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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 175.
Willkühr des Seeherrn abhängig gemacht. Das ist zum Theil die
Folge gemeinsamer Versündigung, indem beinahe kein Seestaat sich
gescheuet hat die Grundsätze, welche oft wieder zu seinem eigenen
Verderben dienen konnten, bei vorkommender günstiger Gelegenheit
selbst zu üben.

Ist aber darum dieses s. g. Völkerseerecht ein gerechtes? un-
abänderliches? und kann es Bestand haben?

Ausgehend von dem Princip der Gleichheit aller Staaten,
wornach keiner der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit des
Anderen unterworfen ist;
erwägend, daß auch die Unterthanen eines neutralen Staates
weder in diesem noch auf der offenen See Gesetze von an-
deren Staaten zu empfangen haben, so lange sie deren Ge-
biet nicht betreten;
daß der Krieg kein anderes obligatorisches Verhältniß zwischen
jedem Kriegführenden und den Neutralen begründet, als daß
Letztere den kriegerischen Besitzstand des Erstern, seinem Feinde
gegenüber, nicht zu stören haben, ohne jedoch schuldig zu sein,
zur Erleichterung eines Kriegführenden Etwas beizutragen,
und daß im Uebrigen die Verkehrsverhältnisse der Neutra-
len mit den Kriegführenden unverändert bleiben;
daß es zur Zeit auch noch keinen geschlossenen Seekriegcodex
giebt, woran jeder Staat bleibend gebunden ist, sondern
nur ein System von Maximen, welches man gegenseitig
um seines Nutzens willen ausübte oder aus Schwäche sich
gefallen lassen mußte;
daß daher jeder Staat sich davon lossagen und den wahren
Grundsätzen der Gerechtigkeit zuwenden kann, welche sich
aus der Gleichheit und Unabhängigkeit der Staaten, wie
aus den allgemeinen Menschenrechten ableiten lassen:

dürfen wir als Thesen eines künftigen darauf allein gebauten Völ-
kercodex noch immer mit manchem älteren Publicisten diese be-
haupten:

I. Ein Kriegführender kann den Neutralen nur durch effective
Blocade feindlicher Häfen, Küsten und Inseln, desgleichen
durch Cernirung feindlicher Geschwader Beschränkungen ihrer
Handelsfreiheit auferlegen.

Denn hier ist jener wirklicher Possessor feindlichen Landes oder See-

Zweites Buch. §. 175.
Willkühr des Seeherrn abhängig gemacht. Das iſt zum Theil die
Folge gemeinſamer Verſündigung, indem beinahe kein Seeſtaat ſich
geſcheuet hat die Grundſätze, welche oft wieder zu ſeinem eigenen
Verderben dienen konnten, bei vorkommender günſtiger Gelegenheit
ſelbſt zu üben.

Iſt aber darum dieſes ſ. g. Völkerſeerecht ein gerechtes? un-
abänderliches? und kann es Beſtand haben?

Ausgehend von dem Princip der Gleichheit aller Staaten,
wornach keiner der Geſetzgebung und Gerichtsbarkeit des
Anderen unterworfen iſt;
erwägend, daß auch die Unterthanen eines neutralen Staates
weder in dieſem noch auf der offenen See Geſetze von an-
deren Staaten zu empfangen haben, ſo lange ſie deren Ge-
biet nicht betreten;
daß der Krieg kein anderes obligatoriſches Verhältniß zwiſchen
jedem Kriegführenden und den Neutralen begründet, als daß
Letztere den kriegeriſchen Beſitzſtand des Erſtern, ſeinem Feinde
gegenüber, nicht zu ſtören haben, ohne jedoch ſchuldig zu ſein,
zur Erleichterung eines Kriegführenden Etwas beizutragen,
und daß im Uebrigen die Verkehrsverhältniſſe der Neutra-
len mit den Kriegführenden unverändert bleiben;
daß es zur Zeit auch noch keinen geſchloſſenen Seekriegcodex
giebt, woran jeder Staat bleibend gebunden iſt, ſondern
nur ein Syſtem von Maximen, welches man gegenſeitig
um ſeines Nutzens willen ausübte oder aus Schwäche ſich
gefallen laſſen mußte;
daß daher jeder Staat ſich davon losſagen und den wahren
Grundſätzen der Gerechtigkeit zuwenden kann, welche ſich
aus der Gleichheit und Unabhängigkeit der Staaten, wie
aus den allgemeinen Menſchenrechten ableiten laſſen:

dürfen wir als Theſen eines künftigen darauf allein gebauten Völ-
kercodex noch immer mit manchem älteren Publiciſten dieſe be-
haupten:

I. Ein Kriegführender kann den Neutralen nur durch effective
Blocade feindlicher Häfen, Küſten und Inſeln, desgleichen
durch Cernirung feindlicher Geſchwader Beſchränkungen ihrer
Handelsfreiheit auferlegen.

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[296/0320] Zweites Buch. §. 175. Willkühr des Seeherrn abhängig gemacht. Das iſt zum Theil die Folge gemeinſamer Verſündigung, indem beinahe kein Seeſtaat ſich geſcheuet hat die Grundſätze, welche oft wieder zu ſeinem eigenen Verderben dienen konnten, bei vorkommender günſtiger Gelegenheit ſelbſt zu üben. Iſt aber darum dieſes ſ. g. Völkerſeerecht ein gerechtes? un- abänderliches? und kann es Beſtand haben? Ausgehend von dem Princip der Gleichheit aller Staaten, wornach keiner der Geſetzgebung und Gerichtsbarkeit des Anderen unterworfen iſt; erwägend, daß auch die Unterthanen eines neutralen Staates weder in dieſem noch auf der offenen See Geſetze von an- deren Staaten zu empfangen haben, ſo lange ſie deren Ge- biet nicht betreten; daß der Krieg kein anderes obligatoriſches Verhältniß zwiſchen jedem Kriegführenden und den Neutralen begründet, als daß Letztere den kriegeriſchen Beſitzſtand des Erſtern, ſeinem Feinde gegenüber, nicht zu ſtören haben, ohne jedoch ſchuldig zu ſein, zur Erleichterung eines Kriegführenden Etwas beizutragen, und daß im Uebrigen die Verkehrsverhältniſſe der Neutra- len mit den Kriegführenden unverändert bleiben; daß es zur Zeit auch noch keinen geſchloſſenen Seekriegcodex giebt, woran jeder Staat bleibend gebunden iſt, ſondern nur ein Syſtem von Maximen, welches man gegenſeitig um ſeines Nutzens willen ausübte oder aus Schwäche ſich gefallen laſſen mußte; daß daher jeder Staat ſich davon losſagen und den wahren Grundſätzen der Gerechtigkeit zuwenden kann, welche ſich aus der Gleichheit und Unabhängigkeit der Staaten, wie aus den allgemeinen Menſchenrechten ableiten laſſen: dürfen wir als Theſen eines künftigen darauf allein gebauten Völ- kercodex noch immer mit manchem älteren Publiciſten dieſe be- haupten: I. Ein Kriegführender kann den Neutralen nur durch effective Blocade feindlicher Häfen, Küſten und Inſeln, desgleichen durch Cernirung feindlicher Geſchwader Beſchränkungen ihrer Handelsfreiheit auferlegen. Denn hier iſt jener wirklicher Poſſeſſor feindlichen Landes oder See-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/320>, abgerufen am 27.11.2024.