rend das Hauptreich unter einem indolenten, aber darum nicht weniger grausamen, Despotismus fort- vegetirte, organisirte sich in den beyden angrenzen- den die Anarchie.
1. Rußland. Nach der kurzen, aber stürmischen Regie- rung des unmündigen Iwan des III. 28. Oct. 1740 bis 6. Dec. 1741, Erhebung der Elisabeth, jüngsten Tochter von Peter I., durch eine Revolution. Ihre Herrschaft (bis 5. Jan. 1762), beginnend mit dem Fall der Fremden (S. 360.), schien in dem Innern die alte Barbarey zurück- führen zu sollen. Die auswärtigen Verhältnisse, zwischen dem geheimen Rath Lestoc und dem Reichskanzler Grafen Bestuschef Riumin getheilt, kamen nach dem Sturz des erstern (13. Nov. 1748) ganz in die Hände des letztern, bis auch Er, (Febr. 1758) seinen Fall sich bereitete. Der Staat bestand, weil er nicht wohl auseinanderfallen konnte; und imponirte nicht durch seinen Geist, sondern durch seine Masse.
Ueber Lestoc und Bestuschef Büsching'sMagazin. 1768. B. II. Rußland No. 3. 4.
2. Schweden war unter der Regierung von Friedrich von Hessen (+ 1751) und noch mehr seines Nachfolgers Adolph Friedrich mehr eine Aristocratie als Monarchie; und der Streit der Factionen des Adels, genährt durch den Ingrimm gegen Rußland, schien hier am verderblichsten werden zu müssen, wo eigne Armuth fremde Subsidien als Hülfsquellen oben an setzte. So konnte die auswärtige Po- litik diesen Staat als ein Werkzeug zur Begünstigung ihrer Pläne gebrauchen; und die Partheyen von Gyllenborg und Horn -- der Hüthe und der Mützen, wie sie sich nannten -- wenn gleich ihren Grundsätzen nach jene die kriegerische, diese die friedliche Parthey, was wurden sie bey manchem Wechsel doch anders als französische und antifranzösische Parthey?
Staatsschriften des Grafen zu Lynar. 1793. Th. I. Sie ge- ben unter 1. 3. 4. und 7. bey weitem die besten Aufschlüsse
über
J i 3
1. Von 1740 bis auf Catharina II. 1762.
rend das Hauptreich unter einem indolenten, aber darum nicht weniger grauſamen, Deſpotismus fort- vegetirte, organiſirte ſich in den beyden angrenzen- den die Anarchie.
1. Rußland. Nach der kurzen, aber ſtuͤrmiſchen Regie- rung des unmuͤndigen Iwan des III. 28. Oct. 1740 bis 6. Dec. 1741, Erhebung der Eliſabeth, juͤngſten Tochter von Peter I., durch eine Revolution. Ihre Herrſchaft (bis 5. Jan. 1762), beginnend mit dem Fall der Fremden (S. 360.), ſchien in dem Innern die alte Barbarey zuruͤck- fuͤhren zu ſollen. Die auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe, zwiſchen dem geheimen Rath Leſtoc und dem Reichskanzler Grafen Beſtuſchef Riumin getheilt, kamen nach dem Sturz des erſtern (13. Nov. 1748) ganz in die Haͤnde des letztern, bis auch Er, (Febr. 1758) ſeinen Fall ſich bereitete. Der Staat beſtand, weil er nicht wohl auseinanderfallen konnte; und imponirte nicht durch ſeinen Geiſt, ſondern durch ſeine Maſſe.
Ueber Leſtoc und Beſtuſchef Buͤſching'sMagazin. 1768. B. II. Rußland No. 3. 4.
2. Schweden war unter der Regierung von Friedrich von Heſſen († 1751) und noch mehr ſeines Nachfolgers Adolph Friedrich mehr eine Ariſtocratie als Monarchie; und der Streit der Factionen des Adels, genaͤhrt durch den Ingrimm gegen Rußland, ſchien hier am verderblichſten werden zu muͤſſen, wo eigne Armuth fremde Subſidien als Huͤlfsquellen oben an ſetzte. So konnte die auswaͤrtige Po- litik dieſen Staat als ein Werkzeug zur Beguͤnſtigung ihrer Plaͤne gebrauchen; und die Partheyen von Gyllenborg und Horn — der Huͤthe und der Muͤtzen, wie ſie ſich nannten — wenn gleich ihren Grundſaͤtzen nach jene die kriegeriſche, dieſe die friedliche Parthey, was wurden ſie bey manchem Wechſel doch anders als franzoͤſiſche und antifranzoͤſiſche Parthey?
Staatsſchriften des Grafen zu Lynar. 1793. Th. I. Sie ge- ben unter 1. 3. 4. und 7. bey weitem die beſten Aufſchluͤſſe
uͤber
J i 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0539"n="501"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">1. Von 1740 bis auf Catharina <hirendition="#aq">II.</hi> 1762.</hi></fw><lb/>
rend das Hauptreich unter einem indolenten, aber<lb/>
darum nicht weniger grauſamen, Deſpotismus fort-<lb/>
vegetirte, organiſirte ſich in den beyden angrenzen-<lb/>
den die Anarchie.</p><lb/><p><hirendition="#et">1. <hirendition="#g">Rußland</hi>. Nach der kurzen, aber ſtuͤrmiſchen Regie-<lb/>
rung des unmuͤndigen <hirendition="#g">Iwan</hi> des <hirendition="#aq">III.</hi> 28. Oct. 1740 bis 6.<lb/>
Dec. 1741, Erhebung der <hirendition="#g">Eliſabeth</hi>, juͤngſten Tochter<lb/>
von Peter <hirendition="#aq">I.</hi>, durch eine Revolution. Ihre Herrſchaft (bis<lb/>
5. Jan. 1762), beginnend mit dem <hirendition="#g">Fall der Fremden</hi><lb/>
(S. 360.), ſchien in dem Innern die alte Barbarey zuruͤck-<lb/>
fuͤhren zu ſollen. Die auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe, zwiſchen<lb/>
dem geheimen Rath <hirendition="#g">Leſtoc</hi> und dem Reichskanzler Grafen<lb/><hirendition="#g">Beſtuſchef Riumin</hi> getheilt, kamen nach dem Sturz des<lb/>
erſtern (13. Nov. 1748) ganz in die Haͤnde des letztern, bis<lb/>
auch Er, (Febr. 1758) ſeinen Fall ſich bereitete. Der Staat<lb/>
beſtand, weil er nicht wohl auseinanderfallen konnte; und<lb/>
imponirte nicht durch ſeinen Geiſt, ſondern durch ſeine Maſſe.</hi></p><lb/><list><item>Ueber Leſtoc und Beſtuſchef <hirendition="#fr">Buͤſching's</hi><hirendition="#g">Magazin</hi>. 1768. B.<lb/><hirendition="#aq">II.</hi> Rußland <hirendition="#aq">No.</hi> 3. 4.</item></list><lb/><p><hirendition="#et">2. <hirendition="#g">Schweden</hi> war unter der Regierung von <hirendition="#g">Friedrich</hi><lb/>
von Heſſen († 1751) und noch mehr ſeines Nachfolgers<lb/><hirendition="#g">Adolph Friedrich</hi> mehr eine Ariſtocratie als Monarchie;<lb/>
und der Streit der Factionen des Adels, genaͤhrt durch den<lb/>
Ingrimm gegen Rußland, ſchien hier am verderblichſten<lb/>
werden zu muͤſſen, wo eigne Armuth fremde Subſidien als<lb/>
Huͤlfsquellen oben an ſetzte. So konnte die auswaͤrtige Po-<lb/>
litik dieſen Staat als ein Werkzeug zur Beguͤnſtigung ihrer<lb/>
Plaͤne gebrauchen; und die Partheyen von Gyllenborg und<lb/>
Horn — der <hirendition="#g">Huͤthe</hi> und der <hirendition="#g">Muͤtzen</hi>, wie ſie ſich nannten<lb/>— wenn gleich ihren Grundſaͤtzen nach jene die kriegeriſche,<lb/>
dieſe die friedliche Parthey, was <hirendition="#g">wurden</hi>ſie bey manchem<lb/>
Wechſel doch anders als franzoͤſiſche und antifranzoͤſiſche<lb/>
Parthey?</hi></p><lb/><list><item>Staatsſchriften des Grafen zu <hirendition="#g">Lynar</hi>. 1793. Th. <hirendition="#aq">I.</hi> Sie ge-<lb/>
ben unter 1. 3. 4. und 7. bey weitem die beſten Aufſchluͤſſe<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J i 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">uͤber</fw><lb/></item></list></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[501/0539]
1. Von 1740 bis auf Catharina II. 1762.
rend das Hauptreich unter einem indolenten, aber
darum nicht weniger grauſamen, Deſpotismus fort-
vegetirte, organiſirte ſich in den beyden angrenzen-
den die Anarchie.
1. Rußland. Nach der kurzen, aber ſtuͤrmiſchen Regie-
rung des unmuͤndigen Iwan des III. 28. Oct. 1740 bis 6.
Dec. 1741, Erhebung der Eliſabeth, juͤngſten Tochter
von Peter I., durch eine Revolution. Ihre Herrſchaft (bis
5. Jan. 1762), beginnend mit dem Fall der Fremden
(S. 360.), ſchien in dem Innern die alte Barbarey zuruͤck-
fuͤhren zu ſollen. Die auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe, zwiſchen
dem geheimen Rath Leſtoc und dem Reichskanzler Grafen
Beſtuſchef Riumin getheilt, kamen nach dem Sturz des
erſtern (13. Nov. 1748) ganz in die Haͤnde des letztern, bis
auch Er, (Febr. 1758) ſeinen Fall ſich bereitete. Der Staat
beſtand, weil er nicht wohl auseinanderfallen konnte; und
imponirte nicht durch ſeinen Geiſt, ſondern durch ſeine Maſſe.
Ueber Leſtoc und Beſtuſchef Buͤſching's Magazin. 1768. B.
II. Rußland No. 3. 4.
2. Schweden war unter der Regierung von Friedrich
von Heſſen († 1751) und noch mehr ſeines Nachfolgers
Adolph Friedrich mehr eine Ariſtocratie als Monarchie;
und der Streit der Factionen des Adels, genaͤhrt durch den
Ingrimm gegen Rußland, ſchien hier am verderblichſten
werden zu muͤſſen, wo eigne Armuth fremde Subſidien als
Huͤlfsquellen oben an ſetzte. So konnte die auswaͤrtige Po-
litik dieſen Staat als ein Werkzeug zur Beguͤnſtigung ihrer
Plaͤne gebrauchen; und die Partheyen von Gyllenborg und
Horn — der Huͤthe und der Muͤtzen, wie ſie ſich nannten
— wenn gleich ihren Grundſaͤtzen nach jene die kriegeriſche,
dieſe die friedliche Parthey, was wurden ſie bey manchem
Wechſel doch anders als franzoͤſiſche und antifranzoͤſiſche
Parthey?
Staatsſchriften des Grafen zu Lynar. 1793. Th. I. Sie ge-
ben unter 1. 3. 4. und 7. bey weitem die beſten Aufſchluͤſſe
uͤber
J i 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/539>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.