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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 125. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
Deserteurs, selbst von Verräthern; allgemein zugestanden der Ge-
brauch von Kundschaftern. 1 Jedem Theile stehet aber zu gegen
Listen und Verrath kräftige Reaction zu gebrauchen; 2 geht die
List zu offenem Kampf über, so muß die Verstellung aufhören. 3

Wendet der Feind nun unerlaubte Mittel der Bekämpfung an,
so darf auch er rechtlos behandelt werden. Er unterliegt dem Ge-
setz der Wiedervergeltung, wenn nur eine solche möglicher Weise
den Schuldigen treffen kann.

Behandlung feindlicher Personen.

125. In Hinsicht auf die Behandlung feindlicher Personen
kannte das alte Kriegsrecht gar keine oder doch nur wenige Schran-
ken. Es überließ sie der Willkühr des Siegers, mit der Wahl
zwischen Tödtung oder Knechtung. Das neuere Kriegsrecht christ-
licher Nationen ist auch hierin, seinem obigen Princip gemäß, hu-
maner; es beschränkt sich auf das Unvermeidliche und unterschei-
det die verschiedene Bestimmung so wie das Verhalten der feind-
lichen Personen in folgender Weise:

I. Nur gegen Personen des feindlichen Wehrstandes, welche
zum Gebrauch der Waffen verpflichtet und berechtigt sind
(s. g. Combattanten), es seien reguläre oder irreguläre
Truppen, gilt das eigentliche Kriegsrecht auf Leben und Tod,
werden alle von der Kriegsmanier erlaubte Mittel der Ver-
nichtung angewendet. 4 Schonung einzelner Menschenleben
muß nur in dem Fall Statt finden, wenn der Andere sich
dadurch selbst in keine Gefahr bringt oder die Erreichung
der Kriegszwecke dadurch nicht verhindert wird. Es wird
daher auch unter solchen Umständen der Pardon dem Ein-
zelnen nicht leicht verweigert, sofern nur der Feind selbst eine
gleiche menschliche Schonung beobachtet und nicht durch ein
entgegengesetztes Verfahren zu Repressalien Anlaß giebt, um
1 Von diesen wird noch im dritten Buch a. E. besonders gehandelt wer-
den. S. übrigens wegen des Obigen Vattel §. 181. Klüber §. 266.
2 So bei den intelligences doubles. Vattel §. 182.
3 So muß beim Seegefecht jeder Theil die wahre Flagge, wenigstens beim
Anfang des Kampfes, zeigen. Bouchaud, theorie des traites de com-
merce p.
377.
4 Vgl. Zachariä vom Staat, XXVIII, 7, 2. (Bd. IV, 1. S. 99.)
14*

§. 125. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Deſerteurs, ſelbſt von Verräthern; allgemein zugeſtanden der Ge-
brauch von Kundſchaftern. 1 Jedem Theile ſtehet aber zu gegen
Liſten und Verrath kräftige Reaction zu gebrauchen; 2 geht die
Liſt zu offenem Kampf über, ſo muß die Verſtellung aufhören. 3

Wendet der Feind nun unerlaubte Mittel der Bekämpfung an,
ſo darf auch er rechtlos behandelt werden. Er unterliegt dem Ge-
ſetz der Wiedervergeltung, wenn nur eine ſolche möglicher Weiſe
den Schuldigen treffen kann.

Behandlung feindlicher Perſonen.

125. In Hinſicht auf die Behandlung feindlicher Perſonen
kannte das alte Kriegsrecht gar keine oder doch nur wenige Schran-
ken. Es überließ ſie der Willkühr des Siegers, mit der Wahl
zwiſchen Tödtung oder Knechtung. Das neuere Kriegsrecht chriſt-
licher Nationen iſt auch hierin, ſeinem obigen Princip gemäß, hu-
maner; es beſchränkt ſich auf das Unvermeidliche und unterſchei-
det die verſchiedene Beſtimmung ſo wie das Verhalten der feind-
lichen Perſonen in folgender Weiſe:

I. Nur gegen Perſonen des feindlichen Wehrſtandes, welche
zum Gebrauch der Waffen verpflichtet und berechtigt ſind
(ſ. g. Combattanten), es ſeien regulaͤre oder irreguläre
Truppen, gilt das eigentliche Kriegsrecht auf Leben und Tod,
werden alle von der Kriegsmanier erlaubte Mittel der Ver-
nichtung angewendet. 4 Schonung einzelner Menſchenleben
muß nur in dem Fall Statt finden, wenn der Andere ſich
dadurch ſelbſt in keine Gefahr bringt oder die Erreichung
der Kriegszwecke dadurch nicht verhindert wird. Es wird
daher auch unter ſolchen Umſtänden der Pardon dem Ein-
zelnen nicht leicht verweigert, ſofern nur der Feind ſelbſt eine
gleiche menſchliche Schonung beobachtet und nicht durch ein
entgegengeſetztes Verfahren zu Repreſſalien Anlaß giebt, um
1 Von dieſen wird noch im dritten Buch a. E. beſonders gehandelt wer-
den. S. übrigens wegen des Obigen Vattel §. 181. Klüber §. 266.
2 So bei den intelligences doubles. Vattel §. 182.
3 So muß beim Seegefecht jeder Theil die wahre Flagge, wenigſtens beim
Anfang des Kampfes, zeigen. Bouchaud, théorie des traités de com-
merce p.
377.
4 Vgl. Zachariä vom Staat, XXVIII, 7, 2. (Bd. IV, 1. S. 99.)
14*
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[211/0235] §. 125. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Deſerteurs, ſelbſt von Verräthern; allgemein zugeſtanden der Ge- brauch von Kundſchaftern. 1 Jedem Theile ſtehet aber zu gegen Liſten und Verrath kräftige Reaction zu gebrauchen; 2 geht die Liſt zu offenem Kampf über, ſo muß die Verſtellung aufhören. 3 Wendet der Feind nun unerlaubte Mittel der Bekämpfung an, ſo darf auch er rechtlos behandelt werden. Er unterliegt dem Ge- ſetz der Wiedervergeltung, wenn nur eine ſolche möglicher Weiſe den Schuldigen treffen kann. Behandlung feindlicher Perſonen. 125. In Hinſicht auf die Behandlung feindlicher Perſonen kannte das alte Kriegsrecht gar keine oder doch nur wenige Schran- ken. Es überließ ſie der Willkühr des Siegers, mit der Wahl zwiſchen Tödtung oder Knechtung. Das neuere Kriegsrecht chriſt- licher Nationen iſt auch hierin, ſeinem obigen Princip gemäß, hu- maner; es beſchränkt ſich auf das Unvermeidliche und unterſchei- det die verſchiedene Beſtimmung ſo wie das Verhalten der feind- lichen Perſonen in folgender Weiſe: I. Nur gegen Perſonen des feindlichen Wehrſtandes, welche zum Gebrauch der Waffen verpflichtet und berechtigt ſind (ſ. g. Combattanten), es ſeien regulaͤre oder irreguläre Truppen, gilt das eigentliche Kriegsrecht auf Leben und Tod, werden alle von der Kriegsmanier erlaubte Mittel der Ver- nichtung angewendet. 4 Schonung einzelner Menſchenleben muß nur in dem Fall Statt finden, wenn der Andere ſich dadurch ſelbſt in keine Gefahr bringt oder die Erreichung der Kriegszwecke dadurch nicht verhindert wird. Es wird daher auch unter ſolchen Umſtänden der Pardon dem Ein- zelnen nicht leicht verweigert, ſofern nur der Feind ſelbſt eine gleiche menſchliche Schonung beobachtet und nicht durch ein entgegengeſetztes Verfahren zu Repreſſalien Anlaß giebt, um 1 Von dieſen wird noch im dritten Buch a. E. beſonders gehandelt wer- den. S. übrigens wegen des Obigen Vattel §. 181. Klüber §. 266. 2 So bei den intelligences doubles. Vattel §. 182. 3 So muß beim Seegefecht jeder Theil die wahre Flagge, wenigſtens beim Anfang des Kampfes, zeigen. Bouchaud, théorie des traités de com- merce p. 377. 4 Vgl. Zachariä vom Staat, XXVIII, 7, 2. (Bd. IV, 1. S. 99.) 14*

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/235>, abgerufen am 28.11.2024.