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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 158. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
Neutrale durch die Zufuhr derartiger Handelsartikel sogar straffäl-
lig gegen den dadurch benachtheiligten kriegführenden Staat mache
und diesem es zustehe im Falle der Verletzung und Ertappung ein
Strafrecht gegen den Uebertreter auszuüben. Zu einer vollständi-
gen Praxis erhob sich diese Ansicht freilich erst mit der Entstehung
bedeutenderer Kriegsmarinen und mit der Einführung des Caperei-
systems, weil nun erst hierin das Mittel gegeben war, das ver-
meintliche Recht gegen die Neutralen in Ausführung zu bringen.
Freilich die stets bewaffnete Hanse, so lange sie von Bedeutung
war, unterstand sich zuweilen die völlige Freiheit ihres Handels
sogar in diesen Artikeln zu behaupten, sowie es ihr gelungen war
durch Verträge eine völlig freie Fahrt selbst nach den Landen der
Feinde ihrer Vertragsgenossen zu erlangen. 1 Während der letzten
drei Jahrhunderte haben sich dagegen alle europäischen Seemächte
meistens ausdrücklich das Zugeständniß gemacht, daß jede im Krieg
begriffene Macht die Neutralen an der Zufuhr der sogenannten
Kriegscontrebande hindern und dafür strafen dürfe, worüber eine
unzählige Menge von Handels- und Schiffahrtverträgen Zeugniß
giebt; 2 ja sie betrachten dieses als eine schon feststehende Befug-
niß. Sie haben daher auch ohne Vertrag eine solche Befugniß
geübt und Gesetze darüber erlassen; 3 man hat ihnen dieselbe
an und für sich niemals contestirt; nur gegen eine zu weite Aus-
dehnung ist gekämpft worden; was man aber selbst als Befugniß
ausübt, kann man dem andern Gleichstehenden ebenfalls nicht ver-
weigern. Wenn demnach einzelne Publicisten ein internationales
gemeinsames Recht der Kriegscontrebande geleugnet oder es nur
von ausdrücklichen Vertragsbewilligungen abhängig erklärt haben, 4
so muß dieses als der historischen Wahrheit widersprechend verwor-
fen werden.


1 Vgl. Pütter Beitr. S. 154.
2 v. Steck a. a. O. S. 194--204. Nau's Völkerseerecht §. 156 f. woran
sich dann die neueren Handels- und Schiffahrtsverträge des jetzigen Jahr-
hunderts anschließen, deren wir noch weiterhin gedenken werden.
3 So in französischen Gesetzen, namentlich in der Ordonnanz von 1681. III,
9, 11. im Allg. Preuß. Landr. II, 8, §. 2034 f. vgl. mit I, 9, §. 216 ff.
und in vielen andern Staatsgesetzgebungen.
4 Den Anfang hat hierin vorzüglich Samuel Cocceji gemacht im Nov. syst.
prud. nat.
§. 789., woran sich dann die Uebrigen angeschlossen haben. Vgl.
Jouffroy, S. 111. Dasselbe System hat auch noch Klüber §. 288 f. fest-

§. 158. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Neutrale durch die Zufuhr derartiger Handelsartikel ſogar ſtraffäl-
lig gegen den dadurch benachtheiligten kriegführenden Staat mache
und dieſem es zuſtehe im Falle der Verletzung und Ertappung ein
Strafrecht gegen den Uebertreter auszuüben. Zu einer vollſtändi-
gen Praxis erhob ſich dieſe Anſicht freilich erſt mit der Entſtehung
bedeutenderer Kriegsmarinen und mit der Einführung des Caperei-
ſyſtems, weil nun erſt hierin das Mittel gegeben war, das ver-
meintliche Recht gegen die Neutralen in Ausführung zu bringen.
Freilich die ſtets bewaffnete Hanſe, ſo lange ſie von Bedeutung
war, unterſtand ſich zuweilen die völlige Freiheit ihres Handels
ſogar in dieſen Artikeln zu behaupten, ſowie es ihr gelungen war
durch Verträge eine völlig freie Fahrt ſelbſt nach den Landen der
Feinde ihrer Vertragsgenoſſen zu erlangen. 1 Während der letzten
drei Jahrhunderte haben ſich dagegen alle europäiſchen Seemächte
meiſtens ausdrücklich das Zugeſtändniß gemacht, daß jede im Krieg
begriffene Macht die Neutralen an der Zufuhr der ſogenannten
Kriegscontrebande hindern und dafür ſtrafen dürfe, worüber eine
unzählige Menge von Handels- und Schiffahrtverträgen Zeugniß
giebt; 2 ja ſie betrachten dieſes als eine ſchon feſtſtehende Befug-
niß. Sie haben daher auch ohne Vertrag eine ſolche Befugniß
geübt und Geſetze darüber erlaſſen; 3 man hat ihnen dieſelbe
an und für ſich niemals conteſtirt; nur gegen eine zu weite Aus-
dehnung iſt gekämpft worden; was man aber ſelbſt als Befugniß
ausübt, kann man dem andern Gleichſtehenden ebenfalls nicht ver-
weigern. Wenn demnach einzelne Publiciſten ein internationales
gemeinſames Recht der Kriegscontrebande geleugnet oder es nur
von ausdrücklichen Vertragsbewilligungen abhängig erklärt haben, 4
ſo muß dieſes als der hiſtoriſchen Wahrheit widerſprechend verwor-
fen werden.


1 Vgl. Pütter Beitr. S. 154.
2 v. Steck a. a. O. S. 194—204. Nau’s Völkerſeerecht §. 156 f. woran
ſich dann die neueren Handels- und Schiffahrtsverträge des jetzigen Jahr-
hunderts anſchließen, deren wir noch weiterhin gedenken werden.
3 So in franzöſiſchen Geſetzen, namentlich in der Ordonnanz von 1681. III,
9, 11. im Allg. Preuß. Landr. II, 8, §. 2034 f. vgl. mit I, 9, §. 216 ff.
und in vielen andern Staatsgeſetzgebungen.
4 Den Anfang hat hierin vorzüglich Samuel Cocceji gemacht im Nov. syst.
prud. nat.
§. 789., woran ſich dann die Uebrigen angeſchloſſen haben. Vgl.
Jouffroy, S. 111. Daſſelbe Syſtem hat auch noch Klüber §. 288 f. feſt-
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[265/0289] §. 158. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Neutrale durch die Zufuhr derartiger Handelsartikel ſogar ſtraffäl- lig gegen den dadurch benachtheiligten kriegführenden Staat mache und dieſem es zuſtehe im Falle der Verletzung und Ertappung ein Strafrecht gegen den Uebertreter auszuüben. Zu einer vollſtändi- gen Praxis erhob ſich dieſe Anſicht freilich erſt mit der Entſtehung bedeutenderer Kriegsmarinen und mit der Einführung des Caperei- ſyſtems, weil nun erſt hierin das Mittel gegeben war, das ver- meintliche Recht gegen die Neutralen in Ausführung zu bringen. Freilich die ſtets bewaffnete Hanſe, ſo lange ſie von Bedeutung war, unterſtand ſich zuweilen die völlige Freiheit ihres Handels ſogar in dieſen Artikeln zu behaupten, ſowie es ihr gelungen war durch Verträge eine völlig freie Fahrt ſelbſt nach den Landen der Feinde ihrer Vertragsgenoſſen zu erlangen. 1 Während der letzten drei Jahrhunderte haben ſich dagegen alle europäiſchen Seemächte meiſtens ausdrücklich das Zugeſtändniß gemacht, daß jede im Krieg begriffene Macht die Neutralen an der Zufuhr der ſogenannten Kriegscontrebande hindern und dafür ſtrafen dürfe, worüber eine unzählige Menge von Handels- und Schiffahrtverträgen Zeugniß giebt; 2 ja ſie betrachten dieſes als eine ſchon feſtſtehende Befug- niß. Sie haben daher auch ohne Vertrag eine ſolche Befugniß geübt und Geſetze darüber erlaſſen; 3 man hat ihnen dieſelbe an und für ſich niemals conteſtirt; nur gegen eine zu weite Aus- dehnung iſt gekämpft worden; was man aber ſelbſt als Befugniß ausübt, kann man dem andern Gleichſtehenden ebenfalls nicht ver- weigern. Wenn demnach einzelne Publiciſten ein internationales gemeinſames Recht der Kriegscontrebande geleugnet oder es nur von ausdrücklichen Vertragsbewilligungen abhängig erklärt haben, 4 ſo muß dieſes als der hiſtoriſchen Wahrheit widerſprechend verwor- fen werden. 1 Vgl. Pütter Beitr. S. 154. 2 v. Steck a. a. O. S. 194—204. Nau’s Völkerſeerecht §. 156 f. woran ſich dann die neueren Handels- und Schiffahrtsverträge des jetzigen Jahr- hunderts anſchließen, deren wir noch weiterhin gedenken werden. 3 So in franzöſiſchen Geſetzen, namentlich in der Ordonnanz von 1681. III, 9, 11. im Allg. Preuß. Landr. II, 8, §. 2034 f. vgl. mit I, 9, §. 216 ff. und in vielen andern Staatsgeſetzgebungen. 4 Den Anfang hat hierin vorzüglich Samuel Cocceji gemacht im Nov. syst. prud. nat. §. 789., woran ſich dann die Uebrigen angeſchloſſen haben. Vgl. Jouffroy, S. 111. Daſſelbe Syſtem hat auch noch Klüber §. 288 f. feſt-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/289>, abgerufen am 27.11.2024.