Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.Einleitung. den Fürsten bisher nicht viel weiter gehorcht hatte, alsZeitumstände und persönliche Verhältnisse es mit sich brachten. Mit ihm hatte durchgehends die Geist- lichkeit einen wichtigen Einfluß auf die Staatsan- gelegenheiten, und beyde bildeten die höhern oder pri- vilegirten Stände, weil sie in Rücksicht der Ab- gaben so große Vorrechte genossen, und auf den stän- dischen Versammlungen die ersten Plätze einnahmen. Aber in eben diesen Staaten hatte sich ein, der stren- gen Feudalverfassung gänzlich fremder, Bestandtheil gebildet, ein freyer Bürgerstand; eine Frucht der, durch Handel aufgeblüheten, Städte. Auch seine Deputirten wurden zu den Versammlungen ge- rufen, eigentlich um sich von ihnen Steuern bewilligen zu lassen, deren Last am meisten auf ihn gewälzt wurde. Die große Masse des Landvolks, größ- tentheils noch im Zustande der völligen oder halben Leibeigenschaft, wenn gleich sehr verschieden modifi- cirt, bildete nirgends politisch einen Bestandtheil der Nation. In den Verhältnissen der beiden letzten Stände zu den ersten schien ein Keim zu nothwen- digen, plötzlichen oder allmähligen, Umformungen zu liegen; wovon freylich keiner zu berechnen ver- mochte, wann und wie er sich entwickeln würde. 12. Fürstengewalt war daher in diesen Hülfe
Einleitung. den Fuͤrſten bisher nicht viel weiter gehorcht hatte, alsZeitumſtaͤnde und perſoͤnliche Verhaͤltniſſe es mit ſich brachten. Mit ihm hatte durchgehends die Geiſt- lichkeit einen wichtigen Einfluß auf die Staatsan- gelegenheiten, und beyde bildeten die hoͤhern oder pri- vilegirten Staͤnde, weil ſie in Ruͤckſicht der Ab- gaben ſo große Vorrechte genoſſen, und auf den ſtaͤn- diſchen Verſammlungen die erſten Plaͤtze einnahmen. Aber in eben dieſen Staaten hatte ſich ein, der ſtren- gen Feudalverfaſſung gaͤnzlich fremder, Beſtandtheil gebildet, ein freyer Buͤrgerſtand; eine Frucht der, durch Handel aufgebluͤheten, Staͤdte. Auch ſeine Deputirten wurden zu den Verſammlungen ge- rufen, eigentlich um ſich von ihnen Steuern bewilligen zu laſſen, deren Laſt am meiſten auf ihn gewaͤlzt wurde. Die große Maſſe des Landvolks, groͤß- tentheils noch im Zuſtande der voͤlligen oder halben Leibeigenſchaft, wenn gleich ſehr verſchieden modifi- cirt, bildete nirgends politiſch einen Beſtandtheil der Nation. In den Verhaͤltniſſen der beiden letzten Staͤnde zu den erſten ſchien ein Keim zu nothwen- digen, ploͤtzlichen oder allmaͤhligen, Umformungen zu liegen; wovon freylich keiner zu berechnen ver- mochte, wann und wie er ſich entwickeln wuͤrde. 12. Fuͤrſtengewalt war daher in dieſen Huͤlfe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</hi></fw><lb/> den Fuͤrſten bisher nicht viel weiter gehorcht hatte, als<lb/> Zeitumſtaͤnde und perſoͤnliche Verhaͤltniſſe es mit ſich<lb/> brachten. Mit ihm hatte durchgehends die <hi rendition="#g">Geiſt-<lb/> lichkeit</hi> einen wichtigen Einfluß auf die Staatsan-<lb/> gelegenheiten, und beyde bildeten die hoͤhern oder <hi rendition="#g">pri-<lb/> vilegirten</hi> Staͤnde, weil ſie in Ruͤckſicht der Ab-<lb/> gaben ſo große Vorrechte genoſſen, und auf den ſtaͤn-<lb/> diſchen Verſammlungen die erſten Plaͤtze einnahmen.<lb/> Aber in eben dieſen Staaten hatte ſich ein, der ſtren-<lb/> gen Feudalverfaſſung gaͤnzlich fremder, Beſtandtheil<lb/> gebildet, ein <hi rendition="#g">freyer Buͤrgerſtand</hi>; eine Frucht<lb/> der, durch Handel aufgebluͤheten, <hi rendition="#g">Staͤdte</hi>. Auch<lb/><hi rendition="#g">ſeine</hi> Deputirten wurden zu den Verſammlungen ge-<lb/> rufen, eigentlich um ſich von ihnen Steuern bewilligen<lb/> zu laſſen, deren Laſt am meiſten auf ihn gewaͤlzt<lb/> wurde. Die große Maſſe des <hi rendition="#g">Landvolks</hi>, groͤß-<lb/> tentheils noch im Zuſtande der voͤlligen oder halben<lb/> Leibeigenſchaft, wenn gleich ſehr verſchieden modifi-<lb/> cirt, bildete nirgends politiſch einen Beſtandtheil der<lb/> Nation. In den Verhaͤltniſſen der beiden letzten<lb/> Staͤnde zu den erſten ſchien ein Keim zu nothwen-<lb/> digen, ploͤtzlichen oder allmaͤhligen, Umformungen<lb/> zu liegen; wovon freylich keiner zu berechnen ver-<lb/> mochte, <hi rendition="#g">wann</hi> und <hi rendition="#g">wie</hi> er ſich entwickeln wuͤrde.</p><lb/> <p>12. <hi rendition="#g">Fuͤrſtengewalt</hi> war daher in dieſen<lb/> Reichen noch durchgehends ſehr beſchraͤnkt. Ohne<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Huͤlfe</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0051]
Einleitung.
den Fuͤrſten bisher nicht viel weiter gehorcht hatte, als
Zeitumſtaͤnde und perſoͤnliche Verhaͤltniſſe es mit ſich
brachten. Mit ihm hatte durchgehends die Geiſt-
lichkeit einen wichtigen Einfluß auf die Staatsan-
gelegenheiten, und beyde bildeten die hoͤhern oder pri-
vilegirten Staͤnde, weil ſie in Ruͤckſicht der Ab-
gaben ſo große Vorrechte genoſſen, und auf den ſtaͤn-
diſchen Verſammlungen die erſten Plaͤtze einnahmen.
Aber in eben dieſen Staaten hatte ſich ein, der ſtren-
gen Feudalverfaſſung gaͤnzlich fremder, Beſtandtheil
gebildet, ein freyer Buͤrgerſtand; eine Frucht
der, durch Handel aufgebluͤheten, Staͤdte. Auch
ſeine Deputirten wurden zu den Verſammlungen ge-
rufen, eigentlich um ſich von ihnen Steuern bewilligen
zu laſſen, deren Laſt am meiſten auf ihn gewaͤlzt
wurde. Die große Maſſe des Landvolks, groͤß-
tentheils noch im Zuſtande der voͤlligen oder halben
Leibeigenſchaft, wenn gleich ſehr verſchieden modifi-
cirt, bildete nirgends politiſch einen Beſtandtheil der
Nation. In den Verhaͤltniſſen der beiden letzten
Staͤnde zu den erſten ſchien ein Keim zu nothwen-
digen, ploͤtzlichen oder allmaͤhligen, Umformungen
zu liegen; wovon freylich keiner zu berechnen ver-
mochte, wann und wie er ſich entwickeln wuͤrde.
12. Fuͤrſtengewalt war daher in dieſen
Reichen noch durchgehends ſehr beſchraͤnkt. Ohne
Huͤlfe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |