dem sie einmal Theil genommen hatten? Wie unbe- deutend daher auch oft die Händel der Italiänischen Staaten für das Ganze scheinen mögen, so sind sie es doch keinesweges. Diese kleinen Räder waren es, die das große Triebwerk der Europäischen Politik da- mals am meisten in Bewegung setzten und erhielten.
4. Schilderung des politischen Zustandes des durch Wissenschaft und Kunst herrlich aufblühenden Italiens um diese Zeit. Schon seit mehr als Einem Jahrhundert war es gleichsam eine Welt für sich, so- wohl in Rücksicht seiner Politik als seiner Cultur. Im Genuß der Unabhängigkeit bildeten seine Staaten ein System, in welchem sich mit dem Streben zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts auch eine verfei- nerte Politik ausgebildet hatte, die aber, besonders seit dem Tode des großen Lorenzo von Medicis1492 immer mehr in einen bloß arglistigen Egoismus aus- artend, bald sich selber stürzte. Die Hauptglieder dieses Systems waren das Herzogthum Mayland und die Republik Venedig im Norden; die Repu- blik Florenz und der Kirchenstaat in der Mitte; und das Königreich Neapel im Süden.
1. Das Herzogthum Mayland, zu dem damahls auch nicht nur Parma und Piacenza, sondern auch Genua gehörte, war deutsches Reichslehen; aber seit dem Aussterben des Mannsstamms des Hauses Visconti 1450 im Besitz des Hauses Sforza, aus dem nach dem Tode des Stifters Franz Sforza 1466, und der Ermordung
seines
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A. 1. Haͤnd. u. Streit. uͤb. Ital. 1494--1515.
dem ſie einmal Theil genommen hatten? Wie unbe- deutend daher auch oft die Haͤndel der Italiaͤniſchen Staaten fuͤr das Ganze ſcheinen moͤgen, ſo ſind ſie es doch keinesweges. Dieſe kleinen Raͤder waren es, die das große Triebwerk der Europaͤiſchen Politik da- mals am meiſten in Bewegung ſetzten und erhielten.
4. Schilderung des politiſchen Zuſtandes des durch Wiſſenſchaft und Kunſt herrlich aufbluͤhenden Italiens um dieſe Zeit. Schon ſeit mehr als Einem Jahrhundert war es gleichſam eine Welt fuͤr ſich, ſo- wohl in Ruͤckſicht ſeiner Politik als ſeiner Cultur. Im Genuß der Unabhaͤngigkeit bildeten ſeine Staaten ein Syſtem, in welchem ſich mit dem Streben zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts auch eine verfei- nerte Politik ausgebildet hatte, die aber, beſonders ſeit dem Tode des großen Lorenzo von Medicis1492 immer mehr in einen bloß argliſtigen Egoiſmus aus- artend, bald ſich ſelber ſtuͤrzte. Die Hauptglieder dieſes Syſtems waren das Herzogthum Mayland und die Republik Venedig im Norden; die Repu- blik Florenz und der Kirchenſtaat in der Mitte; und das Koͤnigreich Neapel im Suͤden.
1. Das Herzogthum Mayland, zu dem damahls auch nicht nur Parma und Piacenza, ſondern auch Genua gehoͤrte, war deutſches Reichslehen; aber ſeit dem Ausſterben des Mannsſtamms des Hauſes Viſconti 1450 im Beſitz des Hauſes Sforza, aus dem nach dem Tode des Stifters Franz Sforza 1466, und der Ermordung
ſeines
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A. 1. Haͤnd. u. Streit. uͤb. Ital. 1494--1515.
dem ſie einmal Theil genommen hatten? Wie unbe-
deutend daher auch oft die Haͤndel der Italiaͤniſchen
Staaten fuͤr das Ganze ſcheinen moͤgen, ſo ſind ſie es
doch keinesweges. Dieſe kleinen Raͤder waren es,
die das große Triebwerk der Europaͤiſchen Politik da-
mals am meiſten in Bewegung ſetzten und erhielten.
4. Schilderung des politiſchen Zuſtandes des
durch Wiſſenſchaft und Kunſt herrlich aufbluͤhenden
Italiens um dieſe Zeit. Schon ſeit mehr als Einem
Jahrhundert war es gleichſam eine Welt fuͤr ſich, ſo-
wohl in Ruͤckſicht ſeiner Politik als ſeiner Cultur.
Im Genuß der Unabhaͤngigkeit bildeten ſeine Staaten
ein Syſtem, in welchem ſich mit dem Streben zur
Aufrechthaltung des Gleichgewichts auch eine verfei-
nerte Politik ausgebildet hatte, die aber, beſonders
ſeit dem Tode des großen Lorenzo von Medicis
immer mehr in einen bloß argliſtigen Egoiſmus aus-
artend, bald ſich ſelber ſtuͤrzte. Die Hauptglieder
dieſes Syſtems waren das Herzogthum Mayland
und die Republik Venedig im Norden; die Repu-
blik Florenz und der Kirchenſtaat in der Mitte;
und das Koͤnigreich Neapel im Suͤden.
1492
1. Das Herzogthum Mayland, zu dem damahls auch
nicht nur Parma und Piacenza, ſondern auch Genua
gehoͤrte, war deutſches Reichslehen; aber ſeit dem
Ausſterben des Mannsſtamms des Hauſes Viſconti 1450
im Beſitz des Hauſes Sforza, aus dem nach dem Tode
des Stifters Franz Sforza 1466, und der Ermordung
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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