Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 5. Einleitung. ringen Stufe; es war ein Theil des Religionsrechtes aller oderdoch bestimmter Nationen. 1 Noch roher erscheint die Völkersitte im Mittelalter, nicht allein Dem Christenthum war es indeß vorbehalten, die Völker auf I. die Vereinigung der abendländischen Kirche unter einem geist- lichen Oberhaupt. Rom hat das Verdienst, auf Abstellung vieler Barbareien im Völkerverkehr durch geistliche Macht hin- gewirkt zu haben; 3 II. das Ritterthum und die Kreuzzüge; III. die durchgängige Verbreitung des Römischen Rechts mit dem Charakter eines für alle Christen giltigen Rechts. 4 Hierin lag der Anfang eines allgemeinen Europäischen Völkerrechts. 1 Dies ist im Wesentlichen das Resultat der über diesen Gegenstand gewech- selten Schriften: W. Wachsmuth, Jus gentium quale obtin. apud Grae- cos. Berol. 1822. A. W. Heffter, Prol. acad. de antiquo iure gent. Bonn. 1823. 2 Eine sehr verdienstliche Darstellung davon giebt K. Th. Pütter, Beitr. zur Völkerrechts-Gesch. u. Wissensch. Leipz. 1843. S. 48. ff. 3 Vergl. vorläufig Walter Kirchenr. §. 340. Pütter a. a. O. 4 Die Juristen des Mittelalters, selbst noch Andreas Alciat zu l. 118 und
225. D. de V. S. lehrten: da durch Antonin Caracalla's Verordnung alle Insassen des Römerreichs Römische Bürger geworden, so folge, daß alle Christen nunmehr das Römische Volk darstellten; alle Ungläubige seien nicht Römer. Nur unter jenen beständen gemeinsame Rechte und Pflichten; ge- §. 5. Einleitung. ringen Stufe; es war ein Theil des Religionsrechtes aller oderdoch beſtimmter Nationen. 1 Noch roher erſcheint die Völkerſitte im Mittelalter, nicht allein Dem Chriſtenthum war es indeß vorbehalten, die Völker auf I. die Vereinigung der abendländiſchen Kirche unter einem geiſt- lichen Oberhaupt. Rom hat das Verdienſt, auf Abſtellung vieler Barbareien im Völkerverkehr durch geiſtliche Macht hin- gewirkt zu haben; 3 II. das Ritterthum und die Kreuzzüge; III. die durchgängige Verbreitung des Römiſchen Rechts mit dem Charakter eines für alle Chriſten giltigen Rechts. 4 Hierin lag der Anfang eines allgemeinen Europäiſchen Völkerrechts. 1 Dies iſt im Weſentlichen das Reſultat der über dieſen Gegenſtand gewech- ſelten Schriften: W. Wachsmuth, Jus gentium quale obtin. apud Grae- cos. Berol. 1822. A. W. Heffter, Prol. acad. de antiquo iure gent. Bonn. 1823. 2 Eine ſehr verdienſtliche Darſtellung davon giebt K. Th. Pütter, Beitr. zur Völkerrechts-Geſch. u. Wiſſenſch. Leipz. 1843. S. 48. ff. 3 Vergl. vorläufig Walter Kirchenr. §. 340. Pütter a. a. O. 4 Die Juriſten des Mittelalters, ſelbſt noch Andreas Alciat zu l. 118 und
225. D. de V. S. lehrten: da durch Antonin Caracalla’s Verordnung alle Inſaſſen des Römerreichs Römiſche Bürger geworden, ſo folge, daß alle Chriſten nunmehr das Römiſche Volk darſtellten; alle Ungläubige ſeien nicht Römer. Nur unter jenen beſtänden gemeinſame Rechte und Pflichten; ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="7"/><fw place="top" type="header">§. 5. <hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> ringen Stufe; es war ein Theil des Religionsrechtes aller oder<lb/> doch beſtimmter Nationen. <note place="foot" n="1">Dies iſt im Weſentlichen das Reſultat der über dieſen Gegenſtand gewech-<lb/> ſelten Schriften: <hi rendition="#aq">W. Wachsmuth, Jus gentium quale obtin. apud Grae-<lb/> cos. Berol. 1822. A. W. Heffter, Prol. acad. de antiquo iure gent.<lb/> Bonn.</hi> 1823.</note></p><lb/> <p>Noch roher erſcheint die Völkerſitte im Mittelalter, nicht allein<lb/> in den Berührungen der Gläubigen mit den Ungläubigen, ſondern<lb/> auch ſelbſt unter chriſtlichen Staaten. <note place="foot" n="2">Eine ſehr verdienſtliche Darſtellung davon giebt K. Th. Pütter, Beitr.<lb/> zur Völkerrechts-Geſch. u. Wiſſenſch. Leipz. 1843. S. 48. ff.</note></p><lb/> <p>Dem Chriſtenthum war es indeß vorbehalten, die Völker auf<lb/> einen anderen Weg hinzuleiten. Seine Weltliebe, ſein Gebot: thue<lb/> auch deinen Feinden Gutes, konnte nicht mit einer ewigen Feind-<lb/> ſchaft der Nationen zuſammen beſtehen. Zur gegenſeitigen Annähe-<lb/> rung der Europäiſchen chriſtlichen Staaten und zur Anerkennung<lb/> wechſelſeitiger allgemeiner Rechte trugen beſonders folgende Um-<lb/> ſtände bei:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> die Vereinigung der abendländiſchen Kirche unter einem geiſt-<lb/> lichen Oberhaupt. Rom hat das Verdienſt, auf Abſtellung<lb/> vieler Barbareien im Völkerverkehr durch geiſtliche Macht hin-<lb/> gewirkt zu haben; <note place="foot" n="3">Vergl. vorläufig Walter Kirchenr. §. 340. Pütter a. a. O.</note></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II.</hi> das Ritterthum und die Kreuzzüge;</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III.</hi> die durchgängige Verbreitung des Römiſchen Rechts mit dem<lb/> Charakter eines für alle Chriſten giltigen Rechts. <note xml:id="note-0031" next="#note-0032" place="foot" n="4">Die Juriſten des Mittelalters, ſelbſt noch Andreas Alciat zu <hi rendition="#aq">l.</hi> 118 und<lb/> 225. <hi rendition="#aq">D. de V. S.</hi> lehrten: da durch Antonin Caracalla’s Verordnung alle<lb/> Inſaſſen des Römerreichs Römiſche Bürger geworden, ſo folge, daß alle<lb/> Chriſten nunmehr das Römiſche Volk darſtellten; alle Ungläubige ſeien nicht<lb/> Römer. Nur unter jenen beſtänden gemeinſame Rechte und Pflichten; ge-</note></item> </list><lb/> <p>Hierin lag der Anfang eines allgemeinen Europäiſchen Völkerrechts.<lb/> Seine poſitiven Grundlagen waren die Grundſätze des Chriſten-<lb/> thums und das Römiſche Recht, ſo weit es die Kirche nicht miß-<lb/> billigte; die für unantaſtbar, weil natürlich und göttlich, gehaltenen<lb/> Regeln des Privatrechts wurden nun auch auf die Völkerverhält-<lb/> niſſe übertragen, und ſelbſt die Glaubensſpaltung des ſechszehnten<lb/> Jahrhunderts konnte das neugeſchlungene Band nicht wieder auf-<lb/> löſen, da auch die reformatoriſchen Lehren daran feſthielten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0031]
§. 5. Einleitung.
ringen Stufe; es war ein Theil des Religionsrechtes aller oder
doch beſtimmter Nationen. 1
Noch roher erſcheint die Völkerſitte im Mittelalter, nicht allein
in den Berührungen der Gläubigen mit den Ungläubigen, ſondern
auch ſelbſt unter chriſtlichen Staaten. 2
Dem Chriſtenthum war es indeß vorbehalten, die Völker auf
einen anderen Weg hinzuleiten. Seine Weltliebe, ſein Gebot: thue
auch deinen Feinden Gutes, konnte nicht mit einer ewigen Feind-
ſchaft der Nationen zuſammen beſtehen. Zur gegenſeitigen Annähe-
rung der Europäiſchen chriſtlichen Staaten und zur Anerkennung
wechſelſeitiger allgemeiner Rechte trugen beſonders folgende Um-
ſtände bei:
I. die Vereinigung der abendländiſchen Kirche unter einem geiſt-
lichen Oberhaupt. Rom hat das Verdienſt, auf Abſtellung
vieler Barbareien im Völkerverkehr durch geiſtliche Macht hin-
gewirkt zu haben; 3
II. das Ritterthum und die Kreuzzüge;
III. die durchgängige Verbreitung des Römiſchen Rechts mit dem
Charakter eines für alle Chriſten giltigen Rechts. 4
Hierin lag der Anfang eines allgemeinen Europäiſchen Völkerrechts.
Seine poſitiven Grundlagen waren die Grundſätze des Chriſten-
thums und das Römiſche Recht, ſo weit es die Kirche nicht miß-
billigte; die für unantaſtbar, weil natürlich und göttlich, gehaltenen
Regeln des Privatrechts wurden nun auch auf die Völkerverhält-
niſſe übertragen, und ſelbſt die Glaubensſpaltung des ſechszehnten
Jahrhunderts konnte das neugeſchlungene Band nicht wieder auf-
löſen, da auch die reformatoriſchen Lehren daran feſthielten.
1 Dies iſt im Weſentlichen das Reſultat der über dieſen Gegenſtand gewech-
ſelten Schriften: W. Wachsmuth, Jus gentium quale obtin. apud Grae-
cos. Berol. 1822. A. W. Heffter, Prol. acad. de antiquo iure gent.
Bonn. 1823.
2 Eine ſehr verdienſtliche Darſtellung davon giebt K. Th. Pütter, Beitr.
zur Völkerrechts-Geſch. u. Wiſſenſch. Leipz. 1843. S. 48. ff.
3 Vergl. vorläufig Walter Kirchenr. §. 340. Pütter a. a. O.
4 Die Juriſten des Mittelalters, ſelbſt noch Andreas Alciat zu l. 118 und
225. D. de V. S. lehrten: da durch Antonin Caracalla’s Verordnung alle
Inſaſſen des Römerreichs Römiſche Bürger geworden, ſo folge, daß alle
Chriſten nunmehr das Römiſche Volk darſtellten; alle Ungläubige ſeien nicht
Römer. Nur unter jenen beſtänden gemeinſame Rechte und Pflichten; ge-
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