Methode des Taubstummen- Unterrichts theoretisch und practisch bekannt macht. Auf diese Weise wird es sich vielleicht in einem Jahrzehend bewirken lassen, daß in allen Provinzen der Monarchie, ohne unverhältnißmäßige und uner- schwingliche Kosten für die Bildung der unglücklichen Taubstummen, in der Nähe, oder selbst an Ort und Stelle gesorgt, und der jetzige meist vergebliche Andrang zu den Instituten beseitigt wird. Auf den Antrag des Ministerii haben des Königs Majestät zur Vorbildung solcher Lehrer, welche die Methode des Taubstummen-Unterrichts an den hierzu bestimmten Anstalten, und namentlich in Berlin, erlernen, und hier- nächst bei den Provinzial-Schullehrer-Seminarien wieder lehren sollen, eine angemessene Summe auf 6 Jahre Allergnädigst zu bewilligen geruht. Nach den bisher getroffenen Einleitungen ist es möglich, diese Vorbildung mit Ostern des laufenden Jahres zu eröffnen. Das
22*
nete, aber mit jeder andern pſychologiſch begründeten, naturgemäßen Unterrichtsmethode ſehr verwandte Lehr- und Behandlungsweiſe be- trachtet, und das Zuſammenleben von taubſtummen mit hörenden und ſprechenden Kindern nicht nur zuläſſig, ſondern ſogar für wünſchens- werth und mehr ſachförderlich erklärt, als das beſtändige Zuſammen- leben und Zuſammenlernen von bloß Taubſtummen mit einander in den Inſtituten, welche letztere jedoch als Centralpunkte für die weitere Ausbildung und Entwickelung dieſes beſondern Zweiges der Geſammt- bildung allerdings ihren beſondern und hohen Werth behalten. Unter den obwaltenden Umſtänden iſt es nun die Aufgabe, die Fähigkeit und Fertigkeit, Taubſtumme zu unterrichten, baldmöglichſt allgemeiner zu verbreiten, und den Taubſtummen in größerer Zahl, wo möglich auch auf einfachere Weiſe als bisher, ohne außerordentliche Maaßnehmungen, als weite Reiſen, Aufwand großer Penſionen ꝛc., zu helfen. Für die Löſung dieſer Aufgabe iſt es beſonders wünſchenswerth, daß baldmög- lichſt in jedem Schul-Inſpectionskreiſe ein Lehrer vorhanden ſei, welcher die Taubſtummen ſeines Wohnortes und der nächſten Umgegend zu unterrichten im Stande ſei. Dieſer Zweck wird am ſicherſten erreicht werden, wenn an jedem Schullehrer-Seminar ein Lehrer angeſtellt wird, der die Unterweiſung und Behandlung der Taubſtummen in einem der vorhandenen Inſtitute gründlich erlernt hat, eine Anzahl derſelben in der mit dem Seminar verbundenen Uebungsſchule fortdauernd unter- richtet, und dabei zugleich die für die Sache empfänglichen, fähigern und verſtändigen Seminariſten mit der Methode des Taubſtummen- Unterrichts theoretiſch und practiſch bekannt macht. Auf dieſe Weiſe wird es ſich vielleicht in einem Jahrzehend bewirken laſſen, daß in allen Provinzen der Monarchie, ohne unverhältnißmäßige und uner- ſchwingliche Koſten für die Bildung der unglücklichen Taubſtummen, in der Nähe, oder ſelbſt an Ort und Stelle geſorgt, und der jetzige meiſt vergebliche Andrang zu den Inſtituten beſeitigt wird. Auf den Antrag des Miniſterii haben des Königs Majeſtät zur Vorbildung ſolcher Lehrer, welche die Methode des Taubſtummen-Unterrichts an den hierzu beſtimmten Anſtalten, und namentlich in Berlin, erlernen, und hier- nächſt bei den Provinzial-Schullehrer-Seminarien wieder lehren ſollen, eine angemeſſene Summe auf 6 Jahre Allergnädigſt zu bewilligen geruht. Nach den bisher getroffenen Einleitungen iſt es möglich, dieſe Vorbildung mit Oſtern des laufenden Jahres zu eröffnen. Das
22*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0353"n="339"/>
nete, aber mit jeder andern pſychologiſch begründeten, naturgemäßen<lb/>
Unterrichtsmethode ſehr verwandte Lehr- und Behandlungsweiſe be-<lb/>
trachtet, und das Zuſammenleben von taubſtummen mit hörenden und<lb/>ſprechenden Kindern nicht nur zuläſſig, ſondern ſogar für wünſchens-<lb/>
werth und mehr ſachförderlich erklärt, als das beſtändige Zuſammen-<lb/>
leben und Zuſammenlernen von bloß Taubſtummen mit einander in<lb/>
den Inſtituten, welche letztere jedoch als Centralpunkte für die weitere<lb/>
Ausbildung und Entwickelung dieſes beſondern Zweiges der Geſammt-<lb/>
bildung allerdings ihren beſondern und hohen Werth behalten. Unter<lb/>
den obwaltenden Umſtänden iſt es nun die Aufgabe, die Fähigkeit und<lb/>
Fertigkeit, Taubſtumme zu unterrichten, baldmöglichſt allgemeiner zu<lb/>
verbreiten, und den Taubſtummen in größerer Zahl, wo möglich auch<lb/>
auf einfachere Weiſe als bisher, ohne außerordentliche Maaßnehmungen,<lb/>
als weite Reiſen, Aufwand großer Penſionen ꝛc., zu helfen. Für die<lb/>
Löſung dieſer Aufgabe iſt es beſonders wünſchenswerth, daß baldmög-<lb/>
lichſt in jedem Schul-Inſpectionskreiſe ein Lehrer vorhanden ſei, welcher<lb/>
die Taubſtummen ſeines Wohnortes und der nächſten Umgegend zu<lb/>
unterrichten im Stande ſei. Dieſer Zweck wird am ſicherſten erreicht<lb/>
werden, wenn an jedem Schullehrer-Seminar ein Lehrer angeſtellt<lb/>
wird, der die Unterweiſung und Behandlung der Taubſtummen in einem<lb/>
der vorhandenen Inſtitute gründlich erlernt hat, eine Anzahl derſelben<lb/>
in der mit dem Seminar verbundenen Uebungsſchule fortdauernd unter-<lb/>
richtet, und dabei zugleich die für die Sache empfänglichen, fähigern<lb/>
und verſtändigen Seminariſten mit der Methode des Taubſtummen-<lb/>
Unterrichts theoretiſch und practiſch bekannt macht. Auf dieſe Weiſe<lb/>
wird es ſich vielleicht in einem Jahrzehend bewirken laſſen, daß in<lb/>
allen Provinzen der Monarchie, ohne unverhältnißmäßige und uner-<lb/>ſchwingliche Koſten für die Bildung der unglücklichen Taubſtummen, in<lb/>
der Nähe, oder ſelbſt an Ort und Stelle geſorgt, und der jetzige meiſt<lb/>
vergebliche Andrang zu den Inſtituten beſeitigt wird. Auf den Antrag<lb/>
des Miniſterii haben des Königs Majeſtät zur Vorbildung ſolcher<lb/>
Lehrer, welche die Methode des Taubſtummen-Unterrichts an den hierzu<lb/>
beſtimmten Anſtalten, und namentlich in Berlin, erlernen, und hier-<lb/>
nächſt bei den Provinzial-Schullehrer-Seminarien wieder lehren ſollen,<lb/>
eine angemeſſene Summe auf 6 Jahre Allergnädigſt zu bewilligen<lb/>
geruht. Nach den bisher getroffenen Einleitungen iſt es möglich, dieſe<lb/>
Vorbildung mit Oſtern des laufenden Jahres zu eröffnen. Das<lb/><fwplace="bottom"type="sig">22*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[339/0353]
nete, aber mit jeder andern pſychologiſch begründeten, naturgemäßen
Unterrichtsmethode ſehr verwandte Lehr- und Behandlungsweiſe be-
trachtet, und das Zuſammenleben von taubſtummen mit hörenden und
ſprechenden Kindern nicht nur zuläſſig, ſondern ſogar für wünſchens-
werth und mehr ſachförderlich erklärt, als das beſtändige Zuſammen-
leben und Zuſammenlernen von bloß Taubſtummen mit einander in
den Inſtituten, welche letztere jedoch als Centralpunkte für die weitere
Ausbildung und Entwickelung dieſes beſondern Zweiges der Geſammt-
bildung allerdings ihren beſondern und hohen Werth behalten. Unter
den obwaltenden Umſtänden iſt es nun die Aufgabe, die Fähigkeit und
Fertigkeit, Taubſtumme zu unterrichten, baldmöglichſt allgemeiner zu
verbreiten, und den Taubſtummen in größerer Zahl, wo möglich auch
auf einfachere Weiſe als bisher, ohne außerordentliche Maaßnehmungen,
als weite Reiſen, Aufwand großer Penſionen ꝛc., zu helfen. Für die
Löſung dieſer Aufgabe iſt es beſonders wünſchenswerth, daß baldmög-
lichſt in jedem Schul-Inſpectionskreiſe ein Lehrer vorhanden ſei, welcher
die Taubſtummen ſeines Wohnortes und der nächſten Umgegend zu
unterrichten im Stande ſei. Dieſer Zweck wird am ſicherſten erreicht
werden, wenn an jedem Schullehrer-Seminar ein Lehrer angeſtellt
wird, der die Unterweiſung und Behandlung der Taubſtummen in einem
der vorhandenen Inſtitute gründlich erlernt hat, eine Anzahl derſelben
in der mit dem Seminar verbundenen Uebungsſchule fortdauernd unter-
richtet, und dabei zugleich die für die Sache empfänglichen, fähigern
und verſtändigen Seminariſten mit der Methode des Taubſtummen-
Unterrichts theoretiſch und practiſch bekannt macht. Auf dieſe Weiſe
wird es ſich vielleicht in einem Jahrzehend bewirken laſſen, daß in
allen Provinzen der Monarchie, ohne unverhältnißmäßige und uner-
ſchwingliche Koſten für die Bildung der unglücklichen Taubſtummen, in
der Nähe, oder ſelbſt an Ort und Stelle geſorgt, und der jetzige meiſt
vergebliche Andrang zu den Inſtituten beſeitigt wird. Auf den Antrag
des Miniſterii haben des Königs Majeſtät zur Vorbildung ſolcher
Lehrer, welche die Methode des Taubſtummen-Unterrichts an den hierzu
beſtimmten Anſtalten, und namentlich in Berlin, erlernen, und hier-
nächſt bei den Provinzial-Schullehrer-Seminarien wieder lehren ſollen,
eine angemeſſene Summe auf 6 Jahre Allergnädigſt zu bewilligen
geruht. Nach den bisher getroffenen Einleitungen iſt es möglich, dieſe
Vorbildung mit Oſtern des laufenden Jahres zu eröffnen. Das
22*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/353>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.