Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Staatshändel in Europa -- 1797.
-- Nicht die innere, sondern die äußere Geschich-
te der französischen Revolution, ihre Ein-
wirkung auf das Staatensystem von Europa ist es,
welche uns hier beschäftigt. Aber um diese rich-
tig zu beurtheilen muß man doch ihren inneren
Character gefaßt haben.

17. Drey Hauptpuncte waren es, welche
diesen bestimmten; aber auch zugleich die Aussicht
eines glücklichen Erfolgs im voraus niederschlagen
mußten. Erstlich: daß man nicht etwa, wie an-
derswo, Reformen oder Wiederherstellung des Al-
ten, sondern etwas ganz Neues wollte. So war
also kein Stützpunct, keine Haltung mehr da!
Zweytens: daß man dieß Neue durch eine zahl-
reiche, sich selbst überlassene, Volksversammlung,
unabhängig von der Regierung, und umgeben von
einem unbändigen Pöbel, erhalten wollte. Drit-
tens
: Daß das aufgestellte Idol einer repräsenta-
tiven Verfassung, (mit oder gar ohne König) im
Widerspruch mit dem Nationalcharacter stand, der
keinesweges für große deliberirende Versammlungen
paßt. Und wenn noch eine Hoffnung übrig blieb,
so reichte der, aus den Theorien der Philosophen
aufgegriffene Wahn, der gänzlichen oder möglich-
sten Trennung der ausübenden und gesetzgebenden
Macht, vollends hin sie zu vereiteln.

Das

1. Staatshaͤndel in Europa -- 1797.
— Nicht die innere, ſondern die aͤußere Geſchich-
te der franzoͤſiſchen Revolution, ihre Ein-
wirkung auf das Staatenſyſtem von Europa iſt es,
welche uns hier beſchaͤftigt. Aber um dieſe rich-
tig zu beurtheilen muß man doch ihren inneren
Character gefaßt haben.

17. Drey Hauptpuncte waren es, welche
dieſen beſtimmten; aber auch zugleich die Ausſicht
eines gluͤcklichen Erfolgs im voraus niederſchlagen
mußten. Erſtlich: daß man nicht etwa, wie an-
derswo, Reformen oder Wiederherſtellung des Al-
ten, ſondern etwas ganz Neues wollte. So war
alſo kein Stuͤtzpunct, keine Haltung mehr da!
Zweytens: daß man dieß Neue durch eine zahl-
reiche, ſich ſelbſt uͤberlaſſene, Volksverſammlung,
unabhaͤngig von der Regierung, und umgeben von
einem unbaͤndigen Poͤbel, erhalten wollte. Drit-
tens
: Daß das aufgeſtellte Idol einer repraͤſenta-
tiven Verfaſſung, (mit oder gar ohne Koͤnig) im
Widerſpruch mit dem Nationalcharacter ſtand, der
keinesweges fuͤr große deliberirende Verſammlungen
paßt. Und wenn noch eine Hoffnung uͤbrig blieb,
ſo reichte der, aus den Theorien der Philoſophen
aufgegriffene Wahn, der gaͤnzlichen oder moͤglich-
ſten Trennung der ausuͤbenden und geſetzgebenden
Macht, vollends hin ſie zu vereiteln.

Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0579" n="541"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">1. Staatsha&#x0364;ndel in Europa -- 1797.</hi></fw><lb/>
&#x2014; Nicht die innere, &#x017F;ondern die a&#x0364;ußere Ge&#x017F;chich-<lb/>
te <hi rendition="#g">der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Revolution</hi>, ihre Ein-<lb/>
wirkung auf das Staaten&#x017F;y&#x017F;tem von Europa i&#x017F;t es,<lb/>
welche uns hier be&#x017F;cha&#x0364;ftigt. Aber um die&#x017F;e rich-<lb/>
tig zu beurtheilen muß man doch ihren inneren<lb/>
Character gefaßt haben.</p><lb/>
                <p>17. <hi rendition="#g">Drey</hi> Hauptpuncte waren es, welche<lb/>
die&#x017F;en be&#x017F;timmten; aber auch zugleich die Aus&#x017F;icht<lb/>
eines glu&#x0364;cklichen Erfolgs im voraus nieder&#x017F;chlagen<lb/>
mußten. <hi rendition="#g">Er&#x017F;tlich</hi>: daß man nicht etwa, wie an-<lb/>
derswo, Reformen oder Wiederher&#x017F;tellung des Al-<lb/>
ten, &#x017F;ondern etwas ganz Neues wollte. So war<lb/>
al&#x017F;o kein Stu&#x0364;tzpunct, keine Haltung mehr da!<lb/><hi rendition="#g">Zweytens</hi>: daß man dieß Neue durch eine zahl-<lb/>
reiche, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;ene, Volksver&#x017F;ammlung,<lb/>
unabha&#x0364;ngig von der Regierung, und umgeben von<lb/>
einem unba&#x0364;ndigen Po&#x0364;bel, erhalten wollte. <hi rendition="#g">Drit-<lb/>
tens</hi>: Daß das aufge&#x017F;tellte Idol einer repra&#x0364;&#x017F;enta-<lb/>
tiven Verfa&#x017F;&#x017F;ung, (mit oder gar ohne Ko&#x0364;nig) im<lb/>
Wider&#x017F;pruch mit dem Nationalcharacter &#x017F;tand, der<lb/>
keinesweges fu&#x0364;r große deliberirende Ver&#x017F;ammlungen<lb/>
paßt. Und wenn noch eine Hoffnung u&#x0364;brig blieb,<lb/>
&#x017F;o reichte der, aus den Theorien der Philo&#x017F;ophen<lb/>
aufgegriffene Wahn, der ga&#x0364;nzlichen oder mo&#x0364;glich-<lb/>
&#x017F;ten Trennung der ausu&#x0364;benden und ge&#x017F;etzgebenden<lb/>
Macht, vollends hin &#x017F;ie zu vereiteln.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[541/0579] 1. Staatshaͤndel in Europa -- 1797. — Nicht die innere, ſondern die aͤußere Geſchich- te der franzoͤſiſchen Revolution, ihre Ein- wirkung auf das Staatenſyſtem von Europa iſt es, welche uns hier beſchaͤftigt. Aber um dieſe rich- tig zu beurtheilen muß man doch ihren inneren Character gefaßt haben. 17. Drey Hauptpuncte waren es, welche dieſen beſtimmten; aber auch zugleich die Ausſicht eines gluͤcklichen Erfolgs im voraus niederſchlagen mußten. Erſtlich: daß man nicht etwa, wie an- derswo, Reformen oder Wiederherſtellung des Al- ten, ſondern etwas ganz Neues wollte. So war alſo kein Stuͤtzpunct, keine Haltung mehr da! Zweytens: daß man dieß Neue durch eine zahl- reiche, ſich ſelbſt uͤberlaſſene, Volksverſammlung, unabhaͤngig von der Regierung, und umgeben von einem unbaͤndigen Poͤbel, erhalten wollte. Drit- tens: Daß das aufgeſtellte Idol einer repraͤſenta- tiven Verfaſſung, (mit oder gar ohne Koͤnig) im Widerſpruch mit dem Nationalcharacter ſtand, der keinesweges fuͤr große deliberirende Verſammlungen paßt. Und wenn noch eine Hoffnung uͤbrig blieb, ſo reichte der, aus den Theorien der Philoſophen aufgegriffene Wahn, der gaͤnzlichen oder moͤglich- ſten Trennung der ausuͤbenden und geſetzgebenden Macht, vollends hin ſie zu vereiteln. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/579
Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/579>, abgerufen am 22.11.2024.