seine neue Gemahlin, Elisabeth von Parma, fähig gewesen; hätte nicht Familieninteresse ihr mehr gegolten als Interesse des Staats.
26. Portugal, während des Kriegs durch die Bande der Politik an England angeschlossen, blieb es auch nach dem Kriege durch die Bande des Handels. Aber wenn der Tractat von Me-1703 thuen der Industrie so schädlich ward: lag davon die Schuld in dem Tractate, oder an der Nation und an der Regierung? Konnten die Woll-Ma- nufacturen nicht mehr bestehen, gab es denn keine andre, und war kein Boden mehr anzubauen? Aber indem Portugal den Markt für seine Weine in England fand, wurden die politischen Bande zugleich durch die mercantilischen befestigt.
27. Allein der größte Wechsel gieng in Frank- reich vor. LudwigXIV. überlebte den Frieden1715 1. Spt. nur kurze Zeit; und hinterließ zum Nachfolger in seinem Urenkel LudwigXV. nur ein schwaches und unmündiges Kind. Seine Autorität starb mit ihm; und gegen seinen Willen erhielt sein Neffe Phi- lipp von Orleans die Regentschaft mit der gan-bis 1723 zen Fülle der Macht. Ohne Moralität, und selbst ohne Schaam, hielt man ihn doch für boshafter, als er war; und die lange dauernde Besorgniß we- gen des Lebens des jungen Königs, der ohnehin
schwäch-
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1. Staatshaͤndel in Europa 1700--1740.
ſeine neue Gemahlin, Eliſabeth von Parma, faͤhig geweſen; haͤtte nicht Familienintereſſe ihr mehr gegolten als Intereſſe des Staats.
26. Portugal, waͤhrend des Kriegs durch die Bande der Politik an England angeſchloſſen, blieb es auch nach dem Kriege durch die Bande des Handels. Aber wenn der Tractat von Me-1703 thuen der Induſtrie ſo ſchaͤdlich ward: lag davon die Schuld in dem Tractate, oder an der Nation und an der Regierung? Konnten die Woll-Ma- nufacturen nicht mehr beſtehen, gab es denn keine andre, und war kein Boden mehr anzubauen? Aber indem Portugal den Markt fuͤr ſeine Weine in England fand, wurden die politiſchen Bande zugleich durch die mercantiliſchen befeſtigt.
27. Allein der groͤßte Wechſel gieng in Frank- reich vor. LudwigXIV. uͤberlebte den Frieden1715 1. Spt. nur kurze Zeit; und hinterließ zum Nachfolger in ſeinem Urenkel LudwigXV. nur ein ſchwaches und unmuͤndiges Kind. Seine Autoritaͤt ſtarb mit ihm; und gegen ſeinen Willen erhielt ſein Neffe Phi- lipp von Orleans die Regentſchaft mit der gan-bis 1723 zen Fuͤlle der Macht. Ohne Moralitaͤt, und ſelbſt ohne Schaam, hielt man ihn doch fuͤr boshafter, als er war; und die lange dauernde Beſorgniß we- gen des Lebens des jungen Koͤnigs, der ohnehin
ſchwaͤch-
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1. Staatshaͤndel in Europa 1700--1740.
ſeine neue Gemahlin, Eliſabeth von Parma,
faͤhig geweſen; haͤtte nicht Familienintereſſe ihr mehr
gegolten als Intereſſe des Staats.
26. Portugal, waͤhrend des Kriegs durch die
Bande der Politik an England angeſchloſſen, blieb
es auch nach dem Kriege durch die Bande des
Handels. Aber wenn der Tractat von Me-
thuen der Induſtrie ſo ſchaͤdlich ward: lag davon
die Schuld in dem Tractate, oder an der Nation
und an der Regierung? Konnten die Woll-Ma-
nufacturen nicht mehr beſtehen, gab es denn keine
andre, und war kein Boden mehr anzubauen?
Aber indem Portugal den Markt fuͤr ſeine Weine
in England fand, wurden die politiſchen Bande
zugleich durch die mercantiliſchen befeſtigt.
1703
27. Allein der groͤßte Wechſel gieng in Frank-
reich vor. Ludwig XIV. uͤberlebte den Frieden
nur kurze Zeit; und hinterließ zum Nachfolger in
ſeinem Urenkel Ludwig XV. nur ein ſchwaches und
unmuͤndiges Kind. Seine Autoritaͤt ſtarb mit ihm;
und gegen ſeinen Willen erhielt ſein Neffe Phi-
lipp von Orleans die Regentſchaft mit der gan-
zen Fuͤlle der Macht. Ohne Moralitaͤt, und ſelbſt
ohne Schaam, hielt man ihn doch fuͤr boshafter,
als er war; und die lange dauernde Beſorgniß we-
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1715
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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