Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Per C. II. Gesch. d. nördl. Eur. Staatensyst.
Kosten Polens den Frieden herzustellen. Gewiß
war Friedrich der eifrigste Beförderer, höchst wahr-
scheinlich der Urheber davon. Welchen Antheil der
Zufall an seinem Ursprunge haben mochte, ist ziem-
lich gleichgültig; das Wichtige liegt darin, daß es
reifen konnte. Wie tief auch die öffentliche Mo-
ral sinken mag, so kann sie nie so tief sinken, daß
die ruhig verabredete Beraubung des Nachbaren
eines Commentars bedürfte. Es war die Frucht
der Arrondirungs-Politik, hervorgehend aus der
zerstückelten Lage der Preußischen Monarchie.

Verhandlungen über die erste Theilung Polens zuerst
zwischen Preußen und Rußland, und darauf zwischen Preu-
ßen und Oestreich, welche 5. Aug. 1772 den Theilungs-
vergleich
zur Folge hatten, kraft dessen 1. Rußland
das Land zwischen der Dwina, Dnieper und Drutsch,
2. Oestreich das nachmalige Galizien und Ludomirien, 3.
Preußen ganz Polnisch Preußen (außer Danzig und Thorn)
und den Theil von Großpolen bis an die Netze erhielt;
welche Grenzen jedoch von Oestreich und Preußen bald nach
Willkühr ausgedehut wurden. Garantie der drey Mächte,
nicht nur wechselseitig an einander des Genommenen, son-
dern auch -- an Polen des Gelassenen.

28. Erzwungene Einwilligung der Na-
1773
Apr.
tion auf dem Reichstage zu Warschau nach schon
vollzogenen Occupationen. Aber auch in dem übri-
gen Polen war Catharina nicht Willens, ihre Herr-
schaft aufzugeben oder auch nur zu theilen; und
wer wagte es, ihr zu widersprechen? Die Errich-

tung

II. Per C. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
Koſten Polens den Frieden herzuſtellen. Gewiß
war Friedrich der eifrigſte Befoͤrderer, hoͤchſt wahr-
ſcheinlich der Urheber davon. Welchen Antheil der
Zufall an ſeinem Urſprunge haben mochte, iſt ziem-
lich gleichguͤltig; das Wichtige liegt darin, daß es
reifen konnte. Wie tief auch die oͤffentliche Mo-
ral ſinken mag, ſo kann ſie nie ſo tief ſinken, daß
die ruhig verabredete Beraubung des Nachbaren
eines Commentars beduͤrfte. Es war die Frucht
der Arrondirungs-Politik, hervorgehend aus der
zerſtuͤckelten Lage der Preußiſchen Monarchie.

Verhandlungen uͤber die erſte Theilung Polens zuerſt
zwiſchen Preußen und Rußland, und darauf zwiſchen Preu-
ßen und Oeſtreich, welche 5. Aug. 1772 den Theilungs-
vergleich
zur Folge hatten, kraft deſſen 1. Rußland
das Land zwiſchen der Dwina, Dnieper und Drutſch,
2. Oeſtreich das nachmalige Galizien und Ludomirien, 3.
Preußen ganz Polniſch Preußen (außer Danzig und Thorn)
und den Theil von Großpolen bis an die Netze erhielt;
welche Grenzen jedoch von Oeſtreich und Preußen bald nach
Willkuͤhr ausgedehut wurden. Garantie der drey Maͤchte,
nicht nur wechſelſeitig an einander des Genommenen, ſon-
dern auch — an Polen des Gelaſſenen.

28. Erzwungene Einwilligung der Na-
1773
Apr.
tion auf dem Reichstage zu Warſchau nach ſchon
vollzogenen Occupationen. Aber auch in dem uͤbri-
gen Polen war Catharina nicht Willens, ihre Herr-
ſchaft aufzugeben oder auch nur zu theilen; und
wer wagte es, ihr zu widerſprechen? Die Errich-

tung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0556" n="518"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Per <hi rendition="#aq">C. II.</hi> Ge&#x017F;ch. d. no&#x0364;rdl. Eur. Staaten&#x017F;y&#x017F;t.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">Ko&#x017F;ten Polens</hi> den Frieden herzu&#x017F;tellen. Gewiß<lb/>
war Friedrich der eifrig&#x017F;te Befo&#x0364;rderer, ho&#x0364;ch&#x017F;t wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich der Urheber davon. Welchen Antheil der<lb/>
Zufall an &#x017F;einem Ur&#x017F;prunge haben mochte, i&#x017F;t ziem-<lb/>
lich gleichgu&#x0364;ltig; das Wichtige liegt darin, daß es<lb/><hi rendition="#g">reifen</hi> konnte. Wie tief auch die o&#x0364;ffentliche Mo-<lb/>
ral &#x017F;inken mag, &#x017F;o kann &#x017F;ie nie &#x017F;o tief &#x017F;inken, daß<lb/>
die ruhig verabredete Beraubung des Nachbaren<lb/>
eines Commentars bedu&#x0364;rfte. Es war die Frucht<lb/>
der Arrondirungs-Politik, hervorgehend aus der<lb/>
zer&#x017F;tu&#x0364;ckelten Lage der Preußi&#x017F;chen Monarchie.</p><lb/>
                <p> <hi rendition="#et">Verhandlungen u&#x0364;ber die er&#x017F;te Theilung Polens zuer&#x017F;t<lb/>
zwi&#x017F;chen Preußen und Rußland, und darauf zwi&#x017F;chen Preu-<lb/>
ßen und Oe&#x017F;treich, welche 5. Aug. 1772 den <hi rendition="#g">Theilungs-<lb/>
vergleich</hi> zur Folge hatten, kraft de&#x017F;&#x017F;en 1. <hi rendition="#g">Rußland</hi><lb/>
das Land zwi&#x017F;chen der Dwina, Dnieper und Drut&#x017F;ch,<lb/>
2. <hi rendition="#g">Oe&#x017F;treich</hi> das nachmalige Galizien und Ludomirien, 3.<lb/><hi rendition="#g">Preußen</hi> ganz Polni&#x017F;ch Preußen (außer Danzig und Thorn)<lb/>
und den Theil von Großpolen bis an die Netze erhielt;<lb/>
welche Grenzen jedoch von Oe&#x017F;treich und Preußen bald nach<lb/>
Willku&#x0364;hr ausgedehut wurden. Garantie der drey Ma&#x0364;chte,<lb/>
nicht nur wech&#x017F;el&#x017F;eitig an einander des Genommenen, &#x017F;on-<lb/>
dern auch &#x2014; an Polen des Gela&#x017F;&#x017F;enen.</hi> </p><lb/>
                <p>28. Erzwungene <hi rendition="#g">Einwilligung der Na-</hi><lb/><note place="left">1773<lb/>
Apr.</note><hi rendition="#g">tion</hi> auf dem Reichstage zu War&#x017F;chau nach &#x017F;chon<lb/>
vollzogenen Occupationen. Aber auch in dem u&#x0364;bri-<lb/>
gen Polen war Catharina nicht Willens, ihre Herr-<lb/>
&#x017F;chaft aufzugeben oder auch nur zu theilen; und<lb/>
wer wagte es, ihr zu wider&#x017F;prechen? Die Errich-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[518/0556] II. Per C. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt. Koſten Polens den Frieden herzuſtellen. Gewiß war Friedrich der eifrigſte Befoͤrderer, hoͤchſt wahr- ſcheinlich der Urheber davon. Welchen Antheil der Zufall an ſeinem Urſprunge haben mochte, iſt ziem- lich gleichguͤltig; das Wichtige liegt darin, daß es reifen konnte. Wie tief auch die oͤffentliche Mo- ral ſinken mag, ſo kann ſie nie ſo tief ſinken, daß die ruhig verabredete Beraubung des Nachbaren eines Commentars beduͤrfte. Es war die Frucht der Arrondirungs-Politik, hervorgehend aus der zerſtuͤckelten Lage der Preußiſchen Monarchie. Verhandlungen uͤber die erſte Theilung Polens zuerſt zwiſchen Preußen und Rußland, und darauf zwiſchen Preu- ßen und Oeſtreich, welche 5. Aug. 1772 den Theilungs- vergleich zur Folge hatten, kraft deſſen 1. Rußland das Land zwiſchen der Dwina, Dnieper und Drutſch, 2. Oeſtreich das nachmalige Galizien und Ludomirien, 3. Preußen ganz Polniſch Preußen (außer Danzig und Thorn) und den Theil von Großpolen bis an die Netze erhielt; welche Grenzen jedoch von Oeſtreich und Preußen bald nach Willkuͤhr ausgedehut wurden. Garantie der drey Maͤchte, nicht nur wechſelſeitig an einander des Genommenen, ſon- dern auch — an Polen des Gelaſſenen. 28. Erzwungene Einwilligung der Na- tion auf dem Reichstage zu Warſchau nach ſchon vollzogenen Occupationen. Aber auch in dem uͤbri- gen Polen war Catharina nicht Willens, ihre Herr- ſchaft aufzugeben oder auch nur zu theilen; und wer wagte es, ihr zu widerſprechen? Die Errich- tung 1773 Apr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/556
Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/556>, abgerufen am 22.11.2024.