haupt. Die formelle Gewalt einer Regierung be- stimmt die Constitution; die wirkliche der Erfolg. Nach so siegreich geführten Kriegen, bey einem stets steigenden Nationalwohlstand, war Anhänglichkeit an die Verfassung und Regierung natürlich. Welche Regierung wäre unter diesen Umständen nicht mäch- tiger geworden?
11. In England zeigte sich dieses in dem stei- genden Uebergewicht der Krone im Parla- ment. Das Eigenthümliche der Brittischen Na- tionalfreyheit liegt practisch darin; daß hier nicht, wie anderswo, das Parlament den Streit mit der Krone, sondern die Krone den Streit mit dem Par- lament zu fürchten hat. Daraus entsteht das Stre- ben der Minister nach der Majorität; und ihr noth- 1721 bis 1742wendiger Wechsel, wenn diese ihnen fehlt. Walpo- les Ministerium machte hier Epoche; zum ersten- mal sah man einen Minister über zwanzig Jahre auf seinem Posten, durch Behauptung jener Majo- rität. Man beschuldigt ihn die Bestechlichkeit ein- geführt zu haben. So bekannt diese bey den Wäh- lern ist, so ungewiß ist sie bey den Gewählten. Allerdings, welche Versuchung für den Minister sich die Majorität auf jede Weise zu verschaffen! Und doch, was müßte eine Nation längst geworden seyn, deren Bevollmächtigte stets nur ein Haufen feiler Menschen wären!
12.
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
haupt. Die formelle Gewalt einer Regierung be- ſtimmt die Conſtitution; die wirkliche der Erfolg. Nach ſo ſiegreich gefuͤhrten Kriegen, bey einem ſtets ſteigenden Nationalwohlſtand, war Anhaͤnglichkeit an die Verfaſſung und Regierung natuͤrlich. Welche Regierung waͤre unter dieſen Umſtaͤnden nicht maͤch- tiger geworden?
11. In England zeigte ſich dieſes in dem ſtei- genden Uebergewicht der Krone im Parla- ment. Das Eigenthuͤmliche der Brittiſchen Na- tionalfreyheit liegt practiſch darin; daß hier nicht, wie anderswo, das Parlament den Streit mit der Krone, ſondern die Krone den Streit mit dem Par- lament zu fuͤrchten hat. Daraus entſteht das Stre- ben der Miniſter nach der Majoritaͤt; und ihr noth- 1721 bis 1742wendiger Wechſel, wenn dieſe ihnen fehlt. Walpo- les Miniſterium machte hier Epoche; zum erſten- mal ſah man einen Miniſter uͤber zwanzig Jahre auf ſeinem Poſten, durch Behauptung jener Majo- ritaͤt. Man beſchuldigt ihn die Beſtechlichkeit ein- gefuͤhrt zu haben. So bekannt dieſe bey den Waͤh- lern iſt, ſo ungewiß iſt ſie bey den Gewaͤhlten. Allerdings, welche Verſuchung fuͤr den Miniſter ſich die Majoritaͤt auf jede Weiſe zu verſchaffen! Und doch, was muͤßte eine Nation laͤngſt geworden ſeyn, deren Bevollmaͤchtigte ſtets nur ein Haufen feiler Menſchen waͤren!
12.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0474"n="436"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/>
haupt. Die formelle Gewalt einer Regierung be-<lb/>ſtimmt die Conſtitution; die wirkliche der Erfolg.<lb/>
Nach ſo ſiegreich gefuͤhrten Kriegen, bey einem ſtets<lb/>ſteigenden Nationalwohlſtand, war Anhaͤnglichkeit an<lb/>
die Verfaſſung und Regierung natuͤrlich. Welche<lb/>
Regierung waͤre unter dieſen Umſtaͤnden nicht maͤch-<lb/>
tiger geworden?</p><lb/><p>11. In England zeigte ſich dieſes in dem ſtei-<lb/>
genden <hirendition="#g">Uebergewicht der Krone im Parla-<lb/>
ment</hi>. Das Eigenthuͤmliche der Brittiſchen Na-<lb/>
tionalfreyheit liegt <hirendition="#g">practiſch</hi> darin; daß hier nicht,<lb/>
wie anderswo, das Parlament den Streit mit der<lb/>
Krone, ſondern die Krone den Streit mit dem Par-<lb/>
lament zu fuͤrchten hat. Daraus entſteht das Stre-<lb/>
ben der Miniſter nach der Majoritaͤt; und ihr noth-<lb/><noteplace="left">1721<lb/>
bis<lb/>
1742</note>wendiger Wechſel, wenn dieſe ihnen fehlt. <hirendition="#g">Walpo-<lb/>
les</hi> Miniſterium machte hier Epoche; zum erſten-<lb/>
mal ſah man einen Miniſter uͤber zwanzig Jahre<lb/>
auf ſeinem Poſten, durch Behauptung jener Majo-<lb/>
ritaͤt. Man beſchuldigt ihn die Beſtechlichkeit ein-<lb/>
gefuͤhrt zu haben. So bekannt dieſe bey den Waͤh-<lb/>
lern iſt, ſo ungewiß iſt ſie bey den Gewaͤhlten.<lb/>
Allerdings, welche Verſuchung fuͤr den Miniſter<lb/>ſich die Majoritaͤt auf jede Weiſe zu verſchaffen!<lb/>
Und doch, was muͤßte eine Nation laͤngſt geworden<lb/>ſeyn, deren Bevollmaͤchtigte ſtets nur ein Haufen<lb/>
feiler Menſchen waͤren!</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">12.</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[436/0474]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
haupt. Die formelle Gewalt einer Regierung be-
ſtimmt die Conſtitution; die wirkliche der Erfolg.
Nach ſo ſiegreich gefuͤhrten Kriegen, bey einem ſtets
ſteigenden Nationalwohlſtand, war Anhaͤnglichkeit an
die Verfaſſung und Regierung natuͤrlich. Welche
Regierung waͤre unter dieſen Umſtaͤnden nicht maͤch-
tiger geworden?
11. In England zeigte ſich dieſes in dem ſtei-
genden Uebergewicht der Krone im Parla-
ment. Das Eigenthuͤmliche der Brittiſchen Na-
tionalfreyheit liegt practiſch darin; daß hier nicht,
wie anderswo, das Parlament den Streit mit der
Krone, ſondern die Krone den Streit mit dem Par-
lament zu fuͤrchten hat. Daraus entſteht das Stre-
ben der Miniſter nach der Majoritaͤt; und ihr noth-
wendiger Wechſel, wenn dieſe ihnen fehlt. Walpo-
les Miniſterium machte hier Epoche; zum erſten-
mal ſah man einen Miniſter uͤber zwanzig Jahre
auf ſeinem Poſten, durch Behauptung jener Majo-
ritaͤt. Man beſchuldigt ihn die Beſtechlichkeit ein-
gefuͤhrt zu haben. So bekannt dieſe bey den Waͤh-
lern iſt, ſo ungewiß iſt ſie bey den Gewaͤhlten.
Allerdings, welche Verſuchung fuͤr den Miniſter
ſich die Majoritaͤt auf jede Weiſe zu verſchaffen!
Und doch, was muͤßte eine Nation laͤngſt geworden
ſeyn, deren Bevollmaͤchtigte ſtets nur ein Haufen
feiler Menſchen waͤren!
1721
bis
1742
12.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/474>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.