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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 142. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.

d) Capitulationen1 von Truppentheilen oder Waffen-
plätzen. Sie werden bedingt 2 oder unbedingt geschlossen; die Ver-
tragsform besteht meistens in der schriftlichen Proposition der Be-
dingungen von Seiten des Capitulirenwollenden und in der schrift-
lichen Erklärung des andern Theiles auf jene Proposition.

e) Waffenstillstandsverträge3 wegen Unterbrechung
der Feindseligkeiten. Sie sind entweder allgemeine, für die feindli-
chen Parteien an allen Puncten giltig, oder nur besondere für ge-
wisse Truppen, Gegenden und Linien, und werden bald auf be-
stimmte bald auf unbestimmte Zeit eingegangen. Sie sind für
die Staatsgewalten verbindlich mit dem verabredeten Anfangspunct,
Einzelne hingegen dafür nur verantwortlich von dem Tage der er-
haltenen Kenntniß an. Den hierdurch dem anderen Theile er-
wachsenen Nachtheil müssen die Staatsgewalten wieder ausglei-
chen. Natürliche Bedeutung jedes Waffenstillstandes ist Erhaltung
des status quo in Bezug auf die gegenseitige kriegerische Stellung,
ohne weitere Ausdehnung derselben zum Schaden des Gegners. Zur
Befestigung und Sicherung der bisherigen kann jeder Theil thun was
ihm gut dünkt. 4 -- Die Wiedereröffnung von Feindseligkeiten
pflegt, wenn die Frist keine ganz momentane ist, geziemender Weise
wenigstens durch eine vorherige Aufkündigung angezeigt zu wer-
den, 5 bei dem unbestimmt eingegangenen Waffenstillstand ist sie

1 J. Fr. Ludovici, de capitulationib. Hal. 1707. Moser IX, 2, 155.
Sonstige Schriften bei v. Ompteda §. 315. v. Kamptz §. 300.
2 Eine sonst häufige Bedingung war: wenn nicht innerhalb einer gewissen
Frist Entsatz kommen sollte und dann es auf den Ausgang des Kampfes
ankommen zu lassen. Ward II, 226 f.
3 Ueber diese: Groot III, 21. Pufendorf VIII, 7, 3. Jo. Strauch, diss.
acad. n.
5. Moser Vers. X, 2, 1. Vattel III, §. 233 f.
4 Dies scheint die richtigste Formel, welcher die von Pinheiro-Ferreira zu
Vattel III, 245. vorgeschlagene schwerlich vorzuziehen ist, "de ne rien faire
de ce que l'ennemi aurait ete interesse d'empecher et que, sans la treve,
il aurait probablement empeche
." Besonders streitig ist, ob einem bela-
gerten Ort erlaubt sei, seine Mauern wiederherzustellen und neue Verthei-
digungsbarrieren aufzuführen? Bejaet wird es mit Recht von Groot §. 7.
noch bestimmter in Bezug auf jede Vertheidigungsmaaßregel von Pufen-
dorf §. 10. Geleugnet von H. Cocceji zu Groot §. 10. von Vattel und
Wheaton IV, 2, 20. Daß der Belagerer seine Belagerungsarbeiten nicht
fortsetzen dürfe, ist außer Zweifel.
5 Pufendorf VIII, 7. 6.
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§. 142. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.

d) Capitulationen1 von Truppentheilen oder Waffen-
plätzen. Sie werden bedingt 2 oder unbedingt geſchloſſen; die Ver-
tragsform beſteht meiſtens in der ſchriftlichen Propoſition der Be-
dingungen von Seiten des Capitulirenwollenden und in der ſchrift-
lichen Erklärung des andern Theiles auf jene Propoſition.

e) Waffenſtillſtandsverträge3 wegen Unterbrechung
der Feindſeligkeiten. Sie ſind entweder allgemeine, für die feindli-
chen Parteien an allen Puncten giltig, oder nur beſondere für ge-
wiſſe Truppen, Gegenden und Linien, und werden bald auf be-
ſtimmte bald auf unbeſtimmte Zeit eingegangen. Sie ſind für
die Staatsgewalten verbindlich mit dem verabredeten Anfangspunct,
Einzelne hingegen dafür nur verantwortlich von dem Tage der er-
haltenen Kenntniß an. Den hierdurch dem anderen Theile er-
wachſenen Nachtheil müſſen die Staatsgewalten wieder ausglei-
chen. Natürliche Bedeutung jedes Waffenſtillſtandes iſt Erhaltung
des status quo in Bezug auf die gegenſeitige kriegeriſche Stellung,
ohne weitere Ausdehnung derſelben zum Schaden des Gegners. Zur
Befeſtigung und Sicherung der bisherigen kann jeder Theil thun was
ihm gut dünkt. 4 — Die Wiedereröffnung von Feindſeligkeiten
pflegt, wenn die Friſt keine ganz momentane iſt, geziemender Weiſe
wenigſtens durch eine vorherige Aufkündigung angezeigt zu wer-
den, 5 bei dem unbeſtimmt eingegangenen Waffenſtillſtand iſt ſie

1 J. Fr. Ludovici, de capitulationib. Hal. 1707. Moſer IX, 2, 155.
Sonſtige Schriften bei v. Ompteda §. 315. v. Kamptz §. 300.
2 Eine ſonſt häufige Bedingung war: wenn nicht innerhalb einer gewiſſen
Friſt Entſatz kommen ſollte und dann es auf den Ausgang des Kampfes
ankommen zu laſſen. Ward II, 226 f.
3 Ueber dieſe: Groot III, 21. Pufendorf VIII, 7, 3. Jo. Strauch, diss.
acad. n.
5. Moſer Verſ. X, 2, 1. Vattel III, §. 233 f.
4 Dies ſcheint die richtigſte Formel, welcher die von Pinheiro-Ferreira zu
Vattel III, 245. vorgeſchlagene ſchwerlich vorzuziehen iſt, „de ne rien faire
de ce que l’ennemi aurait été intéressé d’empêcher et que, sans la trève,
il aurait probablement empêché
.“ Beſonders ſtreitig iſt, ob einem bela-
gerten Ort erlaubt ſei, ſeine Mauern wiederherzuſtellen und neue Verthei-
digungsbarrièren aufzuführen? Bejaet wird es mit Recht von Groot §. 7.
noch beſtimmter in Bezug auf jede Vertheidigungsmaaßregel von Pufen-
dorf §. 10. Geleugnet von H. Cocceji zu Groot §. 10. von Vattel und
Wheaton IV, 2, 20. Daß der Belagerer ſeine Belagerungsarbeiten nicht
fortſetzen dürfe, iſt außer Zweifel.
5 Pufendorf VIII, 7. 6.
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[241/0265] §. 142. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. d) Capitulationen 1 von Truppentheilen oder Waffen- plätzen. Sie werden bedingt 2 oder unbedingt geſchloſſen; die Ver- tragsform beſteht meiſtens in der ſchriftlichen Propoſition der Be- dingungen von Seiten des Capitulirenwollenden und in der ſchrift- lichen Erklärung des andern Theiles auf jene Propoſition. e) Waffenſtillſtandsverträge 3 wegen Unterbrechung der Feindſeligkeiten. Sie ſind entweder allgemeine, für die feindli- chen Parteien an allen Puncten giltig, oder nur beſondere für ge- wiſſe Truppen, Gegenden und Linien, und werden bald auf be- ſtimmte bald auf unbeſtimmte Zeit eingegangen. Sie ſind für die Staatsgewalten verbindlich mit dem verabredeten Anfangspunct, Einzelne hingegen dafür nur verantwortlich von dem Tage der er- haltenen Kenntniß an. Den hierdurch dem anderen Theile er- wachſenen Nachtheil müſſen die Staatsgewalten wieder ausglei- chen. Natürliche Bedeutung jedes Waffenſtillſtandes iſt Erhaltung des status quo in Bezug auf die gegenſeitige kriegeriſche Stellung, ohne weitere Ausdehnung derſelben zum Schaden des Gegners. Zur Befeſtigung und Sicherung der bisherigen kann jeder Theil thun was ihm gut dünkt. 4 — Die Wiedereröffnung von Feindſeligkeiten pflegt, wenn die Friſt keine ganz momentane iſt, geziemender Weiſe wenigſtens durch eine vorherige Aufkündigung angezeigt zu wer- den, 5 bei dem unbeſtimmt eingegangenen Waffenſtillſtand iſt ſie 1 J. Fr. Ludovici, de capitulationib. Hal. 1707. Moſer IX, 2, 155. Sonſtige Schriften bei v. Ompteda §. 315. v. Kamptz §. 300. 2 Eine ſonſt häufige Bedingung war: wenn nicht innerhalb einer gewiſſen Friſt Entſatz kommen ſollte und dann es auf den Ausgang des Kampfes ankommen zu laſſen. Ward II, 226 f. 3 Ueber dieſe: Groot III, 21. Pufendorf VIII, 7, 3. Jo. Strauch, diss. acad. n. 5. Moſer Verſ. X, 2, 1. Vattel III, §. 233 f. 4 Dies ſcheint die richtigſte Formel, welcher die von Pinheiro-Ferreira zu Vattel III, 245. vorgeſchlagene ſchwerlich vorzuziehen iſt, „de ne rien faire de ce que l’ennemi aurait été intéressé d’empêcher et que, sans la trève, il aurait probablement empêché.“ Beſonders ſtreitig iſt, ob einem bela- gerten Ort erlaubt ſei, ſeine Mauern wiederherzuſtellen und neue Verthei- digungsbarrièren aufzuführen? Bejaet wird es mit Recht von Groot §. 7. noch beſtimmter in Bezug auf jede Vertheidigungsmaaßregel von Pufen- dorf §. 10. Geleugnet von H. Cocceji zu Groot §. 10. von Vattel und Wheaton IV, 2, 20. Daß der Belagerer ſeine Belagerungsarbeiten nicht fortſetzen dürfe, iſt außer Zweifel. 5 Pufendorf VIII, 7. 6. 16

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/265>, abgerufen am 27.11.2024.