Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Zweites Buch. §. 179. Staaten mit Einschluß der Souveräne führte. Sie kann eine un-bedingte oder bedingte sein; aber auch im ersteren Falle versteht sich die Unterwerfung nur nach menschlichem Recht, so daß dem Sieger keine Macht gegeben wird, Etwas zu verfügen und anzu- ordnen, was der Mensch dem Menschen abzufordern und aufzule- gen nicht berechtigt ist. Wohl die höchste und unbeschränkteste Staatsgewalt kann nach neuerem Kriegsrecht auf den Sieger über- gehen, nicht aber das Recht auf die Personen und Privatrechte der besiegten Unterthanen. 1 Der unterdrückte Staat wird übri- gens meist mit dem siegenden Staate in einer der obigen Weisen (§. 19. 20.) und mit den schon früher besprochenen Wirkungen (§. 24. 25.) vereinigt. Ob ihn der siegende Souverän sich selbst vorbehalten oder einem Dritten abtreten dürfe, hängt von seinem Verhältniß zum eigenen Staate ab. 2 c. Friedensschlüsse. 179. Friedenschlüsse sind die feierlichsten Verträge, wodurch 1 Untersuchungen hierüber finden sich in Henr. de Cocceji disp. de iure victoriae §. 10--32. und im Comment. zu Groot III, 8. wobei jedoch Einzelnes einer Berichtigung bedürfen würde, namentlich, daß der Sieger über den besiegten Staat keine andere Gewalt erlange, als diejenige, welche ihm über den eigenen bisherigen Staat zustand! 2 Unbedingt behauptet Vattel die Vereinigung mit dem siegenden Staate. Aber die Frage ist eine staatsrechtliche und keine völkerrechtliche für den Souverän. Es giebt auch Beispiele genug von Dispositionen des siegenden Souveräns über eroberte Länder zu eigenen oder fremden Gunsten, nament- lich zu Gunsten seiner Familienglieder. 3 Was bei Vattel im vierten Buche und in ähnlicher Weise bei anderen
Schriftstellern über die Friedensschlüsse gesagt ist, beruhet in der That nur auf einer Anwendung der allgemeinen Vertragslehre. Die Specialschriften über Frieden und Friedensschlüsse bei v. Ompteda §. 323. und v. Kamptz §. 321. sind von keiner sonderlichen Bedeutung. S. indeß noch Chrstn. Zweites Buch. §. 179. Staaten mit Einſchluß der Souveräne führte. Sie kann eine un-bedingte oder bedingte ſein; aber auch im erſteren Falle verſteht ſich die Unterwerfung nur nach menſchlichem Recht, ſo daß dem Sieger keine Macht gegeben wird, Etwas zu verfügen und anzu- ordnen, was der Menſch dem Menſchen abzufordern und aufzule- gen nicht berechtigt iſt. Wohl die höchſte und unbeſchränkteſte Staatsgewalt kann nach neuerem Kriegsrecht auf den Sieger über- gehen, nicht aber das Recht auf die Perſonen und Privatrechte der beſiegten Unterthanen. 1 Der unterdrückte Staat wird übri- gens meiſt mit dem ſiegenden Staate in einer der obigen Weiſen (§. 19. 20.) und mit den ſchon früher beſprochenen Wirkungen (§. 24. 25.) vereinigt. Ob ihn der ſiegende Souverän ſich ſelbſt vorbehalten oder einem Dritten abtreten dürfe, hängt von ſeinem Verhältniß zum eigenen Staate ab. 2 c. Friedensſchlüſſe. 179. Friedenſchlüſſe ſind die feierlichſten Vertraͤge, wodurch 1 Unterſuchungen hierüber finden ſich in Henr. de Cocceji disp. de iure victoriae §. 10—32. und im Comment. zu Groot III, 8. wobei jedoch Einzelnes einer Berichtigung bedürfen würde, namentlich, daß der Sieger über den beſiegten Staat keine andere Gewalt erlange, als diejenige, welche ihm über den eigenen bisherigen Staat zuſtand! 2 Unbedingt behauptet Vattel die Vereinigung mit dem ſiegenden Staate. Aber die Frage iſt eine ſtaatsrechtliche und keine völkerrechtliche für den Souverän. Es giebt auch Beiſpiele genug von Dispoſitionen des ſiegenden Souveräns über eroberte Länder zu eigenen oder fremden Gunſten, nament- lich zu Gunſten ſeiner Familienglieder. 3 Was bei Vattel im vierten Buche und in ähnlicher Weiſe bei anderen
Schriftſtellern über die Friedensſchlüſſe geſagt iſt, beruhet in der That nur auf einer Anwendung der allgemeinen Vertragslehre. Die Specialſchriften über Frieden und Friedensſchlüſſe bei v. Ompteda §. 323. und v. Kamptz §. 321. ſind von keiner ſonderlichen Bedeutung. S. indeß noch Chrſtn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0324" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 179.</fw><lb/> Staaten mit Einſchluß der Souveräne führte. Sie kann eine un-<lb/> bedingte oder bedingte ſein; aber auch im erſteren Falle verſteht<lb/> ſich die Unterwerfung nur nach menſchlichem Recht, ſo daß dem<lb/> Sieger keine Macht gegeben wird, Etwas zu verfügen und anzu-<lb/> ordnen, was der Menſch dem Menſchen abzufordern und aufzule-<lb/> gen nicht berechtigt iſt. Wohl die höchſte und unbeſchränkteſte<lb/> Staatsgewalt kann nach neuerem Kriegsrecht auf den Sieger über-<lb/> gehen, nicht aber das Recht auf die Perſonen und Privatrechte<lb/> der beſiegten Unterthanen. <note place="foot" n="1">Unterſuchungen hierüber finden ſich in <hi rendition="#aq">Henr. de Cocceji disp. de iure<lb/> victoriae</hi> §. 10—32. und im Comment. zu Groot <hi rendition="#aq">III,</hi> 8. wobei jedoch<lb/> Einzelnes einer Berichtigung bedürfen würde, namentlich, daß der Sieger<lb/> über den beſiegten Staat keine andere Gewalt erlange, als diejenige, welche<lb/> ihm über den eigenen bisherigen Staat zuſtand!</note> Der unterdrückte Staat wird übri-<lb/> gens meiſt mit dem ſiegenden Staate in einer der obigen Weiſen<lb/> (§. 19. 20.) und mit den ſchon früher beſprochenen Wirkungen<lb/> (§. 24. 25.) vereinigt. Ob ihn der ſiegende Souverän ſich ſelbſt<lb/> vorbehalten oder einem Dritten abtreten dürfe, hängt von ſeinem<lb/> Verhältniß zum eigenen Staate ab. <note place="foot" n="2">Unbedingt behauptet Vattel die Vereinigung mit dem ſiegenden Staate.<lb/> Aber die Frage iſt eine ſtaatsrechtliche und keine völkerrechtliche für den<lb/> Souverän. Es giebt auch Beiſpiele genug von Dispoſitionen des ſiegenden<lb/> Souveräns über eroberte Länder zu eigenen oder fremden Gunſten, nament-<lb/> lich zu Gunſten ſeiner Familienglieder.</note></p> </div><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#aq">c.</hi><hi rendition="#g">Friedensſchlüſſe</hi>.</head><lb/> <p>179. Friedenſchlüſſe ſind die feierlichſten Vertraͤge, wodurch<lb/> zwei oder mehrere Staaten den Krieg unter ſich für beendigt er-<lb/> klären und ferneren Gewaltthätigkeit ein Ziel ſetzen, ohne daß einer<lb/> ſich in völlige Abhängigkeit des anderen begiebt, wodurch ſich die-<lb/> ſer Fall von dem vorigen der Deditio unterſcheidet. Alle Regeln<lb/> der Staatenverträge gelten vorzüglich auch von den Friedensſchlüſ-<lb/> ſen. <note xml:id="note-0324" next="#note-0325" place="foot" n="3">Was bei Vattel im vierten Buche und in ähnlicher Weiſe bei anderen<lb/> Schriftſtellern über die Friedensſchlüſſe geſagt iſt, beruhet in der That nur<lb/> auf einer Anwendung der allgemeinen Vertragslehre. Die Specialſchriften<lb/> über Frieden und Friedensſchlüſſe bei v. Ompteda §. 323. und v. Kamptz<lb/> §. 321. ſind von keiner ſonderlichen Bedeutung. S. indeß noch Chrſtn.</note> Das Eigenthümliche derſelben wird in dem Folgenden an-<lb/> gemerkt werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0324]
Zweites Buch. §. 179.
Staaten mit Einſchluß der Souveräne führte. Sie kann eine un-
bedingte oder bedingte ſein; aber auch im erſteren Falle verſteht
ſich die Unterwerfung nur nach menſchlichem Recht, ſo daß dem
Sieger keine Macht gegeben wird, Etwas zu verfügen und anzu-
ordnen, was der Menſch dem Menſchen abzufordern und aufzule-
gen nicht berechtigt iſt. Wohl die höchſte und unbeſchränkteſte
Staatsgewalt kann nach neuerem Kriegsrecht auf den Sieger über-
gehen, nicht aber das Recht auf die Perſonen und Privatrechte
der beſiegten Unterthanen. 1 Der unterdrückte Staat wird übri-
gens meiſt mit dem ſiegenden Staate in einer der obigen Weiſen
(§. 19. 20.) und mit den ſchon früher beſprochenen Wirkungen
(§. 24. 25.) vereinigt. Ob ihn der ſiegende Souverän ſich ſelbſt
vorbehalten oder einem Dritten abtreten dürfe, hängt von ſeinem
Verhältniß zum eigenen Staate ab. 2
c. Friedensſchlüſſe.
179. Friedenſchlüſſe ſind die feierlichſten Vertraͤge, wodurch
zwei oder mehrere Staaten den Krieg unter ſich für beendigt er-
klären und ferneren Gewaltthätigkeit ein Ziel ſetzen, ohne daß einer
ſich in völlige Abhängigkeit des anderen begiebt, wodurch ſich die-
ſer Fall von dem vorigen der Deditio unterſcheidet. Alle Regeln
der Staatenverträge gelten vorzüglich auch von den Friedensſchlüſ-
ſen. 3 Das Eigenthümliche derſelben wird in dem Folgenden an-
gemerkt werden.
1 Unterſuchungen hierüber finden ſich in Henr. de Cocceji disp. de iure
victoriae §. 10—32. und im Comment. zu Groot III, 8. wobei jedoch
Einzelnes einer Berichtigung bedürfen würde, namentlich, daß der Sieger
über den beſiegten Staat keine andere Gewalt erlange, als diejenige, welche
ihm über den eigenen bisherigen Staat zuſtand!
2 Unbedingt behauptet Vattel die Vereinigung mit dem ſiegenden Staate.
Aber die Frage iſt eine ſtaatsrechtliche und keine völkerrechtliche für den
Souverän. Es giebt auch Beiſpiele genug von Dispoſitionen des ſiegenden
Souveräns über eroberte Länder zu eigenen oder fremden Gunſten, nament-
lich zu Gunſten ſeiner Familienglieder.
3 Was bei Vattel im vierten Buche und in ähnlicher Weiſe bei anderen
Schriftſtellern über die Friedensſchlüſſe geſagt iſt, beruhet in der That nur
auf einer Anwendung der allgemeinen Vertragslehre. Die Specialſchriften
über Frieden und Friedensſchlüſſe bei v. Ompteda §. 323. und v. Kamptz
§. 321. ſind von keiner ſonderlichen Bedeutung. S. indeß noch Chrſtn.
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